08. April 2014


Die Parabel von der Familie Gotrock

Zugeschrieben wird diese Parabel Warren Buffett, erzählt wird sie von John C. Bogle im ersten Kapitel seines Buches "The little book of common sense investing". Ich habe sie nur ins Deutsche übersetzt.

So geht die Geschichte:
Es war einmal in den USA. Dort lebte eine reiche Familie namens Gotrock. Die Gotrocks waren ein weit verzweigter Clan, gewachsen über Generationen. Sämtliche Aktien aller börsennotierten US-Unternehmen gehörten einem Familienmitglied der Gotrock. Mit anderen Worten: Die Gotrocks waren „der Aktienmarkt“.
Jedes Jahr erfreuten sie sich an den Früchten ihrer Investition. Sämtliche Dividenden wanderten in ihre Taschen und das Wachstum tausender Firmen vermehrte das Vermögen der Gotrocks zusätzlich. So wurden alle Gotrocks über die Jahrzehnte zusammen immer reicher und lebten harmonisch miteinander. Jeder Gotrock war ein Gewinner; aber viel los war nicht im Gotrock-Universum.

Doch das sollte sich bald ändern: Einige eloquente Schnellredner betraten die Bühne. Ihr selbst gestellter Auftrag: Die „smarten“ Gotrocks ausfindig zu machen und diese davon zu überzeugen, dass ihnen ‒ den „smarten“ Typen ‒ ein größerer Anteil am Kuchen gebührt als den langweiligen Rumsitzern, die nur die Dividende einfahren.
Dazu verkauften die Smarten ein Teil ihrer Aktien an die Rumsitzer und an die anderen Smarten und kauften im Gegenzug Aktien von anderen Rumsitzern und Smarten. Die Schnellredner übernahmen ‒ gegen eine kleine Aufwandsentschädigung ‒ die Durchführung der Transaktionen. Statt faul im Depot herumzuliegen, wanderten die Aktien jetzt von einem Gotrock zum nächsten. Die Gotrocks waren stolz darauf, ihrem Geld mal so richtig Beine gemacht zu haben und warteten schon gespannt auf die nächste Dividenden-Saison. Doch zu ihrer Verwunderung mussten sie feststellen: Ihre Einkünfte hatten sich verringert. Ihr Vermögen wuchs nicht mehr so stark wie in den letzten Jahren.

Warum?

Die Schnellredner beanspruchen einen Teil der Einkünfte für sich. Die Gotrocks vereinnahmen nicht mehr 100 % des Ertrags, sondern müssen einen Teil der Dividenden und Gewinne an die Helfer abgeben. Dazu kommt: Zwar hat der Gotrock-Clan schon immer Steuern auf die Dividenden gezahlt, aber durch den Aktienhandel sind steuerpflichtige Transaktionsgewinne angefallen, die den Ertrag ebenfalls mindern. Die „smarten“ Gotrocks beeindruckte das nicht. Da sie selbst nicht in der Lage waren, die „richtigen“ Aktien für den Verkauf auszuwählen, heuerten sie Experten an, die das für sie übernehmen sollten.
Das Ergebnis: Im nächsten Jahr war der Kuchen noch kleiner geworden, da nun nicht nur die Transaktionsspezialisten, sondern auch die Aktienexperten am Ertrag knabberten. Dazu kam: Die Aktienexperten wollten natürlich beweisen, dass sie ihr Geld wert waren, und zeigten deshalb Aktionismus. Sie handelten kräftig und trieben so ihre Gebühren und die zu zahlenden Steuern in die Höhe. Dies verringerte den schon merklich geschrumpften Ertrag der Gotrocks weiter.

„Ok“, sagten da die „smarten“ Gotrocks, „Wir haben es nicht geschafft, die richtigen Aktien auszuwählen und die Leute, die wir dafür angestellt haben, haben es ebenfalls nicht geschafft. Was sollen wir jetzt tun?“
Nach längerer Beratung kam man zu dem Schluss: Es werden mehr Experten gebraucht. Also heuerten die Smarten weitere Berater, Finanzplaner und Steuerfachkundige an. Diese ganzen schlauen Köpfe versprachen ‒ natürlich gegen eine kleine Gebühr ?, das Finanzproblem der Gotrocks ein für alle Mal zu lösen.
Taten sie aber nicht, denn bei der nächsten Abrechnung zeigte sich: Der einstmals so üppige Kuchen hatte sich in verflüchtigt. Den Gotrocks waren nur einige Brösel geblieben. Die Sahneschnittchen hatten die ganzen eloquenten Schnellredner eingeheimst.

Die Lösung

Zeit für ein großes Krisentreffen. Die Gotrocks konnten nicht verstehen, was passiert war, seitdem einige von ihnen versuchten, den Markt zu schlagen und ihren Anteil am Kuchen zu vergrößern. Niemand hatte mehr vom Kuchen bekommen, sondern der Kuchen wurde immer kleiner und jeder Gotrock war ein Verlierer. Und das, obwohl sie sich so bemüht hatten und die schlausten Köpfe eingestellt hatten.
Ein weiser alter Onkel stand irgendwann auf und sagte: „Wir bezahlen sämtliche Helfer und alle zusätzlichen Steuern direkt von unseren Dividenden. Wir müssen uns nur von allen Brokern, Finanzverwaltern und Consultants trennen, dann werden uns wieder 100 % aller Erträge zufließen.“

So geschah es dann auch. Die Familie Gotrock kehrte zu ihrer alten, langweiligen, passiven aber sehr einträglichen Investmentstrategie zurück und vereinnahmte fürderhin wieder 100 % der Erträge, die die US-Firmen im Laufe eines Jahres erwirtschafteten.

Ein Indexfonds arbeitet genau so wie die Gotrock-Familie. Möglichst wenig Bewegung, möglichst wenig Gebühren, möglichst viel vom erwirtschafteten Mehrwert einsacken.

Diese Parabel zeigt zwei Dinge

Der maximal verteilbare Kuchen ist die Summe der Wirtschaftsleistung der US-Firmen. Mehr können die Gotrocks nicht erwarten.

Es gibt einen Interessenkonflikt zwischen den Leuten, die im Finanzgeschäft arbeiten, und denen, die in Aktien und Anleihen investieren.

Wer im Finanzgeschäft arbeitet, wird reich, indem er Investoren davon überzeugt: „Beweg dich, tu was!“
Doch für Investoren sind Nichtstun und „nur Herumstehen“ die Erfolgsfaktoren.

Erfolgreiches Investieren bedeutet

  • am wirtschaftlichen Erfolg von so vielen Firmen wie möglich teilzuhaben und
  • diesen Erfolg nicht über Gebührenzahlungen und Steuern an Dritte weiterzureichen.

So simpel ist Investieren. Wenn Ihnen jemand etwas Komplexeres andrehen will, handelt es sich entweder um Finanz-Voodoo oder Aktien-Schamanismus.

(awa)

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Kommentare

Malu sagt am 09. August 2015

Und was sagt den Finanzwesir über die Finanzberater auf Honorarbasis?


Finanzwesir sagt am 12. August 2015

Hallo Malu,
schwierige Sache ;-)
Ich glaube, dass es gute Honorarberater gibt, aber die sind so teuer, dass sie keiner bezahlen will. Ein guter Berater ist brutto zwischen 150 und 200 Euro pro Stunde wert. Nach Abzug der Mehrwertsteuer bleiben ihm zwischen 126 und 162 Euro.
Wenn Du ein vernünftiges Konzept haben willst, braucht der Berater geschätzte 10 Stunden dafür. Damit bist Du zwischen 1.500 und 2.000 Euro los.
Jetzt setzt der Ankereffekt ein: "Warum soll ich so viel Geld für etwas bezahlen, dass ich bei der Bank umsonst haben kann?"
Außerdem sind 2.000 Euro bei den üblichen Anlagesummen richtig viel Geld, erst bei einem Vermögen ab 100.000 Euro läßt sich so ein Honorar rechtfertigen.
Nur: Wer es alleine bis 100.000 Euro geschafft hat, braucht keinen Honorarberater mehr ;-)

Von daher: Grundsätzlich eine gute Idee, aber ich sehe hier nur einen Nischenmarkt.

Gruß
Finanzwesir


Yoneo sagt am 21. Juni 2019

Eine schöne Geschichte. Danke für die Übersetzung!

Es ist so einfach...


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