20. Mai 2021


Kann Leser P. die Rentenlücke schließen?

Leser P. schreibt

Zwei Jahre vor der Rente und zwei Jahre vor dem Auslaufen meiner Hypotheken bin ich gerade geschockt "aufgewacht". Trotz dreier Betriebsrenten wird es eng, weil ich damit viel zu spät begonnen habe.
In dem Irrglauben, ich bräuchte am Ende der Laufzeiten noch rund 30.000 Euro für die Restschuld der Hypotheken, habe ich die "schön brav" auf Giro- und Tagesgeldkonto gelagert, wo es zu Beginn ja noch erträgliche Zinsen gab.
Nun habe ich nachgerechnet und festgestellt, dass die Kredite wegen meiner immer maximalen Sondertilgungen am Ende so gut wie abbezahlt sind, wenn nicht sogar früher. Dann stieß ich vor ein paar Wochen irgendwie auf Finanzfluss und damit auf Sie und Herrn Kommer und habe tagelang nur Youtube-Videos konsumiert.

Mein Plan ist jetzt, ein "sicheres" ETF-Portfolio World, EM, Europe als Notgroschen sowie ein etwas risikoreicheres mit World-Dividenden-Schwerpunkt für eine kleine weitere Zusatzrente.
Ein Verzehr ist nicht geplant, lediglich das Stoppen der weiteren Einzahlungen, wenn es eng wird. Das nun freie Kapital investiere ich sofort und dann geht es mit monatlichen Sparplänen in die selben ETFs weiter, so lange es geht.

Steuerlich habe ich keine Angst, unsre Jüngster ist Steuerberater.

Diese Mail ist keine Beratungsforderung, nur bitte schreien Sie ganz laut "NEIN", wenn da irgendwo ein Denkfehler ist.

Also gut, der Finanzwesir schreit nein

Das hier ist der Klassiker. Er - oder auch sie - hat ein solides Leben nach alt-bundesrepublikanischen Maßstäben gelebt. Dann kommt der Zeitpunkt an dem auffällt: Die Sozialisation aus den 70ger und 80ger Jahren des letzten Jahrhunderts und die heutige Lebenswirklichkeit passen nicht mehr zusammen. Darauf gibt es zwei Reaktionen

  1. Schimpfen auf die verwahrloste Zustände von heute.
  2. Umschalten in den Panikmodus.

Beides ist Unfug. Ich schlage einen dritten Weg vor

Der Weg des Finanzwesirs

Erst einmal konzentrieren wir uns auf das Positive. Drei Betriebsrenten, ein zur Rente abgezahltes Haus und womöglich noch ein paar Kröten in der gesetzlichen Rentenversicherung - das ist doch mal was. Für SPD und Grüne ist P. auf jeden Fall einer dieser ominösen "Reichen". Für mich eine solide Lebensleistung, zu der ich gratuliere.

Der erste Schritt: Bestandsaufnahme

Wir brauchen eine Bestandsaufnahme. Was kommt rein an Geld, was geht raus?

Einkommen

  1. Wie hoch sind die Rentenanwartschaften von P.? Zwei Jahre vor der Rente sollte das ziemlich genau bekannt sein.
  2. Was steuert P.s Frau bei?
  3. Gibt es sonstige Geldquellen?

Ausgaben

Ich empfehle ein Haushaltsbuch für die nächsten sechs Monate. Es geht nicht um plus minus 100 Euro, aber einer Schätzung traue ich nicht. P. hat schon einmal bewiesen, dass er ein schlechter Schätzer ist.

"In dem Irrglauben….
Nun habe ich nachgerechnet und festgestellt…"

Ich will hier eine knallharte Empirie sehen.
Definition Empirie: methodisch-systematische Sammlung von Daten

Danach dann die Analyse:

  1. Wie viel Geld wird für welche Dinge ausgegeben und was ändert sich daran perspektivisch? Die Fahrt zur Arbeit wird ja in zwei Jahren wegfallen.
  2. Bewertung
    • Wo muss gespart werden? Nicht nur Haus und Garten muss man regelmäßig entrümpeln, auch bei den Finanzen gibt es diesen Bodensatz aus nicht mehr genutzten Abos, zu teuren Versicherungen und anderen Altlasten. Dinge, die früher - als die Kinder noch klein waren - sehr sinnvoll waren aber nun nicht mehr zu einem alten Ehepaar passen.
    • Wo kann gespart werden? Das ist die Lebensstil-Inflation. Dinge, die heute einfach ein Must-have sind, konnte man sich vor 10 oder 20 Jahren, als die Kinder noch im Haus waren schlicht nicht leisten und trotzdem war das Lebens schön.
    • Wo sollte auf keinen Fall gespart werden? Das sind zum einen die essentiellen Dinge (Gas, Wasser, Strom und die Haftpflichtversicherung) und zum anderen die Dinge, bei denen jeder gesparte Euro die Lebensqualität überproportional dämpft. Lebensqualität, das sind Dinge wie Essen gehen, Theaterbesuche, Hobbies, Reisen. Diese ganzen nutzlosen Dinge, die kein Homo oeconomicus je verstehen wird, die uns aber zu Menschen machen.

Ziel der Übung: Ein holistisches Verständnis für die Geldflüsse. Kein buchhalterisches Verständnis. Wie gesagt: Toleranzen von plus minus 100 Euro sind ok. P. kann die Brötchenquittung nach wie vor entsorgen.

Der zweite Schritt: Rentenlücke berechnen

Rein minus raus gleich Lücke. So wird aus dem emotionalen "es wird eng" eine klar definierte Rentenlücke. Ich empfehle P.: Bilden Sie Szenarien.

  • Wie groß ist die Rentenlücke, wenn Sie knallhart frugal bei Brot und Wasser und ohne Heizung in Ihrem Haus hocken?
  • Wie groß ist die Rentenlücke, wenn Sie Ihre Wünsche noch einmal um 20 Prozent hochschrauben?

Jetzt weiß P., wie lückig seine Rente ist. Auf zu Schritt drei

Der dritte Schritt: Rentenlücke schließen

Hier hat P. zwei Möglichkeiten:

  1. Die Börse
  2. Ein 450-Euro-Job

Wie bitte, nach einem langen Arbeitsleben bei Penny die Regale auffüllen? Das ist demütigend!
Nun ja, lasst Excel sprechen.
450-Euro-Job bedeutet: Jeden Monat 450 Euro steuerfrei auf die Kralle. Macht verlässliche 5.400 Euro pro Jahr.
Börse, jetzt Du.
Börse: "Also verlässlich ist nicht. Ich bin eine Bestie, die keinem Herren dient."
Na gut, aber was lieferst Du dann Ausschüttungen für einen breit diversifizierten ETF?
Börse murrt und knurrt (wie gesagt, mit der Verlässlichkeit hat sie es nicht so), lässt sich dann aber doch zu einem "um die 2%" herab.
Damit gehen wir zu Excel und Excel zelebriert den Dreisatz und siehe: Wer jährlich 5.400 Euro an Ausschüttungen haben will, der braucht ein Depot von 270.000 Euro.
Hier schaltet sich jetzt der Jüngste ein: "Papa, von den 5.400 Euro gehören 26,375% dem Staat. Kapitalertragssteuer und so." Also zurück zu Excel: 5.400 Euro nach Steuern bedeutet 7.300 Euro vor Steuern und ein Depot von 367.000 Euro.
Das ist eine Abschätzung nach oben, denn

  1. Die ersten 801 Euro (rund 15%) sind steuerfrei. Wenn P. zusammen mit seiner Frau veranlagt wird, dann sind es sogar 1.602 Euro. Das bedeutet: Ein Kapitalstock von rund 340.000 Euro reicht.
  2. Wenn P.s persönlicher Steuersatz unterhalb von 26,375% liegt, dann werden auch die Kapitalerträge nur mit diesem Steuersatz belastet.

Letztlich - und da beißt die Maus keinen Faden ab - gilt: Entweder Regale einräumen oder 300.000 Euro im Depot haben.

Und wer jetzt kommt und mir vorrechnet: P. braucht keine 300.000 Euro, eine Viertelmillion reicht auch, hat das Prinzip nicht verstanden. Das hier ist eine grobe Abschätzung, die zwei Dinge zeigen soll

  1. Rentenanwartschaften, die jeden Monat hunderte von Euro auszahlen sind richtig wertvoll.
  2. Ein Depot, dass einen 450-Euro-Job schlägt ist richtig fett.

Das führt uns zu P.s Denkfehlern.

P.s Denkfehler

  • Erster Denkfehler: Es gibt kein sicheres ETF-Portfolio. Börse ist immer unsicher. Eine Halbierung ist immer drin. Das Wort Notgroschen hat hier die Bedeutung: In der Not werden Dir die Groschen fehlen.
  • Zweiter Denkfehler: Dividenden erhöhen das Risiko nicht. Beide Depotvarianten sind gleich risikoreich.

Ohne Kritik, nur als Feststellung - das ist eine Geisteshaltung, die typisch ist für Menschen, die ihr ganzes Leben in geregelten Verhältnissen verbracht haben.

"Das nun freie Kapital investiere ich sofort und dann geht es mit monatlichen Sparplänen in die selben ETFs weiter, so lange es geht."
"Ein Verzehr ist nicht geplant"

In meinen Augen eine halsbrecherische Aktion. Jemand, für den der Dotcom-Crash, die Subprime-Krise und der Corona-Crash nur Geschnatter in der Tagesschau waren, will jetzt mit Vollgas an die Börse?

"…bin ich gerade geschockt "aufgewacht".

Geschockter Aktivismus, das Patentrezept, um an der Börse garantiert auf die Nase zu fallen.

Wie unausgegoren das Ganze ist, zeigt P.s Wortwahl. Auf der einen Seite "wird es eng", auf der anderen Seite redet er von "freiem Kapital" und "kein Verzehr geplant".

Grundsätzlich gilt: Entweder es wird eng oder ich habe freies Kapital. Die eiserne Regel des Vermögensaufbaus lautet:

Liquidität schlägt Rendite.

Was soll P. tun?

An die Börse gehen und zwar

  1. Sofort. Möge der Lernprozess beginnen
  2. Mit einem ETF. Wer zwei Jahre vor der Rente mit der Börse anfängt, sorgt dafür, dass er alle 23 Industrie- und alle 26 Schwellenländer im Depot hat. Dafür reicht eine Zeile im Depot. Umgesetzt mit einem ETF auf den MSCI ACWI oder dem Vanguard FTSE All World. Individualgewichtungen werden sich bei den Zeiträumen und Summen nicht signifikant bemerkbar machen. Es wird nur komplexer, nicht lukrativer.
  3. Mit Summen, die weh tun, P. aber nicht ruinieren. Sonst kein Lernprozess.

Das P. jetzt mit seiner Last-Minute-Panik-Aktion noch irgendwie die fette Rendite macht, halte ich für ausgeschlossen. Jedenfalls nicht mit Brot&Butter-ETFs. Wer mit gut 60 noch Coverboy der Focus Money werden will, setzt besser auf Einzelaktien, Cryptos und andere Werte mit "Phantasie".

Warum dann überhaupt ein Börsenengagement?

Diversifikation - P. erschließt sich damit einen weiteren Einkommensstrom. Und weil Börse und Enkel jung halten. Beide bringen Chaos ins Leben. Gerade wir älteren Herrschaften schätzen Routinen manchmal zu sehr. Ab und an ein kleiner Tritt vors Schienenbein hält agil.

Als Vater kann P. dafür sorgen, dass seine Kinder seine Fehler nicht wiederholen. Man kann nur mit Skin in the Game glaubwürdig für die Aktie werben.
Und als Opa kann er die Depots der Enkel verwalten, bis diese 18 geworden sind.

Und die Rentenlücke?

Mein Rat an P. bezüglich der Rentenlücke: Prüfen Sie welche vermarktbaren Fähigkeiten Sie haben, die über "Regale einräumen" hinaus gehen und misten Sie die Ausgaben aus.
Die Börse machen Sie zu Ihrem persönlichen Barkeeper. Sie darf den Extra-Cocktail im Urlaub servieren. Aber einen substantiellen Beitrag zu meiner Altersvorsorge würde ich von diesem Hallodri nicht erwarten. Nicht bei dem Zeithorizont.

Fazit

Alles hat seine Zeit im Leben und wer zwei Jahre vor der Rente die Börse für sich entdeckt, sieht nur noch die Rücklichter des Renditezugs.
In den ersten zehn Jahren entscheidet die Sparleistung über den Vermögenszuwachs. Ab der zweiten Hälfte der dritten Dekade wird der Zinseszins dann großzügig und schmeißt nicht nur Pennies in den Pott.
Ausnahmen bestätigen die Regel. Und da uns die Ausnahmen in so leuchtenden Farben präsentiert werden, halten wir die Ausnahme für die Regel.

(awa)

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Kommentare

Joerg sagt am 20. Mai 2021

"Und wer jetzt kommt und mir vorrechnet: P. braucht keine 300.000 Euro, eine Viertelmillion reicht auch, hat das Prinzip nicht verstanden."

Puh, das war knapp, fast haette es mich als Nullchecker entlarvt, aber zum Glueck bleibt man mit DIESER Rechnung weit unter 250k ;-):

5.400 pa bedeutet, bei 4,0% Entnahme aus thes. ETF (zB Vanguard FTSE All-World UCITS ETF Accumulating) und 26,375% x 0,7 (Teilfreistellung!) = 18,463% NUR auf etwaige Kursgewinne, keineswegs auf die 5.400 Entnahme!
Da aber die Anlage in den naechsten zwei Jahren aufgebaut wird (also wenig Kursgewinne zu erwarten?) reicht der Sparerfreibetrag locker die ersten 10-15 Rentner-Jahre!
Also erstmal ohne Steuern rechnen:
Das Depot von Leser P. braucht "nur" 5.400/0,04 = 135.000 EUR gross sein!

Aber das ist blanke Theorie, denn Leser P. ist noch nicht so weit?! (versteht noch nicht: Rendite = Kursgewinn + Dividende) denn er legt sich fest: "Ein Verzehr[Anteilsverkauf?] ist nicht geplant"

Aber Veraenderung ist moeglich: sollte er und sein juengster Sohn vielleicht Georgs (finanzen-erklaert) und Olivers (frugalisten) Blog durchlesen/verinnerlichen?

LG Joerg

PS: "das Prinzip", dass Albert meint, lautet vermutlich: "wer sein Leben lang noch nicht an der Boerse war, wird schwerlich in nur zwei Jahren die ganze Lernkurve nachholen koennen ..."?
Bleibt nur: an die Kinder delegieren? Oder mit allen Hoehen und Tiefen die Fehler selber machen und moeglichst alt werden, damit sich Fehler wieder ausbuegeln koennen?


Finanzwesir sagt am 20. Mai 2021

Hallo Jörg,
aber auch 135.000 Euro muss man erst einmal haben. Und - gerade Anfänger - tun sich schwer, das Prinzip des Thesaurieres zu begreifen.
So ein Einnahmestrom ist doch was Feines...
Worum es mir geht: Ich möchte dieses Heilsvesprechen der Börse ein wenig entzaubern. Ja, wer langfristig, kostengünstig und breit diversifiziert unterwegs ist, kann Wohlstand fast nicht verhindern.
Aber sobald eines der drei Adjektive fehlt, ist es aus mit dem "Reich werden auf Schienen". Dann wird es volatil.

"wer sein Leben lang noch nicht an der Boerse war, wird schwerlich in nur zwei Jahren die ganze Lernkurve nachholen koennen ..."?

Genau darum geht es.
Gruß
Finanzwesir


Silke sagt am 21. Mai 2021

Lieber Finanzwesir,

Ich wünsche mir, ich könnte dir auch mal eine Frage stellen, bin aber leider (oder besser zum Glück) von der Sorte, die immer nicken und schmunzeln muss, wenn sie deine Antworten liest.
Trotzdem sind deine Texte für mich sehr wichtig, um auf dem Boden und bei der Stange zu bleiben. Darum bitte ich ganz herzlich, mach weiter damit die Leute zu ermahnen, mal langsam zu machen und die Dinge nicht zu verkomplizieren.

LG Silke


rubbeldiekatz sagt am 20. Mai 2021

Bei der Formulierung "bin aufgewacht" musste ich mir gerade den Wesir als Redner in einer dieser Methodistenkirchen vorstellen und wollte laut "Amen Bruder!" rufen :D
Schön geschrieben, viel Ehrlichkeit ohne Überheblichkeit - darum les ich so gern mit.
Ein wenig Weihwasser zum Schluss: Bei aller Bremsung wird hier ja auch gern angemerkt, dass mit 60 noch nicht aller Tage Abend ist. Wer sich gut hält kann die angepriesene zweite oder dritte Dekade erreichen und freut sich dennoch über, vielleicht kleinere Früchte. Aus kleinen sauren Äpfeln kann man ja auch leckeren Kuchen machen, oder Kompott, oder Obblwoi. ^^ Nicht entmutigen lassen. Andere merken mit 60, dass sie gerne nen Sohn gehabt hätten... Und Steuerberater könnte der auch gern sein.
Willkommen im Boot. Durch die Tür, den Gang entlang und jeder nur ein Kreuz.


Daniel sagt am 21. Mai 2021

In diesem Fall scheint mir die Frau/Lebenspartnerin eine große Rolle zu spielen.
Für P könnten freiwillige Einzahlungen in die gesetzliche Rente attraktiv sein. Allerdings sind diese Ansprüche weg, falls er vor seiner Partnerin verstirbt. Dann müsste geklärt sein, wie diese über den Monat kommt.

Ansonsten könnte man über den ARERO nachdenken. Diesen habe ich meinem Mitfünfziger Vater empfohlen. Die Renditeerwartung wird geringer sein, allerdings auch die Volatilität. Und als Sohn brauche ich nichts zu erben. Sein Geld soll er mal schön für sich verwenden. Ich hatte schon das Glück eine super Ausbildung genießen zu dürfen, die mir ein eigenständiges Leben ermöglicht.


IsaRos sagt am 21. Mai 2021

Hallo Albert,

bin ein großer Fan Deines Blogs und verlink immer gern auch mal im /r/finanzen darauf.

Mir ist klar was Du mit dem Post beabsichtigst, und stimme Deiner Schlußfolgerung auch voll zu, aber bei der 2% SWR hat es nicht nur Joerg gerissen. Es ist ja vor allem gar nicht nötig die Depotsumme künstlich zu verdoppeln, wir reden bei 450€ netto mtl. über ein deutlich 6-stelliges Depot. Mit 4% SWR landet man bei 137k Depot, mit 3% SWR bei 183k, mit 2% SWR bei 274k.

Aber eigentlich schreib ich nur wegen dem Typo in der Überschrift. :)


Philipp123 sagt am 21. Mai 2021

Ich sehe das ein bisschen anders als der Finanzwesir. Auch ein 60-jähriger muss noch für die Zukunft planen und mit 80 können sicherlich nur noch wenige ihr Humankapital zu Geld machen.
Spätestens da muss also das vorhandene Eigenheim zu Geld gemacht werden oder die Ausgaben werden soweit gesenkt, dass die Betriebsrenten und die staatliche Rente ausreicht.
Höhere Gesundheitskosten im Alter sind dabei sicher nicht hilfreich. Wir haben also 30 Jahre Anlagehorizont und zumindest für das höhe Alter keine Alternative zu passivem Einkommen. Zusätzlich gibt es für die letzten Jahre bis zur Rente und vielleicht in den ersten Rentenjahren, sofern ein Nebeneinkommen erzielt wird, einen Haushaltsüberschuss, der sonnvoll für die letzten zwei Dekaden angelegt werden sollte.
Ob das nun über zusätzliche Einzahlungen in die Betriebsrente, eine private Rentenversicherung, den Erwerb von Rentenpunkten oder über einen ETF-Sparplan erzielt wird, gilt es nun herauszufinden.
Dabei ist es ziemlich unerheblich, wie ein Depot im Detail aufgebaut ist, denn es gilt erst mal den groben Pfad abzuschreiten. Wer bisher gar keine Berührung zu Finanzthemen hatte, sollte dafür vielleicht auch professionelle Hilfe auf Honorarbasis in Abspruch nehmen.

Insgesamt aber ein super Blog-Beitrag, gerne mehr Leserfragen. Es ist immer sehr spannend an den "Problemen" von anderen teilzuhaben.


Jan sagt am 21. Mai 2021

"Und als Opa kann er die Depots der Enkel verwalten, bis diese 18 geworden sind." - Ich hoffe, es finden sich noch spannende Themen, denn viel mehr als einen Dauerauftrag einrichten, ist das ja bei Buy&Hold nicht. ;-)


Jessica sagt am 21. Mai 2021

Die Sprache ist grandios! Danke für die amüsante Pause zwischen der Arbeit.


Oliver sagt am 21. Mai 2021

Was ist mit dem Risiko der Fremdwährung US$ dieser ETF's? Da sind die zwei, drei Prozent p.a. auch schnell mal weg. Meine Heimwährung ist der CHF und ich zögere deshalb bei Anlagen in € und $.
Hat der Finanzwesir hierzu auch eine Meinung? Danke.


Thomas sagt am 21. Mai 2021

Wegen dieser und ähnlichen Antworten ist der Finanzwesir einer meiner Lieblingsblogs.

  1. Beleuchtung eines realistischen, lebensnahen und bespielhaften Problems.
  2. Klares Aufzeigen der Fakten im Ist-Zustand.
  3. Versuch der Lösung des Problems mit Darlegung der Möglichkeiten und Alternativen.
  4. Klare Schlussfolgerung.
  5. Handlungsanweisung als Vorschlag.
  6. Logisches und wertfreies Eingehen auf Leserkommentare mit ebenfalls verständlichen Antworten.

Und die von Jörg angeführten Webseiten von Georg (finanzen-erklärt) und Oliver Nöltings (frugalisten) sind ebenfalls meine zwei anderen "Lieblingsblogs".

Vor 3 Jahren tat sich bei mir eine leicht ähnliche Situation auf: Aufgrund des Blog, Podcast und Buches vom Finanzwesir habe ich meine ersten Schritte an die Börse gewagt. Allerdings waren meine Voraussetzungen vielleicht ein wenig anders, da Haushaltsbuch, ausreichende Rente (bzw. Versorgungswerk), Schuldenfreiheit, Haus und wohlhabende Gattin (32 Jahre Ehe) schon gegeben war. Neben Festgeldern dient das ETF-Depot (und Aktien-Depot) zum Ausgleich der Inflation und für zusätzliche Annehmlichkeiten als Ruheständler.

Ich habe dann meine durch den Finanzwesir angestoßene intensive Wissenserweiterung dazu genutzt, meinem Sohn und meiner Schwiegertochter dabei zu helfen, ebenfalls ein Depot mit einem ETF-Sparplan einzurichten. Wir besparen bzw. halten als Einmalanlage den Vanguard FTSE All-World (ACC) und zusätzlich einen ETF auf den NASDAQ 100 (ACC). Das sich daraus ergebene Klumpenrisiko (USA und Large Caps) nehmen wir in Kauf (ein familiäres Home Bias).

Nur muss ich gestehen, dass ich vom geschätzten Kollegen des Finanzwesirs, dem "Finanzrocker" Daniel Korth, dazu "verführt" wurde, auch in Einzelaktien zu investieren. Und ich muss konstatieren: Es macht einfach viel Spaß und ist mein neues Hobby geworden. Wobei Basisanlage die ETFs bleiben und die (möglichst langfristige) Anlage in Aktien (Depot mit 25-30 Stück über verschiedene Sektoren und Regionen) nach dem Prinzip "Keep It Simple" und "Buy and Hold and Check" erfolgt. Kein Daytrading und ohne Derivate oder Hebel.

Auf diesem Wege meinen herzlichen Dank lieber Herr Warnecke!


Alex sagt am 21. Mai 2021

Hallo,
So wie die Karten bei P liegen würde ich das Geld komplett in einen Dividenden ETF investieren. (Xtrackers Stoxx Global Select 100 Swap oder den von IShares Stoxx Global Select 100 Dividende) Sind meine Favoriten.

Klar haben die eine TER von 0,5%, aber wenn die „relativ“ zuverlässig 4-6% Dividende auszahlen lasse ich mir das gefallen.
Grüsse Alex


Finanzwsir sagt am 21. Mai 2021

An alle: Danke für das Lob.

@IsaRos

Diese 2% sind in etwa das, was meine ETFs so ausschütten. Ich habe nur mit der Ausschüttung gerechnet.
Warum?
Weil thesaurieren und dann verkaufen immer bedeutet: Ich verkaufe Substanz. Ich schlachte Stück für Stück die Gans, die goldene Eier legt. Wenn ich dagegen mein Leben mit den Ausschüttungen finanziere ist das wie die Früchte des Apfelbaums genießen.
Wächst alles wieder nach.
@Jörg: Behalte Dein Excel und Deine zweifelsfrei das Gegenteil beweisende Mathematik. Damit magst Du Typen wie den Kommer überzeugen, normale Menschen gehe Dir nicht auf den Leim. Selbst der dezente Hinweis, dass es mit den Apfelbäumen seit Evas Zeiten so eine Sache ist, führt nicht zur Erkenntnis.

Das habe ich seit 2014 in unzähligen Gesprächen und Mails gelernt. Ich halte mich da an den alten Börsianerspruch: "Willst Du Geld verdienen oder recht haben?"
Bei mir: "Willst Du recht haben oder die Leute aus dem Tagesgeld heraus bekommen."
Dazu ist mir jedes Mittel recht. Sogar der ausschüttende ETF.

@Daniel

"In diesem Fall scheint mir die Frau/Lebenspartnerin eine große Rolle zu spielen.

Keine Entscheidung ohne die beste Ehefrau von allen. Sonst wird der Börsengang ganz schnell zum Gang nach Canossa: "Schatz ich hab' das Tagesgeld geschrumpft..."

Finanzwesir


Philipp sagt am 21. Mai 2021

@Oliver: Natürlich hat der Finanzwesir eine Meinung dazu, die steht in https://www.finanzwesir.com/blog/geldanlage-etf-waehrungsabsicherung ;) (Mag auch noch woanders aufgegriffen sein, der Artikel bringt es aber eigentlich gut auf den Punkt).


MrCortez sagt am 21. Mai 2021

Noch als Denkanstoß für Herrn / Frau P. und den steueraffinen Nachwuchs: Wenn im Ruhestand neben den Kapitaleinkünften nicht mehr viel verdient wird, lohnt sich vielleicht die Günstigerprüfung. Was man auf sich auf jeden Fall anschauen sollte sind die Entnahmestrategien von Oliver: https://frugalisten.de/steuern-kapitalertraege-privatier-optimieren/

Und schlussendlich darf man die Kohle auch verbrauchen ab einem gewissen Alter, sonst beschwert sich der Sohnemann noch, dass er Erbschaftsteuer zahlen muss.


Richard sagt am 21. Mai 2021

'####Lebensplanung - so kann man es auch machen.
Ja, ich freue mich schon auf den Freitag und die Mail vom Finanzwesir. Ich kann auch nur sagen: Haushaltsbuch mit PLAN und IST - sehr gut, eine weitere Exceltabelle für das gesamte Leben mit nur den wichtigsten Attributen und Werten - aufgebaut als rollierende Planung.
Das reicht aus. Zwischendurch immer wieder hinterfragen und Adaptionen vornehmen. So entsteht ein Weg beim Gehen. Das mache ich seit Jahrzehnten früher auf Papier, später als es Rechner mit Excel gab - eben elektronisch.'


Andreas sagt am 22. Mai 2021

Hallo Albert,

die goldene Gans wird geschlachtet, wenn man Anteile der ETFs veräußert?! Über die Aufspaltung der Gesamtrendite in Kurswachstum und Ausschüttung hast nicht zuletzt du doch selbst schon so umfassend informiert, dass das mittlerweile zumindest deinem Publikum bekannt sein sollte, dass das so nicht stimmt.
Insofern ich mich in einem Rahmen von ca. 2,5 - 4% Gesamtentnahme (inkl. Ausschüttungen) pro Jahr bewege, dürfte unter normalen Umständen das Geld sehr wohl eben nicht sukzessive weniger werden, wie ja auch Georg auf Finanzen-erklaert immer wieder betont und erläutert.
Diese Aussage verwundert mich daher etwas - obwohl ich sonst ein riesiger Fan deiner Arbeit bin und dir unglaubliche viele Einsichten zu verdanken habe.
Nichts für ungut.


Michael F. sagt am 22. Mai 2021

@Oliver: Aktien-ETFs als Sachwerte können das Fremdwährungsrisiko auch reduzieren

Man investierst mit einem globalen Aktien-ETF in Firmen, die unter unterschiedlichen Währungen bilanzieren, und nicht in die Währungen selbst. Das hat auch dämpfende Wirkung bei Währungsschwankungen.

Beispiel: Währung A verliert im Vergleich zur erstarkenden Währung B an Wert.

Für Investoren mit Fokus auf Währung B werden die Aktienkurse jetzt günstiger erscheinen. Die damit steigende Aktiennachfrage dieser Investoren lässt die Kurse auch in Währung A steigen - egal, ob die einzelnen Firmen selbst nun in A, B oder in einer anderen Währung bilanzieren.

Oder der Lohneffekt: Firmen mit in Währung A fixierten Löhnen haben gegenüber Firmen mit Löhnen in Währung B einen Wettbewerbsvorteil, der sich in einem gestärkten Aktienkurs wiederspiegeln sollte.

Als Schweizer rechnest Du natürlich in CHF, und zwar ziemlich patriotisch mit einem steigenden CHF. Also siehst Du das Problem, dass die Aktienkurse internationaler Aktien von Deiner Warte aus sinken und Du Dir weniger Miete, Friseurbesuche usw. pro ETF-Anteil leisten kannst. Dafür werden Importgüter für Dich günstiger. Wieweit das für Dich unterm Strich sogar vorteilhaft sein kann hängt von Deinem persönlichen Warenkorb ab.

Außerdem drückt ein starker CHF durch die oben beschriebenen Effekte auch die Aktienkurse international tätiger schweizer Firmen, so dass diese für dich auch keine fremdwährungsrisikofreie Investitionsalternative wären!

Und was ist wenn der CHF-Kurs sinkt? Willst du Dir diese Chance entgehen lassen?


Georg sagt am 22. Mai 2021

Nur mit 2% Ausschüttungen zu kalkulieren ist sicherlich der mental einfachste Weg (Früchte des Apfelbaums), muss man sich aber auch erst mal leisten können. Für einen über 60-jährigen sind mit Kapitalverzehr aufgrund der verbleibenden Lebenserwartung 4% eine sichere Entnahmerate. Daraus würde dann eine Verdopplung des Budgets bei gegebenem Kapital resultieren.

Auf dem Blog von Georg gibt es hierzu diesen Artikel: Wenn Tote pleite gehen - ab 60 ist die 4%-Regel sicher


Peter sagt am 23. Mai 2021

Besten Dank! Endlich mal eine realistische Einschätzung. Ich stehe selber ca. 2 1/2 Jahre vor der Rente. Gesetzliche Rente brutto 4-stellig, netto vorr. nur 3-stellig. Meine erste Einzahlung in die Rentenkasse: Ende der 70er. Ich werde weit über 40 Jahre ins System eingezahlt haben. Die meiste Zeit Vollzeit, seit ein paar Jahren wg. Gesundheit nur noch Teilzeit (keine Chance auf Erwerbsminderungsrente) Als die sog. Rentenreformen mit voller Wucht kamen, hatte ich schon über 20 Jahre eingezahlt. Finanzbildung gab es früher nirgendwo. Es gab Sparbuch, Weltspartag, vermögenswirksame Leistungen und so ein Zeugs. Aber kein Internet, wo man sich schlau machen konnte. Ich mache immerhin schon seit Jahrzehnten Haushaltsbuch, habe meine Fixkosten im Laufe der Jahre drastisch senken können. Lifestyle-Inflation ist da ein prima Begriff, muss ich ja nicht zwingend mitmachen. Spart eine Menge Geld und Nerven. Mein Lebensstil ist jetzt so, dass ich mit der zu erwartenden Rente auskomme. Den kleinen Luxus im Alltag werde ich dann vorr. auch über Minijob finanzieren. Mit kleinerem Einkommen meine Ersparnisse an der Börse anlegen, wo ich die absehbar in ein paar Jahren brauche und ich nicht weiß, wie lange mein Arbeitgeber noch den Laden aufrecht erhalten kann, wäre völlig verrückt.


Dietmar sagt am 22. Mai 2021

Hi Albert, nur eine kleine Anmerkung von mir ... der Grundfreibetrag bei der Steuer beträgt im Moment 9.744 Euro ... d.h., im Prinzip sind die Einnahmen aus einer geringfügigen Beschäftigung steuerfrei, aber nur in soweit man mit seinen steuerpflichtigen Einnahmen insgesamt unter dem Grundfreibetrag bleibt ... was aber nichts an der Aussage deines Artikels ändert ... Daumen hoch! LG Didi


Finanzwesir sagt am 25. Mai 2021

Hallo Andreas,

"die goldene Gans wird geschlachtet, wenn man Anteile der ETFs veräußert?!"

Nein, wird sie nicht. Wie ich bereits schrieb: Die Mathematik ist zweifelsfrei. Aber meine lebenspraktische Erfahrung ist: Damit erreiche ich rund 30% der Menschen. Die anderen lassen es sich erklären und vorrechnen, nicken dann höflich mit dem Kopf und fragen nach einem Dividenden-ETF, weil man ja das Grundkapital erhalten muss um die Altersvorsorge nicht zu gefährden.
Ich habe es schlicht aufgegeben diesen Punkt zu vertiefen. Ich habe kein Interesse das Interesse meines Gegenübers mit solchen Petitessen zu verschleißen. Manche kommen selbst darauf: "Moment mal, und was ist mit den Kurssteigerungen..." andere sind bis an ihr Ende glückliche Dividendenjäger.
Ich will nur eine Bewegung aus dem Tagesgeld. Alles was da Friktion reinbringt stört.

@Georg

"Für einen über 60-jährigen sind mit Kapitalverzehr aufgrund der verbleibenden Lebenserwartung 4% eine sichere Entnahmerate."

Kannst Du das garantieren? Ich vermute nein ;-)
Auch hier gilt: Sterbetabellen und die darauf aufbauende Wahrscheinlichkeitsmathe sind viel zu abstrakt. Ob jemand sagt: "4%, damit kann ich leben" hängt nach meiner Erfahrung von zwei Kriterien ab

  1. Charakter dieses Menschen
  2. wie verlief sein Leben bisher

Ein robustes, rheinisches (et hätt noch immer jotjejange) Gemüt, dem bisher soweit das Meiste im Leben geglückt ist, wird mit der Unsicherheit besser zurechtkommen, als jemand der schon viel Schlechtes im Leben erlebt hat.
Das zeigen ja auch die Generationsstudien. Eine Generation, die in wirtschaftlich schlechten Zeiten ins Arbeitsleben startet ist deutlich vorsichtiger und eher börsenabgeneigt, als eine Generation, die in wirtschaftlich guten Zeiten mit dem Berufsleben beginnt.
Die Mathematik kann signalisieren: "Also, es wäre möglich." Ob das dann auch vom Kopf zum Herz geht: Da habe ich meine Zweifel. Der Wunsch nach einem Sicherheitspuffer ist sehr oft viel größer als es mathematisch notwendig wäre.
Was ich auch verstehe, denn wenn ich zu den 2,7% gehöre, die vor ihrem Tod pleite sind, dann nützt es mir nichts, wenn ich höre: "Aber Du bist nur eine Minderheit." Nee, bin ich nicht. Ich bin 100 Prozent ich und zu 100 Prozent betroffen.

@Dietmar
Danke für den Hinweis. Steuer und Rente, da habe ich keine Ahnung. Ich bin davon ausgegangen, dass P.s Einkünfte aus den drei Betriebsrenten mehr als 9.744 Euro pro Jahr betragen und deshalb die Kapitalerträge zu versteuern sind.
Aber wer mehr Ahnung hat melde sich in den Kommentaren ;-)

Gruß
Finanzwesir


Joerg sagt am 26. Mai 2021

Jetzt wird es spannend:

"Ich will nur eine Bewegung aus dem Tagesgeld. Alles was da Friktion reinbringt stört."

OK, aber ist nicht 'das Gute der Feind des Besseren'? Wenn Leute ohne Wille zur Verhaltensaenderung/Persoenlichkeitsbildung an die Boerse gehen, sind sie nach dem naechsten Crash boese auf dich und ziehen sich enttaeuscht zurueck?
Vielleicht doch so ein Warnschild am Eingang: "Ist Boerse zu stark, bist du zu schwach" (Fisherman's Friend Strong Men Run)?

"Ob jemand sagt: "4%, damit kann ich leben" hängt nach meiner Erfahrung von zwei Kriterien ab

1) Charakter dieses Menschen 2) wie verlief sein Leben bisher"

Hier kommen wir zum Pudels Kern. Was koennte hier noch fehlen?

Ist ueberhaupt jeder zum Boersianer(ETF-Anleger) geeignet? Wenn nein, was braeuchte er? Was ist mit der Dimension:

3) Bildung ist die Grundlage/Pflicht und 4) Verhaltensaenderung/Persoenlichkeitsentwicklung die Kuer?

Bildung allein wird kaum reichen? Ist es nicht eher eine erfahrungsgestaehlte Weiterentwicklung? Wer kann/will das, wer kann/will das nicht? 'Ooch, ich will doch nur einen halbwegs auskoemmlichen Lebensabend ... ("nicht arm Sterben" ist mE kein gutes Motto)'?

Haengt vielleicht alles zusammen? Bildungsferne - einfachere Jobs - weniger Anlagegeld - weniger Lebensplanung - weniger Verantwortung? Was sind die Faktoren, die letztlich unterscheiden, ob man mit selbstgemachter Altersvorsorge an der Boerse kompatibel ist, oder doch lieber einen Zwangssparplan beim Versicherungs-/Bankverkaeufer abschliesst (va aus Selbstschutz vor Prokrastination und Fehlhandlungen)?

Oder meinst du mit "1) Charakter dieses Menschen": ein grosser Teil der Bevoelkerung wird deshalb NIE kompatibel mit Boersenanlage sein? Deshalb doch einen Staatsfonds einfuehren (wie Schweden u.an.), um den mit do-it-yourself Produkten nicht erreichbaren 70% Anteil der dtsch Bevoelkerung doch noch iwie auf's Pferd zu helfen?

Evolution der Geldanlage:
nix Sparen < Tagesgeld < schlechte eigene Anlage (Hin&Her, Zocks) / Versich./Bank-Produkte mit Aktienanteilen < bessere eigene Anlage (Buy&Hold, kontinuierl. Sparraten)

Wie koennte sich ein Blog weiterentwickeln, um nicht nur fuer die kleine DIY-Zielgruppe sondern fuer einen groesseren Kreis greifbar zu werden (geht das ueberhaupt)?
Wie koennten die DIY-Anfaenger so gut wie moeglich gestaehlt/begleitet/gefoerdert werden, damit sie nicht unterwegs Quatsch machen (nur die Gebrauchsanweisung liefern - reicht nicht)?

Gibt es viell. auch ein "zu alt/zu spaet"? Weil zB Leser P. schlicht die Zeit fehlt, fuer die noetige Lernkurve und es existentiell-dramatischer ist mit viel Geld Quatsch zu machen als mit wenig Geld (Junger DIY-Anleger)?

LG Joerg


Renate sagt am 26. Mai 2021

Vielen lieben Dank für den schönen Artikel.

Ich denke für viele ist die Schwierigkeit mit den Kursschwankungen gerade am Anfang klar zu kommen:
Wir haben Anfang 2018 angefangen in ETFs zu investieren. Die erste Einmalanlage waren 3.000 Euro. Gleich nach einer oder zwei Wochen standen im Depot mehr als 10% Verlust. Mein Mann und ich waren ziemlich aufgeregt und überlegten, ob "cut your losses" nicht der richtige Ansatz für uns ist. In der Stadt hat er mir viele (sehr schöne) Handtaschen gezeigt, die ich mir für das verlorene Geld hätte kaufen können. Mit sehr zitternden Stimme habe ich erwidert, dass der Finanzwesir gesagt hat, dass einfaches "buy and hold" nach 10 / 15 Jahren eigentlich immer im Plus ist. (Ob ich selbst davon so überzeugt war...)
Für uns überraschend hat sich die Börse sehr viel schneller erholt und wir haben auf dem nächsten Höhepunkt wieder eine Einmalanlage getätigt ;-) (fyi Wir haben jetzt monatliche Sparpläne, denn im Timing sind wir nicht ganz so gut...). Ich glaube bei einem verlorenen Mittelklassewagen hätten wir nicht durchgehalten...
Davon zu lesen und selber im Risiko zu stehen, fühlt sich ganz anders an.

In 2020 hat uns der Börsencrash nicht so mitgenommen: Wenn wir eh alle sterben, wer interessiert sich da für Geld?

Viele Grüße
Renate


Reinsch sagt am 26. Mai 2021

Die Metapher mit der geschlachteten Gans, gefällten Bäumen etc. kann ich langsam nicht mehr hören.

Ich habe einen Depotwert X. Ob ich nun daraus Geld entnehme indem ich Anteile verkaufe oder die Anteile durch Ausschüttung weniger wert werden ist völlig wurst (wenn man die Steuer außen vor lässt).
Solange nicht mehr entnommen wird als nachwächst wird auch nicht irgendeine Substanz vernichtet.

Passender finde ich die Analogie zum Hefeteig. Der quillt und wächst schön vor sich hin. Wenn ich mir nun etwas Teig rausnehme um daraus ein leckeres Brötchen zu backen: Macht es einen Unterschied ob ich aus der Mitte der Schüssel greife oder vom Rand, der erst kürzlich vorgequollen ist?


Osito sagt am 26. Mai 2021

Hallo Albert,

wie immer ein schöner Artikel in Deinem Blog und noch viel schönere Kommentare.

Ich liebe diesen Blog und er hat mich wirklich inspiriert. Aber ich muss auch immer schmunzeln, wenn ich lese, dass neben deinem Mitten-im-Leben-Investor-Blog auch immer wieder die Frugalisten ins Spiel gebracht werden werden.

Persönlich kann ich den Sinn darin nicht erkennen. Ja, Sparen ist gut und schön, aber ich muss ja auch wissen, für was ich spare. Nur damit ich nicht mehr arbeiten gehen muss mit 40? Ach, nee ... laut Herrn Noelting ist die Rente mit 40 ja auch schon wieder passé. Ja, was denn jetzt?

Und wenn Kinder da sind, ist ja eh alles wieder anders. Das Leben ist verrückt, es macht verrückte Sachen und so recht kann man nichts planen. Aber genau das lieben wir doch alle am Leben ...

Ich habe eine andere Variante des Lebens gewählt ... jetzt mit kleiner Tochter habe ich meine Arbeitszeit reduziert, um möglichst viel Zeit mit ihr zu verbringen können. Ist wahrscheinlich auch irgendeine Form von Frugalismus. Wenn sie dann in die Pubertät kommt und Eltern per se doof sind, kann ich auch wieder Vollzeit arbeiten gehen. :-)

@Dietmar: bei der geringfügigen Beschäftigung wird die Lohnsteuer pauschaliert und hat mit dem persönlichen Steuersatz nichts zu tun, insofern juckt auch der Grundfreibetrag nicht.

Viele Grüße
Osito


Georg sagt am 26. Mai 2021

@ Albert

Eine Garantie gibt’s für gar nichts im Leben. Auch die Dividendenstrategie kann versagen. Ich bin aber grundsätzlich bei Dir und verstehe die mit einem aktiven Verkauf verbundenen Probleme. Wer es schafft sich dieser Ängste zu entledigen, der wird davon stark profitieren. Eine Möglichkeit wäre auch eine Hybrid-Variante: 3 bis 5 Jahre Bares in der Hinterhand, und vom Rest mit dem Risiko des Kapitalverzehrs (4%-Regel) entnehmen. Gelingt beinahe immer und fühlt sich nebenbei auch noch gut an.


Felix sagt am 27. Mai 2021

Hi Albert, wie immer eine schöne und unterhaltsame Story.
Über die Formulierung "bei Penny die Regale auffüllen? Das ist demütigend!" bin allerdings gestolpert. Bei uns im Dorf machen das viele junge Schüler und alte Damen gerne. Ist aber auch ein Rewe :)

Viele Grüße
Felix

Auf dem Blog von Felix gibt es hierzu diesen Artikel: Finanzblogroll


Niko sagt am 27. Mai 2021

Mir persönlich fehlt noch der Vergleich mit den milchgebenden Kühen, der ist zwar genauso falsch, wird auch immer wieder gerne genommen ;-)

Warum soll kein Kapital (egal ob Ausschüttung oder Verkauf, Geld ist Geld ist Geld) verzehrt werden? Möchte der Fragende möglichst viel vererben, oder was ist das Motiv dahinter? Der Sinn des Sparens ist doch, vom Ersparten leben zu können wenn es notwendig wird, meine ich, auf die Antwort bin ich gespannt.


Finanzwesir sagt am 27. Mai 2021

Hallo Jörg,

"Wenn Leute ohne Wille zur Verhaltensaenderung/Persoenlichkeitsbildung an die Boerse gehen,..."

Nun, wenn jemand einen kleinen Sparplan eröffnet und Börse mal ausprobiert, dann ist das doch die erste Verhaltensänderung. Dann hoffe ich, dass der Appetit mit dem Essen kommt und die Finanzbildung langsam einsickert. Man liest den Artikel über ETFs, den man sonst überblättert hat oder klickt auf Youtube dann doch mal auf das Video "Grüebn ETFs ja oder nein?".
Und prompt fangen die Alogs an einem mehr und mehr Finanzkram vor die Tür zu spülen.
Wie gesagt, dass ist meine Hoffnung. Es kann natürlich auch sein, dass es so ausgeht, wie Du es beschreibst.
Und ja: Börse ist nicht für jeden. Es gibt welche, die sind zu alt, zu arm oder zu ängstlich. Da kann man nichts machen.
So wie Du schreibst:

"Gibt es viell. auch ein "zu alt/zu spaet"?

Ja, gibt es!

Deshalb ja auch mein Ansatz: Ich mache ein Angebot und wer ein Stück des Weges mitgehen will, ist herzlich willkommen. Mehr kann ich nicht tun.

"Haengt vielleicht alles zusammen? Bildungsferne - einfachere Jobs - weniger Anlagegeld - weniger Lebensplanung - weniger Verantwortung?"
Definitiv. Deshalb sehe ich es auch als meine Aufgabe an meinem Umfeld zu vermitteln: "Größenwahn ist gut". Die meisten Menschen können mehr als sie sich zutrauen. Das Feedback bis jetzt ist positiv.

@Osito
Besser erst mal frugal starten und dann shoppen gehen als umgekehrt. ;-)
Ich kenne Oli ja. Er ist ein vernünftiger Typ, der einfach nur sagt: "Überlegt Euch für was ihr euer Geld ausgebt."
So eine gemäßigte Sicht bringt aber keine Klicks, also macht die Qualitätspresse flugs ein "Der Frugalist" daraus. Das klickt halt besser. Ohne Heizung bei Brot und Wasser in der Bude hocken und das Klopapier zweimal verwenden. Das klickt!
Zieh' einfach 40% von dem ab, was da geschrieben steht. Das ist mir bei meinem letzten Wiwo-Artikel auch so gegangen. Der Kollege mit dem ich gesprochen habe war ganz verständig, aber die Redakteurin hat die Aussagen dann noch mal "geschärft"...

@Renate
Na, dann waren die 3.000 € doch genau die richtige Summe. So groß, dass es Euch echt weh getan hat und so klein, dass Ihr durchgehalten habt.

"Für uns überraschend hat sich..."

Deshalb heißt es Börse. Wäre es nicht überraschend hieße es Tagesgeld ;-)

Mehr als 10% Verlust = irgendwas zwischen 300 € und 400 €. Vielleicht hilft es, dass nicht in Schuhe umzurechnen, sondern sich zu sagen: "Was wäre, wenn wir diese Summe an die SOS Kinderdörfer gespendet hätten? Wären wir dann "ärmer"?" Das Geld wäre dann auch ohne Gegenleistung weg.

@Reinsch: Ok, probier ich's mal mit der Hefe-Metapher.

@Georg

"Wer es schafft sich dieser Ängste zu entledigen, der wird davon stark profitieren."

Das ist doch ein schöner Spruch für Deine nächste Insta-Kachel. INstagram, das sind grimmige Muskelmänner, wenig bekleidete zappelnde Frauen oder Motivationssprüche.
Muss das Ganze nur in den Imperativ setzen: Entledige Dich Deiner Ängste und Du wirst davon profitieren" Dann noch das 100-Symbol, eine Rakete und ein Diamant als Verzierung dazu und schon fliegen vor lauter Motivation die Löcher aus dem Käse.

@Felix
Für Schüler ok und eure alten Damen sind zäh. Haben die kein Rücken? ;-)
Aber nach einem langen Arbeitsleben sollte die Rente eigentlich reichen. Oder man macht etwas Qualifiziertes. Es gibt Menschen, denen bleibt keine andere Wahl. Ich sehe nicht auf sie herab, trotzdem wünsche ich mir, das es nicht nötig wäre.

@Niko

"Der Sinn des Sparens ist doch, vom Ersparten leben zu können wenn es notwendig wird, meine ich."

Ja, aber es soll auch immer eine Handbreit Geld unterm Kiel sein. Dieser Sicherheitswunsch führt oft dazu, dass es die Hand von King Kong sein muss.

Gruß
Finanzwesir


Presskoppweck sagt am 27. Mai 2021

@Niko

Das hat der Wesir doch oben schon bezüglich der geschlachteten Gans beschrieben:

"Nein, wird sie nicht. Wie ich bereits schrieb: Die Mathematik ist zweifelsfrei. Aber meine lebenspraktische Erfahrung ist: Damit erreiche ich rund 30% der Menschen. Die anderen lassen es sich erklären und vorrechnen, nicken dann höflich mit dem Kopf und fragen nach einem Dividenden-ETF, weil man ja das Grundkapital erhalten muss um die Altersvorsorge nicht zu gefährden.
Ich habe es schlicht aufgegeben diesen Punkt zu vertiefen. Ich habe kein Interesse das Interesse meines Gegenübers mit solchen Petitessen zu verschleißen. "


Nostradamus sagt am 29. Mai 2021

@Osito:

"Persönlich kann ich den Sinn darin nicht erkennen. Ja, Sparen ist gut und schön, aber ich muss ja auch wissen, für was ich spare. Nur damit ich nicht mehr arbeiten gehen muss mit 40? Ach, nee ... laut Herrn Noelting ist die Rente mit 40 ja auch schon wieder passé. Ja, was denn jetzt?"

Im Frugalismus geht's darum, Freiheiten zu gewinnen. Wenn man nicht mehr arbeiten müsste, weil man auf das Geld nicht mehr angewiesen ist, dann ist das schon eine ganz entspannte Situation.
Es heißt nicht, dass man sofort alles hinschmeißt und seinen Lebtag auf der nächstbesten Karibikinseln verbringt, aber man kann dadurch sehr flexibel auf die Unwägbarkeiten des Lebens reagieren.
Bei Oliver ist es ja gerade so, dass er (anscheinend genau wie du) sich die Freiheit nimmt, nur noch in Teilzeit zu arbeiten, weil er sich gerade mehr um seine Tochter kümmern will. Dass das geht, ist hier auch dem Frugalismus zu verdanken, denn andere müssen halt trotz Kind zusehen wie das Geld jeden Monat reinkommt, weil sie einfach mehr laufende Ausgaben haben und/oder in dem Alter noch nicht so viel Vermögen aufgebaut haben.


Bergfex sagt am 02. Juni 2021

@Finanzwesir

Schreib doch mal bitte was zum derzeitigen Dauerthema Inflation.


Michael sagt am 13. Juni 2021

Ich wollte kurz Einspruch erheben, aber dann habe ich gesehen, dass Jörg das gleiche geschrieben hat, wie ich schreiben wollte, nur (zugegebenermaßen) viel schöner, als ich es geschrieben hätte.

Es gibt übrigens Artikel, in denen nachgerechnet wurde, dass 4% Entnahme p.a. sogar das Vermögen noch steigen lassen.

Ich will jetzt mal aus Spaß schauen was passiert, wenn man jedes Quartal 1% vom Depotwert entnimmt. Ich habe dafür ein virtuelles Musterdepot angelegt. In 5 Jahren bin ich klüger :-) Oder in 10 Jahren .. Auf jeden Fall noch vor meiner Rente ..


Finanzwesir sagt am 15. Juni 2021

Hallo Michael,

"Es gibt übrigens Artikel, in denen nachgerechnet wurde, dass 4% Entnahme p.a. sogar das Vermögen noch steigen lassen.

Das glaube ich nicht. Was ich dagegen gerne glauben will: Das es Artikel gibt, die sagen: Bis jetzt hat das immer geklappt mit den vier Prozent. Es gab sogar Szenarien, bei denen das Vermögen gestiegen ist, obwohl regelmäßig vier Prozent entnommen wurden.

Diese Berechnungen sind für mich die Pixel nicht wert, von denen sie dargestellt werden. Die Zukunft ist prinzipiell unsicher. Das einzige, was ich aus solchen Berechnungen herauslese: Es ist nicht komplett verrückt zu glauben, man würde damit durchkommen.
Es kann klappen, muss aber nicht. Und wenn es nicht klappt, sind die im Vorteil, die nicht ihre ganze Unabhängigkeit aufgegeben haben und noch fähig sind selbst Geld zu verdienen.

Gruß
Finanzwesir


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