07. Juli 2020


Leserfrage: Soll ich meinen ETFs einen Trenchcoat spendieren?

Leser S. fragt nach einem Mantel für seine ETFs

Ich bin 38 Jahre alt, verheiratet, Arzt von Beruf und arbeite in einer Klinik in Frankfurt. Bereits seit Studienzeiten werde ich von diversen Finanzdienstleistern (MLP, Mayflower, Ärztefinanz) umworben und "beraten".
Ziel war es immer die "optimale" Lösung für meine Finanzen und Versicherungen zu finden. Da ich mich im Studium und auch unmittelbar danach nicht näher mit finanziellen Themen auseinandersetzen musste, mal abgesehen davon dass ich gar keinen finanziellen Spielraum hatte, habe ich einige Zeit später beschlossen mich zukünftig selbst um meine Finanzen zu kümmern.
Seit einigen Jahren besitze ich nun ein Depot und bespare begeistert und ausdauernd MSCI "Brot und Butter"-ETFs. Ziel ist die Strategie eisern mit einem Sparbetrag von mindestens 600 € / Monat bis zum Rentenalter durchzuhalten.
Vor Kurzem informierte mich ein Finanzberater, dass es auch den ETF im Versicherungsmantel gibt und dieser steuerlich begünstigt wird. Ich könne mein Depot mit denselben ETFs fortführen, bloß in einer Versicherungsumgebung.
Ich bin skeptisch.
Leider habe ich keine Informationen zu dem Thema und habe keine Langzeitstatistiken, beziehungsweise Vergleiche mit meiner momentanen Strategie gesehen.
Hast du Erfahrung, beziehungsweise nähere Informationen zu dem Thema? Ich will mich nicht komplett gegen das Thema Versicherung sperren, dennoch bin ich sehr skeptisch was das Thema betrifft. Wir finanziell gut situierten und schlecht informierten Ärzte sind klassische Zielgruppe der Finanzbranche. Sicherlich wäre so ein Mantel auch mit hohen Kosten verbunden. Die Frage ist unter andrem, ob es so ein Produkt dank steuerlichen Vorteilen schafft im langen Zeitraum (30 Jahre) im Vergleich zu meiner aktuellen Lösung tatsächlich die Nase vorn zu haben.

Der Finanzwesir antwortet

Wir haben zwei Möglichkeiten, dieses Thema anzugehen.

  1. Wir sehen es als Geldanlage.
  2. Wir betrachten das Problem durch die Brille eines Risikokapitalgebers.

ETF im Versicherungsmantel als Geldanlage

Wenn wir - egal ob über einen oder vier Indizes - in 23 Industrie- und 26 Schwellenländer investieren, so wie S. das macht, dann haben wir rund 2.500 Firmen im Depot. Jede einzelne Firma ist nur Kanonenfutter. Wenn Apple in 30 Jahren im Insolvenzverfahren steckt, gibt der MSCI World den Stab einfach an eine andere Firma weiter. Welche? Keine Ahnung. Womöglich wird der Apple-Nachfolger erst 2030 gegründet.
Indexing ist Statistik. Wir bilden lange Zeitreihen und rechnen mit Mittelwerten und Standardabweichungen. Einzelschicksale interessieren nicht. Soweit der ETF-Teil. Kommen wir nun zum Versicherungsmantel.

ETF im Versicherungsmantel aus Perspektive eines VC

Der Versicherungsmantel ist keine Statistik, sondern Einzelschicksal. S. schließt über seinen Vermittler bei einer bestimmten Versicherungsgesellschaft einen konkreten Vertrag ab.
Dieser Vertrag hat eine sehr lange Laufzeit und sein Erfolg hängt zum Teil von Variablen ab, die S. nicht beeinflussen kann. Genauso geht es Risikokapitalgebern. Wobei Risikokapitalgeber ihre Beteiligungen im Durchschnitt sieben Jahre halten. S. rechnet mit drei Dekaden. Gut, dafür ist das VC-Business auch deutlich dynamischer.
Risikokapitalgeber lösen das Problem, indem sie prüfen, ob die Erfolgsvektoren grundsätzlich in die richtige Richtung zeigen. Hat dieses Team mit diesem Angebot grundsätzlich Chancen profitabel zu werden?

Genau diese Frage sollten wir uns auch beim ETF im Versicherungsmantel stellen.
Als Ingenieur, der humanistische Bildung schätzt, habe ich zwei lateinische Weisheiten für unsere Due Diligence im Gepäck.

  1. Cui bono? - Wem nützt’s?
  2. Caveat emptor - Möge sich der Käufer in Acht nehmen.

Cui bono?

S. ist nicht selbst auf die Idee gekommen seine ETFs in einen Versicherungsmantel zu stecken, sondern es wurde ihm von einem Finanzberater vorgeschlagen. Damit haben wir die folgenden drei Szenarien

  1. ETF im Versicherungsmantel ist gut für den Finanzberater und gut für S. (bessere Rendite als die nackte ETF-Strategie)
  2. ETF im Versicherungsmantel ist gut für den Finanzberater und neutral für S. (in etwa die gleiche Rendite wie die ETF-Strategie)
  3. ETF im Versicherungsmantel ist gut für den Finanzberater und schlecht für S. (schlechtere Rendite als einfach 600 € monatlich in ETFs zu packen.)

Da beginnt die Asymmetrie. Die Detailanalyse ergibt:

Wenn S. seine ETFs in den Versicherungsmantel verschiebt, ändert sich die Rendite nicht. Das ist ja das Geniale an ETFs: Sie sind keine Produkte für den Privatsparer, sondern Tools für die Instis. Wir als Privatanleger haben hier die Chance auf Industriequalität. Das bedeutet: Der Versicherer bekommt bei den laufenden Kosten (der TER) keine bessere Konditionen, als S. Wenn S. seinen Sparplan von einem der Billigbroker wie Smart Broker oder Trade Republic ausführen lässt, hat er auch bei den Konditionen Insti-Niveau erreicht. Egal ob DIY oder im Versicherungsmantel: Die Rendite-Engine hat in beiden Fällen die gleiche Power. Kommen wir zum Zubehör:
S. wird mit folgendem Deal gelockt: Die Steuerersparnisse werden für die nächsten 30 Jahre (wir schreiben das Jahr 2050, S. ist jetzt 68 Jahre alt) die Mehrkosten des Versicherungsmantels mehr als ausgleichen. Wie wahrscheinlich ist das?

Nahrungsketten-Betrachtung

  1. DIY: S. => Broker => Börse
  2. Versicherungsmantel: S. => Makler => Versicherungsunternehmen => Broker => Börse

Die Steuerersparnis muss also den Makler und das Versicherungsunternehmen ernähren und dann muss noch eine Risikoprämie für S. dabei herausspringen. S. geht das nicht unerhebliche Risiko ein, dass sich die steuerlichen Spielregeln ändern.

Die Steuervorteile

Nachgelagerte Besteuerung

Ausschüttungen und Gewinne durch Verkäufe sind im Versicherungsmantel steuerfrei. Besteuert werden später die Auszahlungen. Damit profitiere ich als Anleger vom Zinseszins-Effekt.

Niedriger Steuersatz

Auszahlungen werden mit der Hälfte des persönlichen Steuersatzes versteuert. Also maximal die Hälfte von 47 % (inklusive Soli). Das ist immer niedriger als die Abgeltungsteuer (26 % inklusive Soli), die bei einem ETF-Sparplan angesetzt wird.

Niedrigere Steuerbasis im Fall der Verrentung

Bei einer Verrentung mit 67 Jahren wird ein pauschaler Ertragsanteil von 17 % der Rente angenommen. Bei einer langjährigen Anlage liegt der Ertragsanteil des Vermögens typischerweise bei 40 % – 60 %. Entsprechend höher ist der Steuerlast bei einem ETF-Sparplan.

Kritische Durchsicht der Steuervorteile

Wie viel bringt die nachgelagerte Besteuerung?

  • Aktuell beträgt der Steuerfreibetrag 801 Euro pro Person, Ehepaare das Doppelte.
  • Brot&Butter-ETFs haben eine Ausschüttungsquote zwischen 1,5 % und 2 %.
  • Das bedeutet: Bevor S. nicht zwischen 40.000 Euro und 53.000 Euro gespart hat, zahlt er keine Steuern.
  • Dazu braucht er bei seiner Sparquote zwischen 67 Monaten (5 Jahre, 7 Monate) und 89 Monaten (7 Jahre, 5 Monate).

In dieser Zeit sind DIY-ETF und ETF im Versicherungsmantel steuerfrei.

Der Versicherungsvertreter wird sagen: Ja, aber im Versicherungsmantel kann man steuerfrei in beliebiger Gewinnhöhe umschichten. Umschichten kann S. sein DIY-Depot auch. Aber seine Umschichtungsgewinne konkurrieren mit seinen Ausschüttungen um die Steuerfreiheit. Wenn S. schon für 400 € Ausschüttungen erhält, kann er bei einer Umschichtung nur 401 € steuerfrei kassieren, den Rest muss er versteuern.
Der Finanzwesir sagt: Das man im Mantel beliebig steuerfrei umschichten kann ist kein Feature, sondern ein Bug. Es verleitet zur Beliebigkeit.
Der Versicherungsmensch ruft an und sagt: "Wir haben jetzt den neuen kostengünstigen Rendite-Booster-ETF im Programm. Den sollten sie mal ausprobieren".
S. hmhmt skeptisch ins Telefon.
Der Vertreter: "Herr S., nicht so zögerlich. Das kostet doch nichts!"
Also gut denkt sich S., die Argumente klingen überzeugend und kost’ ja nix. Und schichtet um.
Das passiert noch ein paar Mal und auf einmal hat S. eine dieser ETF-Ansammlungen im Depot, die den Finanzwesir zur Schnappatmung bringt. Und als Arzt weiß S., dass hoher Blutdruck und alter Mann keine gute Kombi ist. Das wird er seinem Finanzwesir hoffentlich nicht antun.
Weil der Vertreter S. schon mal am Telefon hat, erzählt er ihm gleich von der neuen tollen Haftpflichtversicherung (Sie als Arzt stehen doch immer mit einem Bein im Knast…).
Mit anderen Worten: Die Möglichkeit ETFs steuerfrei auszutauschen ist ein Einfallstor um S. mit vertrieblichen Maßnahmen zu bedudeln. Nix DSGVO und lass mich in Ruhe. Jeder Kontakt ist sachlich begründet. Es gibt ja was Neues zum Depot zu erzählen und S. muss darüber informiert werden. Der Vertreter tut nur seine kundenfürsorgliche Pflicht.

Ganz anders der DIY-Plan: Da steckt echtes Commitment dahinter. Es ist klar: Umschichten kostet. Also mache ich mir vorher gründlich Gedanken und halte dann Kurs. Vertriebsinduziertes Larifari im Depot ruiniert die Rendite.

Was tun, wenn S. seine 50.000 Euro voll hat? Nun, dann kann er immer noch den Niedrigzins nutzen und fürderhin Thesaurierer besparen. Die Steuerlast für einen Thesaurierer bemisst sich nach der Vorabpauschale und um sie zu berechnen, brauchen wir die folgenden Ingredienzien

  1. Wert des Fonds am Jahresanfang
  2. Basiszins
  3. Teilfreistellung
  4. Kostenpauschale
  5. Einen Schnaps

In unserem Beispiel arbeiten wir mit dem folgenden Werten

  1. Wert des Fonds am Jahresanfang: 10.000 €
  2. Basiszins für das abgelaufende Steuerjahr 2019: 0,07 %
  3. Teilfreistellung: 30 %
  4. Kostenpauschale: 30 %
  5. Einen Schnaps: Botucal Reserva Exclusiva Rum

Damit ergibt sich die Vorabpauschale für das abgelaufene Steuerjahr zu: 10.000 € * (0,07 % -30 % * 0,07 %) = 4,90 €.
Die Steuerlast ergibt sich zu 4,90 € * 0,7 % (Teilfreistellung) * 26,375 % = 0,90 €

Das bedeutet: Für jede 10.000 €, die über die ersten vom Freibetrag abgedeckten 50.000 € hinausgehen, zahlt S. 90 Cent Steuern. Und auch nur, wenn seine Thesaurierer im Kurs steigen. Wenn der Wert am Jahresende geringer ist als am Jahresanfang, zahlt S. keine Steuern.
Das ist doch fast so gut wie steuerfrei. Darauf einen Botucal.
Da die Vorabpauschale so gering ist, löst Umschichten ordentliche steuerliche Verpflichtungen aus. Hier holt sich der Staat dann seine Steuern. Das ist aber auch gut so, denn es diszipliniert.

Achtung: Das Ganze ist eine Doppelwette!

  • erste Wette: Die Zinsen bleiben niedrig
  • zweite Wette: Das Steuerregime ändert sich nicht. Eigentlich ist es doch eine Gerechtigkeitslücke, dass S. als gutverdienender Arzt nur 90 Cent Steuern pro 10.000 € ETF-Volumen zahlt.

Der niedrige Steuersatz bei Auszahlung beziehungsweise die niedrige Steuerbasis bei Verrentung sind ebenfalls Wetten auf die Zukunft. In die Zukunft können wir nicht sehen. Aber wir können aus der Vergangenheit unsere Schlüsse ziehen.

Die Besteuerung im Lauf der Zeiten
  • Ab 1977: Dividenden werden nach dem Anrechnungsverfahren besteuert
  • Ab 1999: Die Spekulationsfrist für Wertpapiere wurde von sechs auf zwölf Monate erhöht
  • Ab 2002 der grundlegende Systemwechsel. Für Dividenden und Spekulationsgewinne gilt das Halbeinkünfteverfahren
  • Ab 2009: Abgeltungssteuer von 25 % plus Soli und Kirchensteuer
  • Ab 2018: Abgeltungssteuer plus Teilfreistellung und Vorabpauschale

In den letzten 20 Jahren hatten wir drei gravierende Änderungen der Steuergesetze. Wenn ich das einfach mal hochrechne, komme ich auf 4,5 Steuernovellen in den nächsten 30 Jahren. Linear in die Zukunft hochrechnen, dass darf man nicht. Lassen Sie uns deshalb lieber ein Vertrauensintervall abschätzen:

  • Alle 10 Jahre eine große Anpassung, das wären 3 Novellen oder - rund und roh - eine Novelle in jeder zweiten Legislaturperiode
  • Alle 5 Jahre eine große Anpassung, das wären 6 Novellen oder - abgeschätzt - eine Novelle pro Legislaturperiode

Das ist eine grobe Schätzung und ich weiß, dass ich hier ein Fünfjahresintervall mit einer vierjährigen Legislaturperiode kombiniere. Ich mache das, um Ihnen zu zeigen wie schwachsinnig die ganzen Zwei-Nachkommastellen-Projektionen sind. Meine Genauigkeit ist situationsangemessen. Alles andere ist Kontrollillusion.

Zurück zu S. und mir. 2050 will S. dann auch mal in Rente. Das Problem: Ich und meine Kumpels aus den geburtenstarken Jahrgängen sind noch ganz fidel am Start und wir haben seit 2030 eine Regierung installiert, die es gut meint mit uns Rentnern. Wir - die wir zwischen 1960 und 1969 geboren wurden - haben noch 30 Jahre vor uns. Das ersten 50 Jahre des 21. Jahrhunderts machen wir noch voll, bevor wir langsam abtreten.
Quelle: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung

Soweit die Großwetterlage. S. muss jetzt abschätzen, ob der Deal "Steuerersparnis übersteigt laufende Kosten" eine Chance hat. Er hat dabei zwei Probleme

  1. Glaskugelproblem: Wie wird sich die Steuergesetzgebung in den nächsten 30 Jahren entwickeln? Die Corona-Krise hat gezeigt: Wenn es drauf ankommt, kann der Staat auch sehr fix sein mit neuen Gesetzen. Millionen marodierender Renter sind kein Spaß. Für keine Regierung.
  2. Das Fata-Morgana-Problem: Der Versicherungsvertreter wird einen tollen Schleiertanz aufführen, aber die genaue Kostenquote wird S. nie ermitteln können. Die Versicherungsbranche hat eine bessere Lobby als die Banken. Ihre Verträge sind notorisch intransparent. Ich hatte hier in der Freitagsliste immer wieder mal Links zu Bloggerkollegen, die versucht haben die Kostenquote ihres Vertrags zu ermitteln. Alle sind erbärmlich gescheitert. Die Kosten-Fata-Morgana lässt sich nicht verhaften.

Hier liegt eine grundsätzliche Informationsasymmetrie vor. S. wird nie so viel wissen wie das Versicherungsunternehmen. Er ist immer der Unterlegene. Beim ETF dagegen bekommt er die gleiche Produktqualität wie der institutionelle Anleger.

Auszahlung ETF im Versicherungsmantel

Wenn es dann auf die Zielgerade geht, wird der Versicherer irgendwann anfangen von Aktien in Anleihen umzuschichten. Oberste Priorität hat dabei nicht die Renditeoptimierung für S., sondern die Compliance. Das einzige was zählt: Kann die BaFin überall ein Häkchen machen? Niemand wird seinen Arbeitsplatz gefährden, nur um die Altersvorsorge von S. zu retten.
Ich erinnere an das Fairr-Riester-Debakel. Eine Umschichtung zur Unzeit vernichtet in wenigen Wochen jahrelange Aufbauarbeit.
S. ist sind dann die Hände gebunden. Als DIY-Anleger hat er die Kontrolle und kann die Sache aussitzen. Dann wird erst das Tagesgeld angeknabbert oder der Lebensstil runtergefahren oder S. verdient sich noch etwas dazu.
Diese ganzen Optionen gibt er auf, wenn er sein Geld in den Versicherungsmantel steckt.

Das große Ganze

Was soll denn die ganze ETF-Sparerei? Ziel dieser Diversifikationsstrategie ist es doch nicht arm zu sterben. Das wird S. mit seiner Sparquote sicher erreichen.
Grundsätzlich gilt im Leben: Agiere immer aus einer Position der Stärke heraus. Stärke bedeutet immer: Ich habe Optionen. Wahlmöglichkeiten zu haben ist ein Wert an sich und da es keinen Free Lunch gibt, muss S. dafür bezahlen.
Das tut er auch, indem er als DIY-Anleger auf den einzigen Vorteil verzichtet, den ein ETF im Trenchcoat hat: Diese Verträge lassen sich verrenten. Nun stellt sich die Frage: Ist es überhaupt der Job eines Börsenengagements das Langlebigkeitsrisiko abzudecken? Ist dafür nicht die Solidargemeinschaft besser geeignet?
Jetzt ist der ETF Einzelschicksal und die Solidargemeinschaft ist Statistik. Dinge wie das Langlebigkeitsrisiko lassen sich besser über Statistik erledigen.
Deshalb die Frage: Welche Altersvorsorgebausteine hat S. noch? Gibt es eine gesetzliche oder berufsständische Versicherung, die das abdeckt? Mein Vorschlag:

  1. Die Defizitbedürfnisse der Maslowschen Bedürfnispyramide (Essen, Schafen, Wohnen, Einkommen, Partner, Freunde) werden über die Solidargemeinschaft abgedeckt.
  2. Für die Wachstumsbedürfnisse (Anerkennung, Geltung, Selbstverwirklichung) ist der Kapitalmarkt zuständig.

ETF im Versicherungsmantel als Steuersparmodell

Steuersparmodelle funktionieren. Aber nicht auf dem Pipifax-Level für Privatanleger, sondern auf Apple- und Amazon-Niveau. Konzerne betreiben dieses Geschäft, wie die Ausbeutung einer Mine

  1. Prospektion: Wie fett ist der Braten? Wie lassen sich die aktuellen Steuergesetze ausbeuten?
  2. Exploration: Wie erschließen wir uns diese Geldquelle? Hier sind keine Geologen, sondern kreative Juraköpfe gefragt.
  3. Gewinnung: Flexibel denkende Buchhalter schleusen die Geldströme durch die Firma und lagern sie dann auf den entsprechenden Konten.

Das ist ein Geschäft, das berechenbar im Hier und Jetzt stattfindet. S. dagegen muss 30 Jahre lang zittern und beten, dass die Steuergesetzgebung von heute auch noch 2050 gilt. Das grenzt selbst im Land der Besitzstandswahrer an Vertrauensseligkeit.

Was sollte S. tun?

  1. Die Vertriebsoffensive zum Anlass nehmen die eignen Finanzen auf den Prüfstand zu stellen. Sicherlich hat S. einen schriftlichen Investitionsplan in dem er niedergelegt hat, warum er welche Strategie verfolgt und mit welchen Produkten er diese Strategie realisieren will. Steht in diesem Text, dass ein ETF im Mantel wünschenswert wäre? Ich vermute nein und verweise auf meine persönliche Trottelstory. Warum nicht einmal dieses Dokument an einem lauen Juli-Abend ausdrucken und dann mit Bier und Partnerin auf dem Balkon durchlesen und gegebenenfalls anpassen. Wenn es dieses Dokument nicht gibt: Den nächsten verregneten Samstag nutzen und eines verfassen. Der Frau zum Gegenlesen geben.
  2. Sich noch klarer darüber werden, wie er als Schichtarbeiter seine Zeit nutzen möchte. Wie viel Aufwand möchte S. in welche Lebensbereiche investieren? Es geht hier um die Opportunitätskosten. 10 Stunden, bevor der ETF-Versicherungsmantel-Vertrag unterschrieben ist. Ist es das wert? Oder doch lieber Balkon mit der Frau oder mit dem Chefarzt zum Kongress reisen, denn man will ja später mal Chefarzt anstelle des Chefarztes werden.
    • Wie viel Zeit darf Altersvorsorge beanspruchen?
    • Welche Verpflichtungen will ich mir aufhalsen? Ein ETF-Sparplan ist pflegeleicht und lässt sich leicht von Bank A zur Bank B verschieben.

Was noch bleibt: Sich beim Vertriebler für diesen Anstoß zu bedanken.

Caveat emptor

Beim ETF im Versicherungsmantel sind die Interessen von Anleger, Vertrieb und Anbieter nicht auf einer Wellenlänge. Der Anleger ist das schwächste Glied in der Kette.
Während ein DIY-Sparplan nur auf fundamentalen Optimismus beruht. "Der menschliche Forschergeist wird uns auch in der Zukunft ein gutes Leben bescheren", braucht der ETF-Mantel-Sparer noch einen Haufen Stützprognosen (Steuergesetze, Insolvenz der Versicherung, Verkauf des Vertrages an einen Abwickler), um mit einem Plus aus der Sache herauszukommen.
Da gilt dann mein Spruch: Gib Murphy keine Chance! Was nicht da ist, kann auch nicht kaputt gehen.
Ein DIY-Sparplan reicht. Er erfüllt den Job "nicht arm sterben" und ich erhalte mir als Anleger die Optionen selbst zu entscheiden, wann und wie ich entspare. Dafür verzichte ich auf die Möglichkeit der Verrentung.
Als Venture Capitalist bin ich skeptisch, ob das Team ETF & Versicherungsmantel die Chance hat langfristig profitabel zu sein. Deshalb: Caveat emptor!

Fazit

Geben Sie als Anleger niemals unnötig Optionen auf.

(awa)

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Kommentare

Marco A sagt am 07. Juli 2020

Hi Finanzwesir!

Wir sprechen beim ETF-Investieren doch immer von der Diversifikation. Gerade weil wir nicht wissen, wie in Zukunft die Steuergesetzgebung - sowohl was ETFs im eigenen Depot als auch im Versicherungsmantel - aussieht, wäre es nicht denkbar, dass eine gemischte Strategie besser fährt als die 100%ige Entscheidung für oder gegen den Mantel?
Will sagen: 50% in den Mantel, 50% im eigenen, persönlichen Depot wäre eine Möglichkeit, die Ungewissheit der Steuerzukunft per Diversifizierung zu verringern.


Spaceman sagt am 07. Juli 2020

Hallo S.,

deine Geschichte kommt mir sehr bekannt vor. Meine Frau und ich wurden jahrelang von MLP und DÄV "betreut". Wir verdienen beide sehr gut, hatten aber null Finanzbildung. Wir waren leichte Beute.

Hier ein paar Tipps für dich:

  • Finanzberater und Banker sind nicht deine Freunde. Auch wenn sie so rüberkommen. Sie verkaufen nur Produkte und du bist ein Käufer.
  • Dir wurde sicherlich eine Rürup Basisrente angeboten. Bei den Wörter "Steuer sparen" ticken viele Deutsche aus und unterschreiben alles, egal ob es sinn macht oder nicht. Mach nicht diesen Fehler.
  • Du kannst nur Steuern sparen, wenn du auch Steuern zahlst. Solltest du einmal kein Einkommen haben, kannst du auch nichts sparen. (Elternzeit, Unternehmensgründung, ...)
  • Die ganzen Steuer-Sparmodelle basieren auf der Annahme, dass sich Steuergesetze nicht ändern. Der Finanzwesir hat schon aufgezeigt, dass diese Annahme riskant ist.
  • Steuer-Sparmodelle aus der Vergangenheit haben sich als Flop erwiesen: betriebliche Altersvorsorge wurde nachträglich mit heftigen Sozialabgaben versehen. Die Gesetze haben sich rückwirkend verschlechtert!
  • Bei allen Verträgen, die in einer Verrentung enden, gibt es nur einen Gewinner: den Versicherer. Der Versicherer trifft zu Rentenbeginn eine Annahme über deine Lebenserwartung und teilt das Geld entsprechend ein. Er kann annehmen, dass du 100 Jahre alt wirst. Du kannst nichts dagegen tun! Wenn du dann doch nur 80 Jahre alt wirst, fällt dein restliches Geld als Gewinn der Versicherungsgesellschaft zu. Deine Erben gehen leer aus (besonders bei einer Basisrente). Wieso sollte man das tun? Bei einem ETF-Depot kannst du selbst über dein Geld entscheiden. Du kannst es verschenken, verprassen oder vererben.
  • Falls du tatsächlich 100 Jahre alt wirst, hast du noch die Deutsche Rentenversicherung oder das Ärzte Versorgungswerk, in der du vermutlich Pflichtmitglied bist.

Ergänzung sagt am 08. Juli 2020

| Warum sollte ein Versicherungsmantel mit ETF "befüllt" zum Alter hin automatisch in Rentenpapiere umschichten?
Es handelt sich hierbei doch nicht um Riester...?
Der Kunde kann hier selbst entscheiden welches Risiko zu welcher Zeit gewünscht wird.


Hafenguy sagt am 08. Juli 2020

Jedesmal wenn man solche Artikel liest, merkt man, wie sehr man sich noch mehr von der gleichen Sorte wünscht.
Logisch, lustig, schwere Kost leicht zu verstehen.

Nur eine Frage ist mir gekommen:
Der Brot und Butter etf ist ja quasi ein institutionelle Rohprodukt.
Der Vorteil als Privatanleger ist ja, dass er dieses Rohprodukt zu vergleichsweise günstigen Konditionen auch für sich selber nutzen kann, ohne die verarbeiteten Fertigprodukte (wie z.B. etf im Versicherungsmantel) kaufen muss.
Warum wird ihm das eigentlich ermöglicht?
Wer hat wann gesagt, wir bieten jetzt auch Butter und Brot für die Kleinanleger an und nicht mehr nur fertig belegte Schnittchen?

Ich hoffe es ist einigermaßen verständlich was ich mit meiner Frage meine?


Fabian Müller sagt am 08. Juli 2020

Lieber Finanzwesir, liebe Jünger des Finanzwesir,

was für ein toller Blog-Beitrag, den ich eben um meinen ganz persönlichen Bericht erweitern möchte, denn hinter mir liegt eine etwa dreimonatige, kräftezehrende Reise, auf der ich mich sehr, sehr intensiv mit dem Thema "Trenchcoat" für meine "Brot-und-Butter-ETF" beschäftigt habe. Womöglich helfen meiner Erfahrungen ja jemandem.

Das Fazit vorweg: Der "Brot-und-Butter-ETF" zu 0,2 % TER gewinnt immer, einfach immer!

Der Anstoß zu dieser Forschungsreise kam über die Idee, dass man Vermögensaufbau und Altersvorsorge ja trennen "sollte". Der Frage wollte ich eben nachgehen. Macht es Sinn zweigleisig zu fahren und sich parallel zum selbst besparten ETF-Portfolio noch ein private Rentenversicherung ins Haus zu holen?

Die erste Station meiner Reise führte mich zu einem befreundeten angestellten Versicherungsmakler. Hier wurde mir ein Vorschlag für eine fondsgebunde Rentenversicherung bei einer namhaften Versicherung gemacht.
Alles total flexibel, die Laufzeit bis 85 gewählt, sodass in einer beitragsfreien Zeit selbst aus diesem "Versicherungskonto" entnommen werden kann (glaube das ist der neueste Schrei auf dem Versicherungsmarkt, irgendwie wollen sie uns ja bekommen). Automatisches Ablaufmanagment und alles andere tolle Zubehör, was so ein Trenchcoat halt bieten muss.
Im Mantel stecken aber leider vom Vermögensverwalter aktiv gemanagete Aktienfonds (Renditeerwartung in der Zukunft? Natürlich massive Outperformance!).
Meine geliebten ETF kann ich da nicht reinbasteln. Nun ja, zuhause angekommen direkt Excel aufgemacht und los ging die wilde Rechnerei. Gar nicht so einfach! Wie der Finanzwesir schon sagt: Notorische Intransparenz was die Kostenstruktur angeht, keine Effektivkostenquoten zu finden. So musste ich mir dann alles mühsam aus dem Kleingedruckten rausziehen. Nun ja, so einigermaßen habe ich es dann irgendwann hinbekommen.

Ergebnis: Bei 250 EUR monatlicher Sparrate, Laufzeit bei mir 39 Jahre, kostet mich der Trenchcoat 60 Tsd. Euro! Hierin ist alles enthalten, was man so bezahlen kann.
Los geht's mit den "gezillmerten" Abschlusskosten (tolles Wort). Heisst: Fast 3 Tsd. Euro latze ich in den ersten 5 Jahren! Mein Freund beruhigt mich.
Nach 9 Jahren kommt der "Break-Even", dann machst du Gewinn! Aha, da bin ich ja wirklich beruhigt. Von den laufenden Kosten für die "Outperformer"-Fonds habe ich noch gar nicht gesprochen.
Diese kumulieren sich bei mir über die Laufzeit auf rd. 130 Tsd. Euro - Mahlzeit! Gleich stürzt Excel ab - oder ich. Im Ergebnis ist das eine haushohe Niederlage gegen unser kostengünstig, schlankes ETF-Portfolio.
Selbst wenn ich eine Rendite von 9 % unterstelle und für unsere ETF nur 7 %! Die Karotte mit den Steuervergünstigungen Stichwort "Halbeinkünfteverfahren" wurde mir natürlich auch vor die Nase gehalten, oh wie toll! Leute, das ist am Ende wirklich ein "Furz im Wind". Der ETF liegt bei mir rd. 100 Tsd. Euro vor! (nach Steuer)

Fazit: Aktiv gemanagte Fonds im Versicherungsmantel kann man machen, ist aber dann richtig doof und kostet uns richtig Geld. Nein danke, ich muss weiter!

Ich wollte natürlich nicht aufgeben, schließlich suche ich ja noch immer nach einem passenden Trenchcoat, in den auch meine ETF reinpassen. So wurde ich als nächstes von einem freien Versicherungsmakler beraten.
An sich sehr sympathisch und professionell, kein "Drängen" zum Abschluss. Es wird empfohlen eben zweigleisig zu fahren und über ETF im Versicherungsmantel das Langlebigkeitsrisiko abzusichern (lebenslange sichere Rente).
Hiermit, so war der Plan, kann ich ja dann meine "offizielle" Rentenlücke schließen und alles andere ist Vermögensaufbau (halt über unsere ETF-Sparpläne).
Bei den konkreten Produktvorschlägen tauchten dann auch endlich mal Effektivkostenquoten auf, da habe ich mich aber gefreut! Dann mal wieder schnell ran an Excel. 1,2 % Kosten inkl. der beiden ETF (MSCI World + EM im Mix) bei einer großen, kapitalstarken Versicherung.

Ergebnis der Berechnungen: Der Trenchcoat kostet halt wieder in etwa 60 Tsd. Euro über die Laufzeit. Die Kosten zehren einfach zu sehr an der Rendite und wieder kann eine günstigere Versteuerung (bei Kapitalauszahlung) aus der Versicherung den Rückstand nicht aufholen!

Das Totschlagargument des Versicherungsmenschen ist dann: Ja, aber wir wählen ja dann die lebenslange Rente, die muss übrigens nur mit dem Ertagsanteil versteuert werden mit 67, da zahlen Sie nur "eine-mark-fünfzig" Steuern im Monat. Da hat unsereiner natürlich direkt Dollar- (bzw. Eurozeichen) in den Augen!

Zwei Dinge hierzu:

  1. Ich kann mir eine "lebenslange" Rente aus meinem diszipliniert durchgehaltenen ETF-Sparen auch selbst auszahlen. In meinem Fall habe ich mal mit 1.000 Euro monatlicher Entnahme kalkuliert. Der Kapitalstock mit 67 wird dazu zu 1,5 % sicher wiederangelegt. Ergebnis: Ich kann mir fast 59 Jahre monatlich den Betrag auszahlen - dann wäre ich also 126 Jahre alt. Kann man das als lebenslange Rente bezeichnen? ;-)

  2. Der K. O. für die "lebenslange Verrentung" in so einem Produkt kommt in der zweiten Runde. Die sog. "Rentengarantiezeit" meist mit 15 Jahren gewählt, ist die Zeitspanne, in der eure Hinterbliebenen diese monatliche Rente ausgezahlt bekommen, wenn ihr versterbt. Klingt erstmal nett, doch wenn ihr einen Tag nach Ablauf dieser Frist sterbt (bei mir dann eben mit 81) bekommen eure Hinterbliebenen eben genau 0,0 Euro und die Versicherungsgemeinschaft kann eine fette Party schmeissen, welch noble Geste von uns! Im Vergleichszenario do-it-your-self Entsparung eines ETF-Depots sind nach 15 Jahren aber meist noch mehrere hundertausend Euro übrig! In meinen persönlichen Szenario-Berechnungen wären es sogar 388 Tsd. Euro, die da noch drinstecken und wo sich meine Erben doch sicher richtig freuen werden, oder?

Summa summarum: Die zweite Station meiner Reise war etwas netter, richtig überzeugen konnte mich das aber dann schließlich aber auch nicht. In der ETF-Schubkarre, die ich selber aus dem Finanzamt rausschiebe ist am Ende immer noch viel mehr Geld und mit einer lebenslangen Rente, die total save ist, kann man mich nun auch nicht mehr ködern, da muss schon noch was kommen!

Kam auch: Die letzte Station meiner Reise. "Netto-Tarif-Hausen". Im Internet aufgestöbert, einfach mal eine Anfrage gestellt, bekam ich gleich mehrere Angebote von namhaften Versicherungen und ausführliche Erklärungen wie und wo ich was am besten machen kann.
Da war ich wirklich platt!
Dieselbe Versicherung, mit denselben ETF bestückt kostet plötzlich keine 1,2 % im Jahr mehr, sondern nur noch 0,65 % (kurzer Szenenapplaus). 0 Euro Abschlusskosten, statt über 2 Tsd. Euro wohl gemerkt, und auch die laufenden Betriebskosten des Versicherungsmantels fallen deutlich geringer aus, da macht das Rechnen in Excel ja plötzlich wieder Spaß!

Ihr könnt euch aber mittlerweile denken was kommt: Selbst zu solch verhältnismäßig günstigen Konditionen kommt am langen Ende weniger Kohle raus, als bei unserem selbstverwalteten ETF-Sparplan.
So ein Mist aber auch!
Der Abstand in den Kosten ist zwar auf 0,45 Prozentpunkte zusammengeschrumpft, aber wieder zehren diese Kosten Jahr für Jahr an der Rendite und auch wieder kann der "heilige Gral" der vergünstigten Besteuerung den Rückstand nicht aufholen.
In meinen Rechnungen liegen immer noch knapp 40 Tsd. Euro mehr im ETF-Depot zum Stichtag X (nach Abzug der Steuer). Kostenloses Rebalancing oder das automatische Ablaufmanagement zum Vertragsende (Umschichten in sichere Anlagen), was die Versicherungen dann noch so in den Ring schmeißen, sind sicher nice to have, denke das kriegen wir aber auch alles selber hin, oder? :-)

Letztlich empfiehlt der nette Netto-Tarif-Mann auch diese Verträge zu modifizieren und maximal lange laufen zu lassen (bis 85 Jahre) und dann steuerbegünstigt in einer beitragsfreien Zeit von 67 bis 85 den Kapitalbedarf aus dem "Versicherungskonto" flexibel zu entnehmen.
Klingt so schon sinnig, aber letztlich fällt mir (für mich persönlich) kein einziger Vorteil mehr ein, den so eine Variante gegenüber unserem "ETF-Bankkonto" bietet, außer eben die hochriskante Wette auf eine günstige Besteuerung im Jahr 2058 (hierzu hat der Finanzwesir ja schon alles gesagt).

Es ist mir abschließend also nicht gelungen auch nur irgendeine Versicherungsvariante "besser" zu rechnen als unsere "Brot-und-Butter-ETF-Portfolio" à la Finanzwesir.
Die harten Fakten und Zahlen sprechen letztlich dagegen und von Soft-Facts wie Flexibilität, Selbstverantwortung und Freiheit eben nicht an irgendein Versicherungsprodukt gebunden zu sein, habe ich ja noch gar nicht gesprochen!

So bin ich froh, nach dieser langen Reise endlich wieder zuhause zu sein. Für mich ist die Entscheidung glasklar, wie ich mich aufstelle (kann bei euch natürlich anders sein). Ich kann meine Reise aber leider nicht weiterempfehlen und bitte euch inständig, setzt euch mit eurer Liebsten / eurem Liebsten raus auf den Balkon und verschwendet keine kostbare Lebenszeit! Ich für mich muss jetzt mal schauen, ob meine Liebste überhaupt noch da ist nach all der Zeit.

Liebe Grüße und alles Gute.

Fabian


Gordon sagt am 08. Juli 2020

Zu dem Thema fallen mir noch zwei Nebensätze aus Podcasts der letzten zwei Wochen ein:

Im Finanzrocker Podcast "Im Finanzdienstleistungsmarkt sucht man Transparenz und Fairness vergebens" weist Prof. Dr. Hartmut Walz darauf hin, dass er in nächster Zeit eine Insolvenz der Hüllen befürchtet.

In dem Einkommensinvestoren Podcast von Anton Gneupel und Luis Pazos Folge "Brokersicherheit und Wertpapierlagerung" (sehr hörenswert!!!) wird klargestellt, dass ein ETF im Versicherungsmantel kein Sondervermögen für den Endkunden darstellt.

Aus der Überlegung verbietet sich für mich persönlich der Versicherungsmantel auch ohne eine steuerliche Betrachtung.

Mit Wertpapieren im eigenen Depot kann es schon genug Ärger zu geben:
Christian W. Röhl hat vor einigen Monaten mal getwittert, dass er nach dem Konkurs einer mir vorher unbekannten kleinen deutschen Bank (Name leider vergessen) Monate gebraucht hat um an seine Wertpapiere zu kommen. Ich finde dummerweise den Tweet nicht mehr, kann mich aber ganz gut daran erinnern. Das schien trotz klarer Rechtslage durchaus anspruchsvoll zu sein.

Gruß
Gordon


ChrisS sagt am 08. Juli 2020

Unabhängig vom einzelnen Artikelthema möchte ich überhaupt erstmal meine Freude ausdrücken, seit langem mal wieder einen richtig schönen "klassischen" langen Finanzwesir- Textartikel zu sehen. Ansonsten gabs ja eigentlich seit Monaten nur noch Wochenend-Linklisten oder Podcasts, was nicht so mein Medium ist, und lange Texte mit denen man sich auch mal in Ruhe tiefer auseinandersetzen kann sind mir immer noch der liebste Content hier :-) von daher wollt ich das erstmal einfach nur erwähnen, falls es vielleicht ja auch motivationsförderlich ist und wir in Zukunft hoffentlich wieder öfters mehr solcher "klassische" Artikel lesen können! :-)

@ Hafenguy

"Nur eine Frage ist mir gekommen: Der Brot und Butter etf ist ja quasi ein institutionelle Rohprodukt. Der Vorteil als Privatanleger ist ja, dass er dieses Rohprodukt zu vergleichsweise günstigen Konditionen auch für sich selber nutzen kann, ohne die verarbeiteten Fertigprodukte (wie z.B. etf im Versicherungsmantel) kaufen muss. Warum wird ihm das eigentlich ermöglicht? Wer hat wann gesagt, wir bieten jetzt auch Butter und Brot für die Kleinanleger an und nicht mehr nur fertig belegte Schnittchen?"

Ich sag mal so - ETF heißt ja exchange traded fund, also börsengehandelter Fonds. Die Tatsache, dass wir popeligen Kleinanleger also quasi in das selbe Produkt anlegen können wie die Großinstitutionellen, liegt im Grunde darin dass es halt an der Börse gelistet ist, und dort kann es dann quasi "jeder" kaufen (ist ja auch wie bei börsengelisteten Aktien genauso, die kann auch jeder Anleger, egal ob groß oder klein, kaufen, das kann einem dann auch niemand mehr verhindern so von wegen "nein diese Aktie darfst du Kleiner jetzt aber nicht kaufen, die ist nur für die Großen vorenthalten"). Wären die ETFs nicht börsengelistet, sondern noch wie bei "klassischen" Fonds üblich nur über die KAG direkt zu beziehen, könnte man mit uns auch wieder das alte bekannte Spiel wie bisher betreiben, also eine Segmentierung der Kundenkategorien forcieren die dann auch in unterschiedliche Produkte/Konditionen angeboten bekommen - "ihr popeligen Kleinanleger kauft mal schön weiter nur die teure Retail-Tranche von uns, die gleich mal 2 % TER etc kostet, während die günstigere Insti-Tranche nur den Big Boys offensteht, welche auch gleichmal die dafür nötigen 100k oder 1 Mio USD/EUR Mindestanlage als "Eintrittshürde" mitbringen können. Warum bekommen die Großen bessere Konditionen? Weil sie natürlich auch aufgrund ihrer Anlagemasse eine viel bessere Verhandlungsmacht auf Augenhöhe haben, als es die Kleinanleger tun - wenn bpsw. mal ein Kleinanleger eine Fondsgesellschaft anschreibt, dass er seine paar tausend Euro jetzt abzieht weil ihm die Fonds zu teuer geworden sind (bzw. deshalb garnicht erst darin anlegt), interessiert das den Anbieter nicht die Bohne. Wenn aber nun stattdessen mal bspw. der Investmentvorstand eines großen Pensionsfonds o.ä. anruft und seine Anlage von mehreren dutzend oder gar hunderten Mio in den Fonds zur Disposition stellt, dann wird der Anbieter auf einmal schon viel entgegenkommender. Zumal ein großer Teil der Kostenunterschiede zw. Retail- und Insti-Tranchen auch einfach schon daher kommt, dass bei Instis im Ggs zu den Retailern kein oder nur ein viel geringerer Vertriebskostenanteil mit drinsteckt, mit denen die dem Fondserwerb angehängten Vermittlungsstellen (Finanz"berater", Banken, Broker o.ä.) provimäßig noch so mit durchgefüttert werden, damit der Fonds von denen auch unters gemeine Kleinanlegervolk gepusht wird.

Wenn du dann halt noch genauer fragen willst, "ja aber warum wurden ETFs nun eigentlich überhaupt erstmals an der Börse gelistet?" kannst du vielleicht in diesem Artikel von Morningstar etwas mehr zu den geschichtlichen Hintergründen erfahren (falls paywall, versuchs mal im Google Cache, so gehts bei mir). Da steht dann auch drin dass, vereinfacht gesagt, die Großinvestoren (wer sonst) halt die Möglichkeit haben wollten, auch intraday ihre Fonds zu handeln, wenn nötig, im Grunde gings also um größere Liquidität. Regulatorische Neuerungen und der dazu eingeführte Creation/Redemption-Mechanismus brachten dann Anfang der Neunziger in den USA die ersten "modernen" ETFs, so wie wir sie kennen, hervor (zB. Großväterchen SPY, der älteste ETF der auch noch heute mit existiert). Es brauchte natürlich danach auch noch einige Zeit, bis sich diese neue Produktgattung auch immer mehr durchsetzte (zuerst natürlich bei den Instis und danach als sich die Vorteile weiter rumgesprochen hatten auch immer mehr bei den Kleinanlegern), also einen steigenden Anteil auf dem gesamten Fondsmarkt einnahm.

Wie gesagt, dieser Prozess halt eben nicht bewusst von den alteingesessenen Retail-Fondshäusern als erstes aus, ganz im Gegenteil die hatten sicher kein Interesse daran sich ihr eigenes gemütliches bisheriges Geschäft (mit teureren Fonds am Kleinanleger, der sich mangels Alternativen dagegen noch nicht wehren kann, gut zu verdienen) grundlos noch kannibalisierend kaputtzumachen, sondern von Assetmanagern die bisher eben noch nicht so sehr im direkten Retailbereich engagiert waren (daher keine bestehende Marktposition zu verteidigen hatten, sondern eine neue erschließen konnten), und als dann im laufe der Zeit nach und nach eben immer mehr Anlagevolumen in ETFs geflossen ist, nahm das ganze dann auch eine "Eigendynamik" an, der sich auch die vorigen alten Fondsanbieter nicht mehr entziehen konnten sondern mitmachen mussten und ebenfalls eigene ETFs auflegen damit das Kapital wenigstens nicht vollends woandershin wandert.


Niko sagt am 08. Juli 2020

@Hafenguy

Gute Frage, bei der Gelegenheit wüsste ich gerne, warum man als Kleinanleger überhaupt dieselben Einzelaktien kaufen kann wie die Großen. Wer hat das denn wann entschieden, dass das so sein darf? Oder sehnst du dich bei ETFs nach 2% TER in der Retail-Anteilsklasse wie bei aktiv gemanagten Fonds?

Die Frage meine ich ernst, denn ich verstehe weder, warum das irgendjemand entscheiden muss, noch, warum man das nicht einfach so als Nicht-Nachteil ggü. vielen aktiven Fonds hinnehmen kann wie es ist? Bei Einzelaktien beschwert sich auch keiner, dass er die gleichen Aktien erwirbt wie die Profis.


Ausschütter sagt am 09. Juli 2020

Ich mache es von Anfang an so einfach wie möglich:

Ich will Aktien kaufen und keine Zertifikate (physisch und keine Swaps) ETFs bzw. Investitionen will ich für eine weitere Einnahmequelle kaufen bzw. tätigen, d.h. einfache ausschüttende ETFs.
Steuern kann man ja auch 2 Monate vorher nicht genau vorhersagen, deshalb schaue ich, dass ich Einnahmen generiere und der Rest ist mir egal.
Am Ende ist es auch egal, ob man 10.000€ oder 1 Mio. € in den ETFs hat. Die Steuererklärung ist die gleiche, nur die Zahlenhöhen sind anders.


Andreas sagt am 09. Juli 2020

Ich möchte einen Satz aus diesem Artikel hervorheben:

"Steuersparmodelle funktionieren. Aber nicht auf dem Pipifax-Level für Privatanleger, sondern auf Apple- und Amazon-Niveau."

Die meisten Steuersparmodelle sind darüber hinaus "nur" Stundungsmodelle. Man verschiebt eine Besteuerung von heute in eine nahe oder ferne Zukunft, typischerweise indem man Einnahmen in Vehikel (hier Versicherungsmantel, dort inländische oder ausländische Kapitalgesellschaften, manchmal Immobilien) verpackt. Auch die verschobenen Gewinne von Apple und Amazon werden spätestens dann besteuert, wenn sie oben im Konzern bilanziert und an die Aktonäre ausgeschüttet werden sollen.

Eine Besteuerung in der Gegenwart wird aber vermieden und gleichzeitig geht man eine Wette ein, dass die Besteuerung auch in der Zukunft ausfallen oder zumindest geringer ausfallen möge. Sicher ist allerdings, dass die damit verbundenen Kosten und Opportunitätskosten anfallen werden, und weil das so ist, lohnt es sich eben nur bei großen Zahlen (> 10 hoch 8).

(Das Modell Versicherungsmantel wurde mir auch schon angeboten, ich bin darauf nicht eingegangen. Der Vorteil eines Depots im Privatvermögen liegt in seiner Einfachheit. Als Buy-and-Hold-Investor handelt man kaum, das Vermögen ist jederzeit nutzbar und es wird maximal die Abgeltungssteuer fällig.)


AlterNomade sagt am 09. Juli 2020

@Fabian:

Für Überlegungen zu Deinem ETF-Entnahmeplan könnte folgende Artikelserie interessant sein: The Ultimate Guide to Safe Withdrawal Rates.
Besonders interessant fand ich: „Myth #2: Flexibility has to last only as long as the downturn“ in Part 24: Flexibility Myths vs. Reality


Black Beauty sagt am 09. Juli 2020

Zum Thema Mantelrisiko ist heute noch ein Artikel im Handelsblatt, mit dem Titel "Gefährdete Lebensversicherer". Die Kernaussage ist, dass gem. der aktuellen Solvenzquoten bei einem Viertel der Marktteilnehmer im LV-Geschäft die Lage äußerst angespannt ist.

Falls es also ein Versicherungsmantel sein soll ist daher eine Prüfung des Schneiders unerlässlich. Wobei Aussagen für die Zukunft natürlich auch nur ein Blick in die Glaskugel sind.


Paul sagt am 09. Juli 2020

Hallo Finanzwesir,

die beantworteten Leserfragen in Deinem Blog sind wirklich spitze. Niemand der mittlerweile ca. 587.392 Finanzblogger im Netz schafft es, vielschichtige Fragen so prägnant und so verständlich zu beantworten und dabei auch immer ein Lächeln auf die Lippen des Lesers zu bringen. Gerne mehr davon!

Inhaltlich natürlich absolute Zustimmung - wohlhabende Kunden werden mit der Karotte "Steuern sparen!!!" gelockt und so schön die Provisionen gesteigert - ohne dass man einen wirklich überlegenes Produkt erhalten würde.
Das ganze gibt's in abgewandelter Form auch bei anderen Produkten, z.B. mit den Ködern "Automatisches Rebelancing!!!" oder auch "Online-Cockpit mit Schnickschnack X und Y!!!"...


Maddo sagt am 09. Juli 2020

@Fabian

Vielen Dank für deine ausführliche Excel-Rechnung. Ich hatte mich gestern auch mal ganz kurz und grob an sowas versucht, aber aufgrund der großen Komplexität nach einer kurzen Abschätzung der reinen Kosten bei mypension schnell die Lust verloren.

Kannst du dir vorstellen, deine Excel-Rechnungen mit uns zu teilen, z.B. im Google Drive oder so? Deine Randbedingungen (39 Jahre Ansparzeit, 200€ Einzahlung) treffen vielleicht nicht genau jedermenschs Situation. Darüber würde sich sicherlich nicht nur ich freuen!

Viele Grüße
Maddo


Finanzwesir sagt am 09. Juli 2020

@Fabian

Danke, dass Du Deine Odyssee mit uns geteilt hast und bedanke Dich bitte in meinem Namen bei Deiner Herzdame dafür, dass sie Dich diesen Report hat schreiben lassen. Wir werden sehr davon profitieren.

@Ergänzung

"Warum sollte ein Versicherungsmantel mit ETF "befüllt" zum Alter hin automatisch in Rentenpapiere umschichten?"

Du hast recht, es ist kein Riester. Wird dem Kunden aber als "Ablaufmanagement" gleich mit verkauft. Wir schichten automatisch für Sie um. Da die Versicherung nicht die gesamte Vermögenssituation kennt, wird sie ihren Stiefel fahren und nicht auf das Gesamtkonstrukt Rücksicht nehmen. Je nach dem wie das Ablaufmangement aussieht, kann es zu heftigen Verkäufen kommen. Das muss nicht so sein, aber ich als Versicherungsnehmer muss da ins Kleingedruckte schauen und alles kontrollieren.

@Marco A

Diversifizieren bedeutet ja nicht, einfach alle Töpfe, die herumstehen mit Geld zu füllen ;-)
Manche Töpfe haben ziemlich große Löcher. Die sollte man tunlichst aussortieren. Ich denke, Fabians Geschichte hat gezeigt, dass das die Steuervorteile Peanuts sind im Vergleich zu den Renditenachteilen.

Gruß
Finanzwesir


Hafenguy sagt am 10. Juli 2020

@niko

Ich halte fast ausschließlich etf und bin froh das dem einzelanleger diese Möglichkeit gewährt wird. Da sowas aber nicht selbstverständlich ist, habe ich mich gefragt wie es dazu kommen konnte. Das hat ChrisS ja jetzt gut erklärt.

Ich hoffe es ist jetzt klar geworden, dass meine Frage eine Interessesfrage war und kein Gemecker....

.... Worüber auch?


Max Alpha sagt am 10. Juli 2020

Kurz und bündig:
Schöner Artikel!

Gruß
Max Alpha


Guybrush sagt am 10. Juli 2020

Sehr schöner Artikel. Ich hätte ihn gerne schon vor 20 Jahren gelesen...

Eine Ergänzung fällt mir aber in Bezug auf den Versicherungsmantel ein: fairer Weise müsste man schauen, ob die Versicherung auch einen Schutz im Sinne der Weiterbesparung im BU-Fall oder eine Mindesttodesfallsumme für die Hinterbliebenen bietet.

Wenn das so wäre, müsste man den Mantel mit einem ETF+ einer entsprechenden Vanilla-Versicherung (z.B. Risiko-LV) vergleichen. Dies dürfte angesichts des großen Abstands am Ergebnis nichts ändern, aber den Abstand etwas verringern. Dann hätte man aber DIY den gleichen Schutz günstiger nachgebaut.


Martin M. sagt am 10. Juli 2020

Bisher immer nur stiller Leser, jetzt "muss" ich kommentieren:
Hervorragender Artikel, solche Artikel machen den Unterschied zwischen Finanzwesir und anderen.
Strukturiert, Fachlich fundiert, auf der richtigen Flughöhe und somit verständlich, und überaus unterhaltsam!
Weiter so.
Auch wenn das Ergebnis so gut wie immer das selbe ist: für mich sehr hilfreich, um in meiner selbst gewählten spur zu bleiben.


Nikolaus Braun sagt am 10. Juli 2020

| Wunderbar. Was übrigens zu kurz kommt, ist das Insolvenzrisiko der Versicherung: Protektor wird eine grosse Versicherung nicht auffangen können und dreißig oder vierzig Jahre sind eine sehr lange Zeit, in der sehr viel passieren kann. Im Fall eines Falles wird der Schutz der Versicherungsbranche vor dem Schutz der Anleger gehen.

Liebe Grüße
Nikolaus Braun


Tom sagt am 10. Juli 2020

wow, bin wieder mal geplättet: Finanzwesir lesen hilft gegen Illusionen.


SvenK sagt am 10. Juli 2020

Ich persönlich habe mich für fairrürup als einen Baustein der Altersvorsorge entschieden.

Während der Ansparphase fressen hier die Kosten tatsächlich nicht die Steuerersparnis auf.

In meinem konkreten Fall (250€ Sparrate, 24 Jahre Ansparzeit) fallen bei optimistisch geschätzten 7% Rendite p.a. Gesamtkosten von rund 16.500€ an. Diese bestehen aus 36€ + 0,4% des Depotwertes p.a., sowie 0,5% des Depotwertes bei Übergang in die Leibrente.

Dem gegenüber stehen Steuerersparnisse von rund 21.500€, bezogen auf meinem aktuellen Steuersatz. Die Gesamtersparnisse werden aller Voraussicht nach eher höher ausfallen, da meine Einkommen noch steigen und meine drei Kinder nach und nach ausziehen werden, also mein Steuersatz nicht unerheblich steigen wird.

Entgegen fairriester gibt es keine Garantien, daher wurde auch während des Corona-Crashs nicht umgeschichtet. Somit steht mein fairrürup-Depot aktuell nach Abzug der Kosten auch wieder im Plus.

Ebenso kann ich die Aussage von @Gordon nicht generell bestätigen. Im Falle von fairrürup wird mein Depot von der Sutor Bank verwaltet und gilt als Sondervermögen.

Ich würde sicherlich nicht meine gesamte Altersvorsorge auf diese Säule stellen wollen, sehe sie für mich persönlich aber doch als sinnvollen Baustein.


SvenK sagt am 14. Juli 2020

Ich persönlich habe mich für fairrürup als einen Baustein der Altersvorsorge entschieden.

Während der Ansparphase fressen hier die Kosten tatsächlich nicht die Steuerersparnis auf.

In meinem konkreten Fall (250€ Sparrate, 24 Jahre Ansparzeit) fallen bei optimistisch geschätzten 7% Rendite p.a. Gesamtkosten von rund 16.500€ an. Diese bestehen aus 36€ + 0,4% des Depotwertes p.a., sowie 0,5% des Depotwertes bei Übergang in die Leibrente.

Dem gegenüber stehen Steuerersparnisse von rund 21.500€, bezogen auf meinem aktuellen Steuersatz. Die Gesamtersparnisse werden aller Voraussicht nach eher höher ausfallen, da meine Einkommen noch steigen und meine drei Kinder nach und nach ausziehen werden, also mein Steuersatz nicht unerheblich steigen wird.

Entgegen fairriester gibt es keine Garantien, daher wurde auch während des Corona-Crashs nicht umgeschichtet. Somit steht mein fairrürup-Depot aktuell nach Abzug der Kosten auch wieder im Plus.

Ebenso kann ich die Aussage von @Gordon nicht generell bestätigen. Im Falle von fairrürup wird mein Depot von der Sutor Bank verwaltet und gilt als Sondervermögen.

Ich würde sicherlich nicht meine gesamte Altersvorsorge auf diese Säule stellen wollen, sehe sie für mich persönlich aber doch als sinnvollen Baustein.


Der Gniemaster sagt am 11. Juli 2020

Zunächst einmal: Lob für den hervorragenden Artikel, der auch Abseits einer ETF Anlage eine grundsätzliche Bedeutung hat, nämlich das mich jede Versicherung Geld kostet. So lange es ein Risiko abdeckt, mögen die Kosten zu rechtfertigen sein, im Falle dieser Kapitalanlage wird aber kein Risiko abgedeckt, daher kann man schon pauschal von allen fondsgebundenen Versicherungen abraten.

Dennoch gibt es persönliche Situationen, die auch den Einsatz eines solchen Produktes rechtfertigen, zugegeben eher selten aber kommt vor. In diesem Fall ziehe ich einen Fachmann zu Hilfe, wie ich im Rechtsfall auch einen Anwalt zu Rate ziehe. Womit wir beim Problem sind, dass leider die 95 Prozent der Finanzberater von den Produktgeber bezahlt werden und somit nicht auf der Seite des Anlegers stehen.

Da hilft nur der Verkauf zum Überleben..

Die grundsätzliche Frage lautet doch, was bin ich bereit zu zahlen für einen Rat, der völlig neutral ist? In diesem Fall war er durch Sie kostenlos, und er erscheint (ausschließlich auf die Frage bezogen, ob eine Kapitalanlage im Versicherungsmantel Sinn macht, auch richtig. Dennoch ist die Richtigkeit so pauschal, wie der Hinweis das ein Riegel Schokolade nicht ungesund ist. Es sei denn man ist Diabetiker, oder Allergiker, oder der Riegel ist vergammelt. So ist das mit kostenlos.. Am Ende ist guter Rat nun einmal teuer, und lustigerweise sind ausgerechnet bei den Finanzen viele nicht bereit dafür zu bezahlen und laufen damit den Rattenfängern ins Netz, mit denen ich als Finanzberater täglich, siehe oben, in einen Topf geworfen werde. Pauschal eben..

Es grüßt ein Fan Ihrer Arbeit.


Fabian Müller sagt am 11. Juli 2020

Hallo zusammen,

zunächst mal lieben Dank für euer Feedback zu meinem „Reisebericht“. Auf Nachfrage von Maddo möchte ich euch hier nochmal die Details zu meinem Vorgehen erläutern. Meine Excel-Datei will ich nicht zur Verfügung stellen, da es mich erstens nochmal einiges an Zeit kosten würde, diese nachvollziehbar und präsentabel aufzubereiten und ich damit zeitgleich Tür und Tore für Diskussionen öffne, wie ich wo und was falsch berechnet habe 😉

Es muss aber gar nicht so kompliziert sein und ihr müsst nur halb so viel Arbeit investieren, wie ich es gemacht habe.

Daher dachte ich mir, ich teile hier mal das Rezept mit euch, dann könnt ihr das super einfach selbst „nachkochen“. Das ist vom Zeitaufwand wirklich zumutbar und könnte im Ergebnis enorm nützlich zur Entscheidungsfindung sein.

Zunächst stelle ich das Vorgehen vor und dann die einzelnen Parameter meiner 4 Szenarien:

Für die Berechnungen kann ich www.zinsen-berechnen.de wärmstens empfehlen. Hier gibt es einen Fonds- und Entnahmerechner, die ich beide benutzt habe.

Schritt 1: Fondsrechner mit individueller Sparrate, Rendite, Laufzeit und den Kosten füttern.

Schritt 2: Es kommen als Ergebnis drei Zahlenwerte raus (Einzahlungen, Gewinn und Endwert). Diese jetzt in Excel kopieren. In den Spalten könnt ihr dann die verschiedenen Szenarien A-Z organisieren.

PS: Weiter unter dem aggregierten Ergebnis im Rechner seht ihr die Entwicklung Jahr für Jahr. Kann man auch in Excel kopieren und sich austoben, dann wird es aber echt hässlich! (eigene Erfahrung)

Schritt 3: Im Fondsrechner habe ich den Steuersatz nicht berücksichtigt, da dieser pauschal vorgeht und nicht individuell eingestellt werden kann. Das holen wir jetzt manuell in Excel nach.

(Achtung: hier jetzt meine Prämissen zur Besteuerung, die nicht korrekt sein müssen)

  1. ETF ohne Versicherung im Depot: 25 % Abgeltungssteuer auf 70 % des Gewinns (ETF’s auf Aktien erfahren meines Wissens nach eine Teilfreistellung von 30 %, daher werden nur 70 % des Gewinns versteuert).

  2. Private Rentenversicherung (RV) bei Kapitalwahl: Versteuerung, auch wieder des Gewinns, nach dem „Halbeinkünfteverfahren“: Heisst nur 50 % des Gewinns sind zu versteuern und dieser Betrag dann mit dem dann vermutlich geltenden persönlichen Steuersatz. Hier habe ich 30 % genommen (auch hierüber könnte man jetzt lange philosophieren, finde das aber eine gute Größenordnung).

Also nochmal für Excel:

  1. Depot selbstorganisiert: Steuer = Gewinn0,70,25
  2. Versicherung: Steuer = Gewinn / 2 *0,30

Schritt 4: Dann in Excel einfach die Zelle „Endwert“ minus die selbsterrechnete Steuer = Nettogewinn

Schritt 5: Den Nettogewinn der verschiedenen Szenarien könnt ihr jetzt direkt vergleichen oder noch einen Schritt weitergehen und nun den „Entnahmerechner“ von zinsen-berechnen.de benutzen, um die Rentendauer als Vergleichsgröße auszurechnen:

Hier als „Kapitalvermögen“ den eben errechneten Nettogewinn einsetzen. Dann weiter unten „Rentendauer berechnen“ auswählen. Entnahmerate festlegen (bei mir 1.000 EUR / Monat, ggf. könnt ihr hierfür vorher noch eure Rentenlücke zur genaueren Planung berechnen. Siehe hierzu gutes Video von Finanztip).

Als Zinssatz habe ich 1,5 % als sichere Anlage des Kapitalstocks unterstellt. Im Ergebnis wird die Rentendauer in Jahren ausgegeben. Ggf. auch in Excel eintragen und Szenarien vergleichen.

FERTIG!

Nun meine Zutaten für die verschiedenen Szenarien, die ihr individuell mixen könnt (müsst) und dann wie oben beschrieben in Excel gegenüberstellen könnt:

  1. ETF-Self mit 70 % MSCI World + 30 % MSCI EM bei günstigem Online-Broker

Sparrate: individuell
Ansparzeit: individuell (würde dann mal auf 67 Jahre rechnen)
Bruttorendite: 7 % (mein Ansatz für eine erwartete Rendite aus Mix MSCI World + MSCI EM)
Kosten: 0,2 % TER p.a. (Die Gebühren für die Sparpläne sind meiner Meinung nach vernachlässigbar)

Heisst im Rechner: 0,2 % Verwaltungsgebühr, Vorgehen wie oben beschrieben.


  1. Fondsgebundene RV mit 3 aktiv gemanagten Fonds (Continentale Tarif RI)

Sparrate: individuell
Ansparzeit: individuell (würde dann mal auf 67 Jahre rechnen)
Bruttorendite: 9 % (ich habe gnädigerweise mal eine Outperformance unterstellt)
Kosten: Hier ist es knifflig, da ich für dieses Szenario keine Effektivkostenquote habe. Aus meiner Excel-Orgie und aus anderer Quelle entnommen, ist eine Effektivkostenquote für den Versicherungsmantel von 1,4 % p.a. wohl realistisch. Dazu kommen in meinem Vorschlag 1,7 % jährliche Verwaltungskosten für die Fonds + 5 % Ausgabeaufschlag für den Kauf der Fonds.

Heisst im Rechner: 3,1 % Verwaltungsgebühr p.a. und bei Ausgabeaufschlag 5 % p.a., Vorgehen wie oben beschrieben.


  1. Fondsgebundene RV mit ETF vom freien Versicherungsmakler (Condor Tarif C78 E)

Sparrate: individuell
Ansparzeit: individuell (würde dann mal auf 67 Jahre rechnen)
Bruttorendite: 7 %
Kosten: 1 % Effektivkostenquote p.a. für den Versicherungsmantel + 0,2 % für ETF (selbe ETF wie im Self-Szenario)

Heisst im Rechner: 1,2 % Verwaltungsgebühr p.a., Vorgehen wie oben beschrieben.


  1. Nettotarif RV mit ETF (Condor Tarif C78 H)

Sparrate: individuell
Ansparzeit: individuell (würde dann mal auf 67 Jahre rechnen)
Bruttorendite: 7 %
Kosten: 0,46 % Effektivkostenquote p.a. für den Versicherungsmantel + 0,2 % für ETF (selbe ETF wie im Self-Szenario)

Heisst im Rechner: 0,66 % Verwaltungsgebühr p.a., Vorgehen wie oben beschrieben.


Kein Gewähr für alle Angaben. In meinen Überlegungen können durchaus Fehler enthalten sein. Ich denke aber das die vier unterschiedlichen Szenarien gute Grundannahmen enthalten, die je nach Versicherung, Tarif, etc. variieren werden.

Viel Erfolg und investiert bitte nicht zu viel Zeit, wirklich ;-)

Viele Grüße Fabian


Marius sagt am 12. Juli 2020

@SvenK

Du hast bei 24x250 Euro x12 Monate = 72.000 Euro eine "Steuerersparnis" von 21.500 Euro? Das wären (21.500 / 72.000) *100% =29,86% "Steuerersparnis".

Das ist doch sicherlich dein Grenzsteuersatz in dessen Höhe du eine Steuererstattung bekommst. Davon musst du doch noch die nachgelagerten Steuern abziehen, die du im Rentenalter bezahlst.

Da du als Rentner ca. 25 - 30% Steuern zahlen wirst, sparst du erst einmal kaum etwas. Später wenn dein Steuersatz 42% beträgt etwas.

Ich glaube kaum, dass du mit deinen gesparten Steuern insgesamt auf deine 16.500 Euro Kosten kommst.


Matthias sagt am 12. Juli 2020

Zunächst einmal vielen Dank für diesen sehr interessanten Artikel!

Ansonsten möchte ich mich dem Lob von ChrisS anschließen:
Ich finde die ausführlichen Artikel in Textform klasse, da ich auch nicht so der Podcast-Typ bin. Ich würde mich sehr freuen, künftig wieder mehr davon lesen zu dürfen :-)


Nanoinvestor sagt am 13. Juli 2020

Wenn du erfährst, daß du nur noch ein Jahr zu leben hast, kannst du wenn du willst deinen ETF auflösen und es nochmal richtig krachen lassen. Mit einer Versicherung stehst du dumm da, bzw. darfst dich drauf freuen, daß deine (mißliebigen?) Erben noch ein paar Jahre eine kleine Rente bekommen. Damit will ich nur sagen, ich bin einfach flexibler.


Anja sagt am 13. Juli 2020

Ich habe mich auch sehr über diesen Artikel gefreut! Ich bin ebenfalls ein Fan längerer geschriebener Texte und wenn sie dann noch so unterhaltsam und informativ zugleich sind, umso besser!

Zu der Geschichte mit der Versicherung hätte ich noch einen Punkt, den ihr noch nicht beleuchtet habt: Irgendwann werden wir älter und es wird schwieriger, seine Geldanlage selbst zu verwalten. Das mag nicht auf alle zutreffen und natürlich wird auch nicht bei einem bestimmten Alter der Schalter umgelegt und man ist plötzlich doof, doch es wird bei den meisten irgendwann schwieriger. Und es gibt ja anscheinend auch viele ältere bzw. ganz alte Leute, die auf Betrüger hereinfallen (z.B. Enkeltrick). Könnte man da eine Verrentung der Zahlungen, wie sie bei Versicherungen üblich ist, nicht als Vorteil sehen? Brachial ausgedrückt: Es nützt mir nichts, wenn ich mit 80 Jahren bei selbstverwalteten ETFs 50% mehr Vermögen habe als bei einer Alternative, aber das Geld dann zu 100% einem Betrüger in die Hand drücke ...

Oder vielleicht ist eine Kombi sinnvoller: Bis 65 oder 70 selbst ansparen und dann als Sofortrente weiternutzen?

Was meint ihr dazu?


Spaceman sagt am 14. Juli 2020

@Anja

Verrentung deines Guthabens: Das kannst du doch ganz einfach selber machen. Du legst dir einen Betrag X aufs Tagesgeldkonto und richtest dir einen Dauerauftrag auf dein Girokonto ein. Was anderes machen Versicherer doch auch nicht. Ein simpler Dauerauftrag. Der kostet nicht mal was!

Das Tagesgeldkonto ist sicher gegen EC-Karten-Verlust und Kreditkartenbetrug. Nur das Girokonto kann für Zahlungsverkehr nach "außen" genutzt werden. Deshalb auf dem Girokonto nur soviel Geld lagern, wie man für einen Monat braucht.

Wenn man irgendwann gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist, seine Bankgeschäfte zu erledigen, gibt man vertrauenswürdigen Personen in der Familie eine Bankvollmacht.


Matthias K sagt am 15. Juli 2020

@Anja

Sehr guter Punkt, danke für den Hinweis. Gilt übrigens auch schon vorher, man kann auch mit 50 einen Schlaganfall oder Autounfall haben. Die Familie sollte schon wissen, was wo und wie investiert ist und wie damit umgegangen werden soll.
Ich habe dafür neben einem „Digitalen Nachlass“ mit allen Passwörtern etc. auch eine Art Bedienungsanleitung oder Schatzkarte erstellt, in der alle Assets, deren Orte und Funktion erklärt sind.

Gegen Enkeltricks helfen Dinge wie Codewörter beim Anrufen oder das Hinterlegen der TANS bei der Familie, so das man nicht sofort und ohne Kontrolle durch Vertrauenspersonen an sein Geld kommt. Und natürlich absolutes Misstrauen. Meine Mutter knallt jedem Fremden die Tür vor der Nase zu, noch bevor er das Wort Enkel überhaupt aussprechen kann, da mache ich mir wenig Sorgen^^

Einfache Faustregel bei mir (Dachgeschosswohnung): Wer zu mir ohne Termin oder Voranmeldung kommt, ist grundsätzlich unerwünscht/gefährlich/Betrüger solange bis er mir das Gegenteil bewiesen hat. Ich hoffe, das diese Eigenschaft sich bis ins hohe Alter bewahrt.

Zum Artikel:

ich glaube, grundsätzlich ist es am besten, wenn ein Produkt möglichst einfach, wenig komplex und verschachtelt ist.

-es ist besser auf den Verbraucher zugeschnitten, weil es eben genau die Elemente enthält, die man haben möchte und man nicht irgendetwas anderes mitbezahlt. Ähnlich wie bei einer einer All-Inklusive-Reise, wo jemand der nie frühstückt, trotzdem das Buffet mit bezahlt.

-diese Produkte sind sehr schwer zu durchschauen. Ich bin mir relativ sicher, das die meisten Menschen, die jetzt mit Fairriester ihren Spaß hatten wegen der Beitragsgarantie und dem Aktienanteil, das nicht auf dem Schirm hatten. Denn wenn alle ~10 Jahre ein heftiger Crash an der Börse stattfindet ist das bei 40 Jahren Laufzeit so sicher wie das Amen in der Kirche. Es stand relativ versteckt in der Produktbeschreibung, aber man musste schon sehr genau hinsehen. (ich habe mir den Test bei FINANZTEST angesehen, die haben dieses Risiko nicht erkannt und Fairriester eigentlich recht wohlwollend bewertet)

-Die Produkte sind schrecklich unflexibel. Denkt mal darüber nach, wie sich euer Leben in den Letzten 30 Jahren verändert hat. Man kann keinesfalls davon ausgehen, das sich in den nächsten 30 Jahren NICHTS verändern wird. Wenn sich Situationen verändern, brauche ich aber flexible Produkte oder eine vernünftige Exit-Option.

-durch die hohe Komplexität enthalten sie mehr versteckte Risiken. Was sie in Verbindung mit der Unflexibilität sehr gefährlich macht. Im Finanzbereich ist Komplexität zu vermeiden, wo immer es geht (Stichwort Talebs 4. Quadrant)

Der Nachteil bei der Einzellösung: Es ist scheinbar mehr Arbeit. Man muß sich eben seine Elemente selbst aussuchen und pflegen.
Es ist aber nur scheinbar mehr Arbeit: Wenn bei dem verschachtelten Mantelkram etwas schiefgeht, ist es weit mehr Arbeit.
Ich habe mit einer Riester-Kündigung weit mehr Zeit verbracht, als mit allen ETF-Suchen zusammen...


Johnny sagt am 15. Juli 2020

Wenn wir - egal ob über einen oder vier Indizes - in 23 Industrie- und 26 Schwellenländer investieren, so wie S. das macht, dann haben wir rund 2.500 Firmen im Depot.

Kleine Info für zukünftige Beiträge: Mit einem Vanguard FTSE All-World hat man sogar 3945 Firmen in einem einzigen ETF :-)


Der Markus sagt am 16. Juli 2020

@Anja

Sofortrente lohnt sich finanziell, wenn Du eine deutlich über der durchschnittlichen Lebenserwartung liegende persönliche Lebenserwartung annimmst. Dabei solltest Du berücksichtigen, dass die Verischerung nicht mit der Sterbetafel kalkuliert sondern einen gewaltigen Aufschlag an Jahren in die Kalkulation einfließen lässt - nach dem Motto: wer das Produkt nachfragt, wird dafür seine Gründe haben (individuell deutlich über den Schnitt liegende Lebenserwartung). Außerdem sind die ausgewiesenen Gebühren nicht zu verachten...

Fazit: Lohnt sich nur, wenn es harte Fakten gibt, die für eine individuelle Langlebegkeit sprechen (und damit meine ich nicht nur nicht rauchen, gesunde Ernährung, viel Sport etc.) UND die eigenen Bezüge aus Rente, Pension etc nicht für den gewünschten Lebensunterhalt reichen.


Stefan S. sagt am 04. September 2020

@SvenK

Der Fair-Rürup ist zwar mit Kosten von 36€ p.a. und 0,4 % p.a. recht günstig, aber weißt Du auch was Du Dir im Rentenbezug angetan hast?

Bei Rürup ist nunmal Rente ohne Wenn und Aber vorgeschrieben (Stand 2020). Und Verrentung läuft immer über einen Versicherer, in dem Fall von Fairr die mylife.

Was viele nicht wissen.

Zum Zeitpunkt des Rentenbeginns wird das ETF-Guthaben in das Sicherungsvermögen des Versicherers überführt. Und im Sicherungsvermögen ist nix mit ETF, sondern hauptsächlich Zinspapiere. Zu diesem Zeitpunkt sollte also das ETF-Guthaben möglichst hoch sein. Um auf Nummer sicher zu gehen bist Du also auf ein Ablaufmanagement angewiesen, ansonsten müsstest du bei einer vorherigen Baisse entweder den Rentenbeginn nach hinten schieben oder eine empfindliche Reduktion deiner Rente in Kauf nehmen.

Kalkulation der Rente: Der Versicherer kalkuliert dann deine Rente zum Zeitpunkt der Umschichtung in das Sicherungsvermögen nach den Kalkulationsgrundlagen, die bei Dir in den Bedingungen stehen. Er benutzt dafür z.B. die Sterbetafel DAV2004R als Grundlage für seine Kalkulation und nimmt für die garantierte Rente den Garantiezins von 0,9 % an. Der Versicherer darf hier sogar noch einen Risikopuffer einbauen, die Allianz z.B. 50 % Puffer, alle Achtung. Dort wird dann also die Grundrente nur mit 0,45 % gerechnet, super. Jetzt weißt Du aber noch immer nicht, mit welchem Lebensalter der Versicherer kalkuliert, denn das steht nirgendwo. Du kannst davon ausgehen, dass mit einem Alter von weit über 95 bis teilweise über 115 gerechnet wird. Die Grundrente ist also ziemlich mickrig. Hinzu kommen die Überschüsse, die der Versicherer mit den Zinspapieren erwirtschaftet. Für die Zukunft kann das natürlich niemand sagen, aber derzeit sieht es sehr mau aus. Auch für die Überschüsse wird natürlich mit dem gleichen Alter wie oben gerechnet. Und die Mickrige Rente musst Du dann auch noch zu 100 % mit Deinem persönlichen Steuersatz versteuern (ab 2040). So schön die steuerlichen Effekte in der Ansparphase auch sein mögen, unterm Strich lohnt es sich nicht und der Versicherer gewinnt immer. Die statistischen Ausreißer die über 110 werden mal ausgenommen.

Grundüberlegung zum Langlebigkeitsrisiko:

Die Versicherer und deren Untertanen (FPV) betonen ja immer gebetsmühlenartig, dass nur ein Versicherer das Langlebigkeitsrisiko abbilden kann. Aber wann man dieses Risiko am besten absichert, das beleuchtet niemand. Bei Tod und BU ist das ganze klar. Ich sichere mich heute Ab, weil ich könnte ja morgen sterben oder berufsunfähig werden. Soweit so gut. Aber was ist mit der Langlebigkeit? Statistisch gesehen erreichen von 100 40-jährigen nur 88 überhaupt das Alter 67. Sollte man denn dann schon in jungen Jahren das Langlebigkeitsrisiko über eine Versicherung abdecken und Risikobeiträge bezahlen, wenn doch eh nur wenige Personen alt werden? Sicher nicht. In jedem Fall wird die (aktuarische) Empfehlung deutlich, dass der Rentenversicherungsteil zur Absicherung des Risikos der Langlebigkeit erst sinnvollerweise möglichst spät, frühestens demnach zum Rentenbeginn „installiert“ werden sollte. Ich empfehle daher eher eine gewisse Summe, die man vorher ermitteln kann, für den Abschluss einer Sofortrente zum Alter 85, vorzuhalten und erst dann das dann wirklich nötige Risiko der Langlebigkeit abzusichern. Diese Verfahrensweise gebührt der Logik, dass ich mich erst dann absichere, wenn ich älter werde als X. Nur hat das noch nie einer einem erzählt.

Fazit:

Rürup ist genau wie Riester ein Geschenk des Gesetzgebers (damals Rot - Grün) an die Finanzindustrie. Riester für die breite Masse, Rürup für die Selbständigen und gut situierten, diese werden dann von MLP, Mayflower und Co. abgegriffen.

Lasst bitte alle die Finger davon. Fairr in allen Ehren, aber letztendlich ging es denen auch nur ums Geld. Für diejenigen, die erst jetzt die Erkenntnis haben und der Vertrag noch keine 10 Jahre läuft, haben gute Aussichten den Vertrag gerichtlich anzufechten. Ich tippe mal das weit über 90 % der Beratungsprotokolle fehlerhaft sind.

Viel Erfolg!


Felix sagt am 05. September 2020

@Stefan S.:
Was mir noch nicht einleuchtet ist, warum es günstiger sein sollte, erst beim Alter von 85 Jahren eine entsprechende Versicherung abzuschließen. Natürlich spart man dann viele Jahre lang Beiträge und bei einem frühen Ableben erhalten die Erben dann etwas mehr Geld.

ABER: Bei einem so späten Vertragsabschluss ist das Risiko für die Versicherung doch entsprechend höher. Folglich wird man das ganze für den Versicherten entsprechend teuer, oder? Ich stelle mir vor, dass eine Versicherung bei einem 30-Jährigen natürlich einkalkuliert, dass viele den Vertrag vorzeitig kündigen oder eben auch vor Erreichen des kalkulierten durchschnittlichen Lebensalters versterben. Entsprechend niedrig sollten die Beiträge sein.

Ich bin inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass sich private Rentenversicherungen für mich nicht lohnen - auch für das Langlebigkeitsrisiko nicht und zwar aus mehreren Gründen:

  1. Die Versicherungen kalkulieren nicht "fair", d.h. mit einer sehr hohen Lebenserwartung. Dadurch wird das übernommene Risiko wesentlich zu teuer bezahlt. Kalkuliere ich einer Lebenserwartung von 30 Jahren im Ruhestand, gibt es nur eine (weibliche) Person aus meiner Verwandschaft, welches dieses Alter übertroffen hat (und das auch nur knapp).
    1. Die Beiträge werden während der "Ansparphase" - auch wegen regulatorischer Vorgaben - sehr konservativ angelegt, so dass zur Verrentung auch nicht so viel Kapital zur Verfügung steht (im Vergleich zu den wahrscheinlichen Erträgen aus dem Aktienmarkt).
    2. Die Kosten einer Versicherung sind zu hoch und intransparent.
    3. Auszahlungen einer privaten Rentenversicherung werden nicht an die Inflation angepasst. Bei einer Rentenbezugszeit von 20 Jahren ist das aber ein nicht zu vernachlässigender Aspekt. Ich muss also den Auszahlbetrag ca. 10-20% höher ansetzen als initial benötigt, um dann durch Ansparen/ggf. Investieren am Ende Lebensdauer die Inflation zu kompensieren.

Zusätzlich kommt bei Rürup/Riester usw. für mich noch dazu, dass es zum Rentenzeitpunkt einen "Bruch" gibt: Egal, wie rentierlich die Anlage vorher war. Zu Beginn der Rente wird alles liquidiert und der Betrag an einen Versicherer weitergereicht. Durch diesen künstlichen Bruch (aus Sicht des Versicherten, der zu diesem Zeitpunkt noch ca. 20-25 Jahre Lebenserwartung hat) wird natürlich viel Rendite verschenkt, da der Riester-/Rürup-Anbieter schon viele Jahre vorher den eventuell vorhandenen Aktienanteil gegen 0 absenken muss, um eben möglichst das komplette Vermögen für die Verrentung zu sichern.

Ich stelle mir aber vor, dass ich auch im Alter noch einen größeren Aktienanteil besitzen werde. Dieser Teil meines Vermögens kann dann immer noch Erträge generieren, so dass ich wesentlich weniger Kapital ansparen muss, um am Ende eine auskömmliche "Rente" zu erhalten.

Nicht zuletzt ist eine private Rentenversicherung ja nur sinnvoll, wenn die Auszahlung deutlich oberhalb der Grundsicherung liegt. Entsprechend hoch sind die Kosten bzw. die verschenkte Rendite auf die Sparbeiträge. Was nutzt mir ein privater Vertrag, der z.B. monatlich 500 Euro auszahlt? Ich stehe also vor der Wahl, entweder eine relativ hohe Auszahlungssumme zu vereinbaren (mind. 2000 €/Monat) oder eben auf die Historie des Aktienmarktes zu vertrauen und im Notfall egoistisch dem Staat (oder den Kindern) auf der Tasche zu liegen.

Größter Nachteil ist natürlich, dass dieses Vermögen im Falle einer Privatinsolvenz einfach "weg" ist. Auch hier muss ich einfach auf meine Fähigkeit zur Risikosteuerung vertrauen. Außerdem ist ja derzeit eine Versicherungspflicht für Selbstständige in Planung - wie ich mich dann verhalte, weiß ich noch nicht.

Gleichzeitig erhalte ich mit der Strategie "Rente durch freies Investieren auf dem Kapitalmarkt" wesentlich mehr Flexibilität, z.B. kann ich mir die Kosten einer Risiko-Lebensversicherung sparen (versterbe ich, ist die Familie über die Ersparnisse für meine Altersvorsorge mehr als ausreichend abgesichert). Sollte doch irgendwann ein Immobilienkauf anstehen, könnte ich ggf. einen Teil des Vermögens als Eigenkapital einsetzen usw.


Fl0 sagt am 09. Oktober 2020

Mich würde interessieren, was der Finanzwesir rät, wenn das Kind schon im Brunnen liegt.
Sprich wenn man als leichtsinnige Jugendsünde kein Tattoo aus Mallorca, sondern eine der tollen fondsgebundenen Rentenversicherungen mit sich herum trägt.

Wie auch hier im Artikel angeschnitten - keine Kostentransparenz. Und vor allem wie hier in den Kommentaren angemerkt - gezillmert, also Großteil der Vertriebskosten vermutlich bereits gezahlt. Lohnt sich da der Ausstieg noch oder ist damit der Point of no return überschreiten und man bespart besser weiter?
Ergo:

  • beitragsfrei stellen? Was bleibt dann noch, wenn die Mantelkosten weiter anfallen?
  • weiter zahlen, ggf. Dynamische Beitragserhöhung kappen und in die Fonds des kleinsten Übels umschichten?

Presskoppweck sagt am 11. Oktober 2020

"Lohnt sich da der Ausstieg noch oder ist damit der Point of no return überschreiten und man bespart besser weiter?"

Umgekehrt wird ein Schuh draus, ich habe einen Tausender verschossen. Die Knete ist weg, egal wie ich mich drehe.
Soll ich nun weiterhin in diesem teuren Etablissement logieren, wo meine Knete zukünftig mit 3% rentier en wird?
Oder soll ich mir eine günstigere Absteige suchen, wo es 6% gibt?

Was der Wesir vorschlagen würde, kann ich nur spekulieren. Eine ähnliche Frage (man hat viele ETF und will reduzieren) beantwortet er im Video https://www.youtube.com/watch?v=c9LS7IZXgH0 (Min 1:50) mit "glattstellen, verkaufen".
Aber bei so einem komplizierten Konstrukt wie einer fondsgebundenen RV mag es noch mehr zu beachtende Randbedingungen geben und ich bezweifle, dass man das pauschal abwägen kann.


Martin sagt am 12. Oktober 2020

Hallo Flo,

Ich schätze da musst du jetzt rechnen, was das sinnvollste ist, ohne die versunkenen Kosten zu beachten. Hartmut Walz schreibt zu solchen Themen immer mal wieder. Ein Blick in sein Buch/Blog wäre sicher lohnenswert.


Fl0 sagt am 13. Oktober 2020

Hallo ihr Beiden!
Danke für die Rückmeldung.

Klar, wäre es so einfach, dass man transparent sagen könnte, es in jetzt noch ein teures Etablissement und sunk costs sind sunk costs wäre die Entscheidung eine einfache.
Auch eine Rechnung ließe sich aufmachen und dadurch rational abwägen.

Aber so transparent ist das ganze leider nicht, es lässt sich nicht rechnen ohne die Kosten zu kennen.

Allerdings steht zu vermuten, dass ein Großteil der Kosten, die dass "Etablissement" insgesamt so teuer gemacht haben bereits geflossen sind, es ggf. gar nicht mehr nennenswert teurer ist (gezillmert), der Break even im Vergleich zum mantellosen also erreicht ist.

Zumal die jetzt breites steuersenkende Wirkung der Beiträge mit bedacht sein will im Verhältnis zu möglicherweise noch immer leicht höheren Kosten.


Michael sagt am 30. Dezember 2020

Hallo zusammen,

auch ich bin der Meinung, dass derzeit (zur aktuellen Rechtslage) zum überwiegenden Teil wohl das klassische ETF-Depot günstiger sein wird.

Jedoch möchte ich auf einen Punkt aufmerksam machen, den ich bisher noch nicht gelesen habe und welcher vielleicht für die Zukunft von Bedeutung sein kann.

Nämlich auf die im Jahr 2009 eingeführte Abgeltungsteuer. Diese steht nämlich wieder zunehmend in der (politischen) Kritik und man denkt auch schon darüber nach, diese möglichweise wieder abzuschaffen. Auch dazu gibt es sicherlich wieder mehrere Gründe für aber auch gegen eine Abschaffung. Nur wissen wir leider nicht, wie sich die Thematik in der Zunkunft entwickeln wird.

Bei einer Abschaffung der Abgeltugnssteuer (Pauschale Versteuerung mit 25% zzgl. SolZ) müssten die Kapitalerträge aus dem ETF-Depot mit dem persönlichen (meist viel höherem) Steuersatz versteuert werden und daher die ETF-Versicherungspolice wieder deutlich "günstiger" machen.

Es wurde auch schon angesprochen, dass es in Zunkunft natürlich auch zu Änderungen bei der Besteuerung von ETF-Versicherungspolicen kommen kann. Jedoch wird es - meiner Einnschätzung nach - immer von staatlichem/politischen Interesse sein, insbesondere die private Altersvorsorge, in irgendeiner Weise zu fördern und somit auch steuerlich zu begünstigen. Gerade angesichts des demographischen Wandels und der negativen Folgen auf die gesetzliche Rente.

Bei dem ETF-Sparplan handelt es sich allerdings nicht um ein Produkt der "klassischen" privaten Altersvorsorge, mit der Folge, dass - bei einer Abschaffung der Abgeltungsteuer- auch mit keiner weiteren/neuen steuerlichen Begünstigung gerechnet werden kann.

Aufgrund dessen sollte man m.E. nach - wie so oft - nicht alles auf ein Pferd setzen und daher vielleicht sowohl einen klassischen ETF-Fondssparlan als auch eine ETF-Versicherungspolice zur privaten Altersvorsorge abschließen.

Was haltet ihr davon?


JungerArzt sagt am 11. Januar 2021

Hallo zusammen und danke für den schönen Artikel,

Auch vielen Dank an Fabian Müller, dessen Reise ich gerade nacherlebe (bin auf der Suche nach der letzten Station und via Finanzwesir rockt hier gelandet) und dessen Excel-Tabelle seiner Beschreibung nach genau das gleiche ergibt wie die meine.
Der Artikel ergänzt zahlreiche hilfreiche Faktoren um die harten Zahlen herum, die das Bild bestärken.

Aus meinem konkreten Beispiel noch etwas hinzuzufügen:
Der Rentenversicherungsvertrag den ich vor 3 (mittlerweile mit podcast- und Finanzlektüre gefüllten) Wochen als naiveres und finanziell ungebildeteres Ich geschlossen habe, und den ich jetzt fristgerecht widerrufen werde, ist relativ transparent, ich war nur dumm genug mich auf die Aussagen meines Beraters zu verlassen.
Die effektive Kostenquote kann man sich aus der vorgerechneten Wertentwicklung ablesen die bei solchen Verträgen zwecks Verkauf oft auf dem Deckblatt stehen, zB 40 Jahre Mal 500 € im Monat sind 240.000 € Einlage, bei 5% angenommener Wertentwicklung Blablabla 460.000 Euro zu Rentenbeginn.
Effektive Kostenquote ungefähr 2%. So. Jetzt ist diese Kostenquote aber eigentlich ein Fixpreis der abhängig von der Einzahlungssumme ist, und damit als Prozentangabe nur für diese Rechnung mit 5% Wertentwicklung gültig, nämlich, man lese und staune, pro 6.000 € jährlicher Einzahlung sind 750 € Gebühren mit drin.
Alleine der Zinseszinseffekt mit der angenommenen Wertentwicklung macht aus diesen brutalen Kosten eine so "niedrige" Kostenquote. Und das obwohl der Zinseszinseffekt auch noch kastriert wird, indem man über die ersten 5 Jahre einen Jahresbeitrag an Abschlusskosten gezillmert zahlt, d.h. von 500 € Einzahlung pro Monat kommen nur ca. 330 € überhaupt im Fonds an. Bumm.
Dann ist auch noch die Fondsauswahl limitiert (und bis auf zwei Ausnahmen Fonds die insgesamt und im eigenen Sektor underperformed) und der hauseigene "Global ETF Portfolio" Fonds hat eine für einen ETF ja recht hohe TER von 0,45% und läuft schlechter als jeder handelsübliche ETF beim kostenlosen online Broker.

Willkommen bei der DÄV, der Deutschen Ärzte Verarsche. Bitte den Kraftausdruck entschuldigen, aber so fühlt es sich ein wenig an.

So, nächster wichtiger Punkt: die Langlebigkeit mit der der Versicherer rechnet, muss im Vertrag stehen.
Sind bei mir aktuell bei Vertragsabschluss 24,5 € pro Monat pro 10.000€ Kapital bei Rentenbeginn, die sind mir aber auch nicht garantiert, sondern nur mindestens 80% vom Rentenfaktor bei Vertragsabschluss, das heisst 19,6 Rentenfaktor. Damit müsste ich, selbst ohne Indexbeteiligung des Kapitals in der Rentenphase, 109 Jahre und 7 Monate alt werden um die einzige vorhandene Versicherungsleistung in dem Vertrag, nämlich meine Langlebigkeit über dieses Alter hinaus und dann monatliche Zahlungen, in Anspruch zu nehmen.
Sie schlagen also auf meine Lebenserwartung von aktuell 79 Jahren schlappe 30 Jahre drauf, bevor sie draufzahlen würden. Aktuell gilt ein Rentenfaktor von 28 als top wert, wenn der voll garantiert ist und nicht gesenkt werden kann, dann müsste ich nur 96 Jahre und 9 Monate alt werden. Könnte ich schaffen, habe aber noch keinen so hohen und garantierten Rentenfaktor in einem preislich tragbaren Versicherungsvertrag gefunden. Und selbst das sind ja noch 17 Jahre über meiner aktuellen Lebenserwartung.

Eine monatliche Verrentung ist aber das einzige Szenario wo der Vertrag überhaupt Sinn machen könnte (und wie oben vorgerechnet selbst das nur theoretisch), weil überhaupt nur dann dieses Langlebigkeitsrisiko abgesichert ist. Was bekomme ich denn sonst für die teuren Gebühren wenn ich es auszahlen lasse, die Steuerersparnis ist eine Wette und selbst dann nicht Mal relevant hoch gegenüber der Abgeltungssteuer, zumal ich bei Einmalauszahlung ja in dem Jahr vermutlich den Höchststeuersatz beim Einkommen erreiche, wenn man von relevanten Summen redet. Was kaufe ich denn für die Versicherungsgebühr dann überhaupt?

Zum Thema Verrentung im Alter: Rentenfaktoren errechnen sich aus Sterbetafeln. In 40 Jahren werden die Leute älter im Schnitt, vorausgesetzt kein atomarer Krieg bis dahin und der bisherige Trend setzt sich fort, und damit die Rentenfaktoren niedriger. Dh erst mit 67 verrenten heißt dann im Zweifel sein "Risiko absichern", dass man über 120 Jahre alt wird, bzw eine Auszahlungsmaschine starten, die bis 120 (oder noch länger) läuft.

Vielleicht noch ein Punkt, wo ich noch nicht am Ende meiner Reise angekommen bin:
Mir wurde das unter anderem unter dem Gesichtspunkt verkauft, ich könnte so eine Versicherung optimal als Sicherheit für einen Kredit für eine Immobilie benutzen, bisher habe ich aber nur Policen-Darlehen gefunden, die endfällig sind, was dann wieder überhaupt keinen Sinn macht, ganz abgesehen davon dass ich mittlerweile bezweifle, dass einen Rentenversicherungsvertrag zu beleihen mehr Kosten spart als das Eigenkapital durch Erspartes bis dahin zu erhöhen, sprich ETF Sparplan zum richtigen Zeitpunkt auf den Kopf hauen und Geld ins Haus/ die Wohnung stecken. Vielleicht hat dazu noch jemand Input, damit ich meinem Berater auch das noch widerlegen kann, vielleicht lernt er ja auch was dabei?

Korrigieren möchte ich folgende Aussage von einem der Kommentatoren: wenn ich abkratze bevor alles Geld weg ist, bekommen den Rest meine Erben, egal ob vor oder nach Rentenbeginn. Dh wenn ich mit 107 den Löffel abgebe, gibt's noch ein paar Zehntausend Euro für meine Erben. Immerhin.

Was ich schreibe gilt für Private Rentenversicherungen meines aktuellen Wissens nach, wenn jemand andere Infos hat freue ich mich darüber, bitte dann noch mit Quelle kommentieren. Wie gesagt, vor einem Monat wusste ich noch nicht Mal was ein ETF sein soll, daher arbeite ich kontinuierlich an meinem Know-How und freue mich über konstruktiven Input.

Ich hoffe ich konnte durch meine Erfahrungen und die anderen Aspekte die ich angesprochen noch etwas sinnvolles zu der Diskussion beitragen.


dans sagt am 19. Januar 2021

@JungerArzt
Die Story mit der DÄV sollte einen nicht wirklich verwundern. Sollte man auf der Suche nach einer ETF-Police sein (ich bin durchaus ein Befürworter der parallelen Nutzung von ETF-Sparplan und ETF-Police, um einfach auch deutlich breiter aufgestellt zu sein für die zukünftige steuerliche Gesetzgebung), sucht man sich einen Versicherungsmakler (online oder offline, keinen Mehrfachvertreter oder Versicherungsvertreter) der Nettotarife (Honorartarife) vermittelt.
Dann landet man auch nicht bei Effektivkostenquoten von ca. 2,00 % (wobei das typisch DÄV schon sehr teuer ist, auch für einen Bruttotarif), sondern eher im Bereich von ca. 0,50 - 0,70 % (inklusive ca. 0,20 % für die ETF). Das ist natürlich noch immer teurer als ein ETF-Sparplan, jedoch bekommt man dafür auch den ein oder anderen bekannten Vorteil.
Im Endeffekt kann man heutzutage auch noch nicht zu 100,00 % sagen, womit man in 30 oder 40 Jahren besser gefahren wäre.


Steffen W sagt am 02. März 2021

So ein cooler Content aber auch... Man sieht die Arbeit eines Wahrheitssuchers...

@Stefan S

bzgl. des Umganges mit dem Langlebigkeitsrisiko und einer sehr spät beginnenden Rentenversicherung sehe ich das recht ähnlich, Stefan. Kommst Du aus der Beraterschaft, weil Du Dich so gut auskennst? Ich habe da noch ein paar Ideen in dieser Richtung.


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