29. September 2015


Das große Missverständnis: ETFs sind nicht Buy-and-hold

Aufhänger für diesen Artikel:

  1. Eine Leser-Mail, die mich vor einiger Zeit erreichte. Leser B. wollte wissen, warum die ETFs im Rahmen der letzten Kursrückgänge Milliarden-Abflüsse hinnehmen mussten.
  2. Der Morningstar-Artikel "Wenn Dachfondsmanager passive Investments vorziehen".

Manchmal hilft es, wenn man ein Akronym ausschreibt. ETF steht für Exchange Traded Funds, also börsengehandelter Fonds.
ETFs sind viel aktienähnlicher als klassische Fonds.

  • Klassischer Fonds: Die Fondsgesellschaft stellt einmal am Tag einen Kurs. Anteile kauft man direkt von der Fondsgesellschaft und gibt sie dort auch wieder zurück. Früher machte man das per Brief: "Sehr geehrte Damen und Herrn des Templeton Funds, ich möchte hiermit x Anteile zurückgeben …" Das war Realtime in Slow-Motion.
  • ETF: Verhält sich wie eine Aktie.

ETFs sind etwas für Gewerbliche. Gerd Kommer schätzt in der neusten Ausgabe seines Buches "Souverän investieren" den Anteil der privaten Buy-and-hold-Privatanleger weltweit auf 5 % des ETF-Marktes.
Das bedeutet: Packen Sie Ihre Paranoia wieder ein. Niemand zockt Sie ab. Im ETF-Business sind wir Privatanleger ein Rundungsfehler und deshalb nicht abzockenswert.

Wie nutzen Gewerbliche die ETFs?

Firmen wie MSCI oder STOXX bauen Indizes nach den Wünschen der Kapitalanlagegesellschaften wie Blackrock oder der Deutschen Bank. Dachfonds-Manager, Pensionskassen und andere institutionelle Anleger nutzen die ETFs als Fertigbausteine, um ihre aktive Anlagestrategie umzusetzen.
Wer Brasilien als neuen Outperformer sieht, kauft sich nicht mehr mühsam einen Haufen Samba-Aktien ins Depot, sondern ordert einen ETF auf den MSCI Brasilien und ist fertig.
Wie beim Roulette. Sie spielen

  • Plein: Ein Chip auf eine Zahl, entspricht einer Einzelaktie. Bei Gewinn schiebt der Croupier 36 Chips rüber.
  • Carre: Sie setzen auf vier im Nummernfeld angrenzende Zahlen, entspricht dem ETF. Bei Gewinn gibt‘s 9 Chips. Klar, denn der ETF bringt nur die Marktperformance. Aber dafür ist die Gewinnchance auch höher.

Die Institutionellen schätzen drei Dinge am ETF.

  1. Die Qualität des Index. Natürlich gibt es bei der Gestaltung des Index einen gewissen Spielraum, aber das zugrunde liegende Framework gibt die Grenzen vor.
  2. Die geringen Kosten.
  3. Die Liquidität. Wer eine aktive Anlagestrategie verfolgt, muss schnell kaufen und verkaufen können.

Deshalb die Milliarden-Abflüsse, die Leser B. in seiner Mail ansprach.

Was schätzen Privatanleger an ETFs?

Wir Privatanleger haben das Anlagevehikel ETF eigentlich gekapert. Da uns ein paar Nullen auf dem Konto fehlen, kriegen wir das mit der Diversifikation über einen bunten Strauß einzelner Aktien nicht hin. Mit genügend Geld kann ich mir den MSCI ACWI selbst zusammenkaufen. Ich zahle keine Gebühren und muss mich nicht mit Risiken wie der Wertpapierleihe herumschlagen.
Aber da ich das Geld nicht habe, brauchen ich eine ‒ möglichst billige ‒ Krücke. Das sind die ETFs.
An ihnen schätzen ich ‒ wie die Gewerblichen ‒ die Diversifikation und vor allem die geringen Kosten. Das Feature Liquidität nutze ich aber bewusst nur sehr sparsam. Deshalb sind für viele Privatanleger ETFs das gleiche wie "passive Geldanlage". Das stimmt aber nicht.

ETF ist kein Synonym für Buy-and-hold

Man kann mit ETFs Buy-and-hold betreiben, man muss es aber nicht. Im Gegenteil, ETFs eignen sich hervorragend dazu, eine aktive Anlagestrategie umzusetzen. Deshalb gibt es ja auch die ganzen Sektoren-, Länder- und Smart-Beta-ETFs.
Wenn ETFs tatsächlich ein Buy-and-hold-Vehikel wären, bräuchte man nur die folgenden sechs plus zwei Indizes

Die Basis

  1. ACWI
  2. World
  3. Wahlweise USA oder Nordamerika
  4. Europa
  5. Asien / Pazifik
  6. Schwellenländer

Mögliche Zusätze

  1. Small Cap
  2. Value

Damit lässt sich einwandfreies Buy-and-hold betreiben, aber keine aktive Anlagestrategie.
Da sich aber 95 % des ETF-Marktes in institutioneller Hand befinden, dominieren die aktiven Anlagestrategien, denn ein Fonds-Manager wird nicht fürs Nichtstun bezahlt. Also tut er was.
Wundern Sie sich nicht, wenn Sie wieder lesen:

  • "ETFs freuen sich über Mittelzuflüsse in ungeahnter Höhe" oder
  • "ETFs leiden unter Mittelabflüssen in ungeahnter Höhe".

Das ist die übliche Börsenhysterie, die auch vor ETFs nicht haltmacht.

Fazit

ETFs eignen sich hervorragend für eine passive Buy-and-hold-Strategie, obwohl mit ihnen auch wild gehandelt wird.

Zum Weiterlesen

Was Fondsmanagern wirklich wichtig ist

(awa)

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Abgelegt unter Strategie, Geldanlage, ETF, Buy and hold, passiv



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Kommentare

Marco sagt am 29. September 2015

Hallo Finanzwesir,

ich kann mir vorstellen, dass von den wenigen Privatanlegern, die in ETFs investieren, sogar noch eine Vielzahl mit diesen handelt.

Dass ein ETF nicht automatisch nicht für Buy-and-hold steht, sollte klar sein. Genauso wenig bedeutet eine Beteiligung in Form von Einzelaktien Buy-and-hold, auch wenn meines Erachtens die Beteiligung und nicht die Spekulation auf den Börsenwert an erster Stelle stehen sollte. Offenbar ein hartnäckiges Missverständnis, welches du, bezogen auf die ETFs, sehr gut klargestellt hast.

Und wie du richtig erklärst, können die meisten institutionellen Anleger gar kein Buy-and-hold betreiben, da ihnen das durch ihre Arbeitsanweisungen bzw. Regelungen gar nicht gestattet ist.

Das ist einer der großen Vorteile von Privatanlegern. Wir dürfen jede Schwächephase von Märkten (ETFs) und Unternehmen (Einzelwerte) aussitzen. Wir müssen keine Benchmark schlagen.


C. Fischer sagt am 30. September 2015

Ja, und noch was:
ETFs sind sehr liquide. Der Spread ist klein und der TER niedrig. Sie sind vom heimischen PC bis 20.00 Uhr per Mausklick handelbar. Das ist wichtig, denn m.E. leben wir in einer Zeit, in der man "intelligence buy and hold" selbst praktizieren sollte. Das heisst man muss sich selbst über den Kapitalmarkt ständig einiger Maßen informieren, wo eventuell langfristige Trends liegen.
Die Politik der Notenbanken beeinflusst die Börsenkurse! Das war früher nicht so stark der Fall. Niedrige Zinse treiben den Aktienkurs hoch. Im Kontext zur Wirtschaftsleistung ist zuviel Geld an der Börse. Man sollte gezielt ETFs kaufen und verkaufen, wenn wie jetzt die überteuerten Kurse gefallen sind, die eben durch die enorme Geldschwemme entstanden sind. Das Verständnis dieser Zusammenhänge muss man sich aber selbst erarbeiten. Einfach mal ETFs kaufen und sich nicht mehr ums Depot kümmern langt m.E. nicht mehr aus.
Zur Zeit deutet alles daraufhin das der Dax noch weiter absinkt. Also dementsprechend handeln!
Ist ein Fond nach einer langen Hausse gut gelaufen, kann er auch mal verkauft werden.
Grundlegend bin ich aber auch der Meinung das die Börse langfistig gemittelt und anualisiert (Anlagehorizont: 15 Jahre und mehr) immer hoch läuft und sich buy and hold auszahlt.
Gründe: Technischer Fortschritt,Erfindergeist, menschliche Gier, Billige Rohstoffe, 1.000.000.000 Chinesen, Ausbau der Umwelttechnologie, Elektroautos, unterentwickelte Märkte in Asien und Marskolonisierung.


Rudi Ratlos sagt am 30. September 2015

@C.Fischer
Was für ein "Fond" denn genau? Gemüse- oder Rinderfond?
Wieso hat man dann die ETFs nicht im April zum All-Time-High verkauft? Wäre doch deutlich besser gewesen.


Dummerchen sagt am 30. September 2015

@C. Fischer: Ja, was denn nun?
Aktiv:

  • Sich ständig informieren,
  • mit Market-Timing rein und raus aus dem Markt,
  • "dieses Mal ist alles anders" (Notenbanken)
  • "Einfach mal ETFs kaufen und sich nicht mehr ums Depot kümmern langt m.E. nicht mehr aus."

oder Passiv:

"Grundlegend bin ich aber auch der Meinung das die Börse langfistig gemittelt und anualisiert (Anlagehorizont: 15 Jahre und mehr) immer hoch läuft und sich buy and hold auszahlt."

["1, 2 oder 3"-Musik an]
Du musst Dich entscheiden, zwei Felder sind frei...
["1, 2 oder 3"-Musik aus]


Finanzwesir sagt am 30. September 2015

Hallo Dummerchen,
faszinierend, was für Serien Du kennst und ein gutes Stilmittel obendrein.
Solange Du nicht die Walküren Blei vom Himmel regnen läßt, will ich´s zufrieden sein. ;-)

Apokalyptische Grüße vom
Finanzwesir


Dummerchen sagt am 30. September 2015

Hallo Finanzwesir,
ja, sorry. Es ist mit mir durch gegangen. Irgendwie inspirieren mich Deine Leser zu solch komischen Musiken...
Bei den Walküren kannst Du unbesorgt sein. Opern sind mir zu schwere Kost. Ein "Tatt tada daaaa daaaa" wirst Du also nicht von mir hier hören ;-).

Unmusikalische Grüße vom
Dummerchen


Salva sagt am 06. Oktober 2015

Hey Finanzwesir,

diese Frage hat mir auch schon ein Leser gestellt, da ich ja eine ETF Strategie verfolge im Sinne von Buy-and-Hold. Ich passe einmal im Jahr mein Risiko an oder ändere ein paar positionen, mehr nicht.

Trotzdem denke ich auch das sich ETFs auch gut zum aktiven Handeln eigenen, eben aus den Gründen die schon genannt wurden. Ich mache das auch mit einem kleinen Teil von meinem Kapital und nutze dafür gehebelte ETFs die ich kurzfristig halte.

Ein - und Ausstiege generiere ich dafür nach Markttechnik. Ich versuche also kurzfristige Trends zu handeln... das funktioniert mal besser mal schlechter, aber die letzten 2 Jahre habe ich den Markt schlagen können.

Gruß
Salva

Auf dem Blog von Salva gibt es hierzu diesen Artikel: Finanztraum


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