26. Oktober 2020


Scalable - was ist im Corona-Crash passiert? - Der Finanzwesir rockt, Folge 97

Unser zweites Corona-Interview. Wir fragen Erik Podzuweit, einen der Gründer des Robo Advisors Scalable: "Wieso ist die Performance in der Corona-Zeit so eingebrochen?"
Los geht’s mit einer kurzen Vorstellung.
Dann wollen wir wissen: Wie kam es damals zu der Idee, einen Robo Advisor zu gründen?
Im Gegensatz zur klassischen Kategorisierung konservativ, ausgewogen, chancenorientiert quantifiziert Scalable die Risikoneigung über das "Value at Risk"-Konzept.
Wir bitten Herrn Podzuweit uns dieses Konzept grundsätzlich zu erläutern und fragen dann

  • Warum hat Scalable sich für diese Art der Risikomodellierung entschieden?
  • Was sind die Vorteile?
  • Was sind die Grenzen von Value at Risk (VaR)

Bei der Vorbereitungsrecherche haben wir im Scalable-Blog folgendes gelesen

"Kommen Börsencrashs aus heiterem Himmel? Nicht unbedingt.
So mancher Kurssturz kündigt sich an."
Quelle

Mit anderen Worten: Scalable hat einen Seismographen, der Volatiltätsschwankungen misst. So kann der Robo den Aktienanteil reduzieren, bevor die Kurse crashen. Ist das nicht die sprichwörtliche Glaskugel?
Das Verfahren mag wissenschaftlich fundiert sein. Aber in der Corona-Krise war Scalable das Schlusslicht was die Performance anging. Und auch davor war ein simples Do-It-yourself-Depot mit ein paar ETFs oft renditestärker. Wissenschaft ist gut, aber entscheidend ist auf’m Parkett.
Wir beziehen uns bei diesen Zahlen auf das Echtgeld-Depot von Brokervergleich.

  • Was ist da passiert? Was waren die Gründe für diese schlechte Performance?
  • Für uns als Außenstehenden sieht das sehr nach prozyklischem Verhalten aus.
  • Das System war zu träge.Die Umschichtung kam zu spät. Bei Tiefstständen raus aus der Aktie. Und im Aufschwung hat der Algorithmus die Anleihen nicht schnell genug zurückgetauscht. Stures Buy&Hold-Aussitzen wäre womöglich erfolgreicher gewesen.
  • In Bezug auf die Umschichtung: Scalable schichtet recht oft um, ist das nicht sehr teuer für mich als Anleger?

Die Frage aller Fragen

Was hat Scalable daraus gelernt? Was wird in Zukunft beim Riskomanagement anders gemacht?

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Medienempfehlung von Erik Podzuweit

Aus dem Internet

Bücher

Expected Returns: An Investor’s Guide to Harvesting Market Rewards von Antti Ilmanen* Der Allesverkäufer: Jeff Bezos und das Imperium von Amazon von Brad Stone* Wall Street Poker von Michael Lewis*
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Kommentare

ChrisS sagt am 26. Oktober 2020

Schon irgendwie lustig, vor zwei Wochen war Fairr-Riester beim Gespräch, jetzt ist Scalable Capital dran, also beides Firmen die beim Corona-Crash keine gute Figur gemacht haben und sich nun vor den Kunden rechtfertigen müssen. Haben sich die Termine nur zufällig so ergeben / waren schon vorher länger geplant, oder sind sie grad einfach im Rahmen einer notwendigen Charme-Offensive / Büßerganges eher bereit proaktiv mit einem zu reden? Na wie dem auch sei, egal was nun der Grund ist warum man sie rangekriegt hat, beschwer ich mich nicht denn interessante Gäste sind sicher und im Gegensatz zu Schönwetterphasen wo alles gut läuft und meist einfach nur Werbegebimmel rauskommt sind ja gerade die Gespräche in schwierigen Phasen oft die ehrlicheren und aufschlussreicheren. ;-)

Beim Zuhören fand ich besonders spannend wie sich vieles von den Aussagen von Scalable mit dem deckt, was ich schon vor ein paar Monaten in meiner etwas längeren Analyse der (eher schlechten) Performance von Robos allgemein und der (besonders schlechten) Performance von Scalable insbesondere, also langfristig ggü. dem einfachen Selbstmach-Benchmark, und kurzfristig eben ggü. des ungewöhnlichen Corona-V-Knickes, bereits so geschrieben hatte. Da ich ja auch nur ein außenstehender Laie bin, ist es schon interessant, das auch nochmal "offiziell" bestätigt zu sehen. Um also nicht das wesentliche nochmal unnötig wiederholen zu müssen (z.B. wie funktioniert eigentlich die Scalable-Strategie genau, und daraus abgeleitet, was war an der Situation Corona-Knick so speziell dass sie dort besonders "versagt" hat? etc.), würde ich dahingehend Interessierte ja gerne meine Analyse zur Lektüre empfehlen , in der das ganze schon "gewohnt" lang und breit auskommentiert wurde. :-D


Sebastian sagt am 28. Oktober 2020

@ChrisS:
Danke für den Hinweis auf den Beitrag. Sehr lesenswert und schön geschrieben.


Marius sagt am 28. Oktober 2020

In Minute 29:20 behauptet er, dass wenn man einmal im Lotto gewonnen hat die Wahrscheinlichkeit nochmals zu gewinnen niedriger ist als wenn man noch nicht gewonnen hatte.

Ich würde mal sagen, dass die Wahrscheinlichkeit im Lotto zu gewinnen immer gleich hoch bzw. niedrig ist.


Werner sagt am 29. Oktober 2020

VAR welche Datengrundlage? S&P 500 letzte 70 Jahre? Da gäbe es ja genügend Krisen, die in den VAR einfließen.


Tulpenmanie sagt am 30. Oktober 2020

@Marius
Darüber bin ich auch gestolpert. Die Wahrscheinlichkeit P im Lotto zu gewinnen ist unabhängig davon, ob ich schon mal gewonnen habe. Nur die vorwärtsgerichtete Wahrscheinlichkeit zwei mal im Lotto zu gewinnen ist P*P, also deutlich geringer. Gewinnspiele sind eben statistisch voneinander unabhängig. Die Wahrscheinlichkeit nach einer gewürfelten 6 noch eine zu würfeln ist schließlich auch 1/6, denn der Würfel weiß nichts vom vorherigen Wurf.


ETF.at sagt am 31. Oktober 2020

Aus meiner Sicht führt für Anleger, die die Kosten im Blick haben, kein Weg vorbei am klassischen „Buy & Hold“-Ansatz mit einem eigenen Depot.
Laut Postcast setzen die meisten Robos, im Gegensatz zu SC, ja auch auf ein ähnliches B&H-Konzept. Die von Herrn Podzuweit angesprochene Ausnutzung von Steuervorteilen, ist für die meisten SC Anleger wohl aktuell auch nur ein schwacher Trost. Robo-Advisor gehen auf die Rendite und wenn der Algorithmus dann noch Schwächen hat, hat man den Salat bzw. die Minderrendite.

Wer möchte, kann das gerne mal nachrechnen:

https://etf.at/rechner/etf-sparplan/

Viele Grüße
ETF.at


Mannigfalter sagt am 31. Oktober 2020

Ja, der Herr ist natürlich bemüht und kann reden (u.a. sonst wäre er auch nicht da wo er ist).
Für mich passt das alles nicht zusammen.
Warum verwendet man ein Risikomodell, das eigentlich für sehr kurzfristige Anlagen im Bankenbereich entwickelt wurde?
Da wird einerseits gesagt, dass Verluste zur Abschöpfung der Risikoprämie dazugehören und auszuhalten sind, andererseits sollen diese aber auf ein voreingestelltes "Wohlfühlmaß" beschränkt werden. Dass das auch mal nach hinten losgehen kann, hat man ja gesehen.
Und jetzt wird als Konsequenz die Quote an risikoreichen Anlagen beschränkt, um die (kommenden?) V-Formationen abzudämpfen? Schön, meine Prognose in völliger Unwissenheit: Die Rendite wird langfristig deutlich schlechter werden, ein derartiges V sehen wir lange nicht mehr, da es nun jeder kennt und entsprechend anders bzw. angepasst agieren wird.


Markus sagt am 01. November 2020

Mir gings auch so. Bin auch über Podzuweits-Lotto-Wahrscheinlichkeiten gestolpert. Aber hey, wir Geldanleger beschäftigen uns sehr stark mit Mathematik, Warscheinlichkeiten und formaler Logik - dieser Punkt in unserer Wahrnehmung ist stark geschärft.

Für einen CEO sind andere Dinge wichtig (Verkaufen, Geschichten erzählen, Überzeugen). Das ist nicht meine Welt. Das kann der Podzuweit sicher viel besser.


ChrisS sagt am 01. November 2020

Re: das mit den Lotto-Wahrscheinlichkeiten etc., ja solcherlei Fehlvorstellungen sind allgemein schon so verbreitet, dass es dafür auch schon eigene Begriffe gibt, Gambler's Fallacy bzw. auf deutsch Spielerfehlschluss .

Also wenn man z.B. glaubt, jetzt wurde schon solange keine Sechs mehr gewürfelt, jetzt muss der nächste Wurf doch mal eine Sechs werden, bzw. allgemeiner formuliert, ein bestimmtes zufälliges Ereignis wird umso wahrscheinlicher, je länger es noch nicht aufgetreten ist. Bzw. die Umkehrung davon, wie jetzt z.B. hier - wenn dann ein bestimmtes Ereignis mal eingetreten ist, und man denkt deswegen, das macht es nun wahrscheinlicher dass es nicht bald schon wieder passiert sondern man dadurch jetzt erstmal eine zeit lang wieder etwas "Ruhe" hat.

Wir unterstellen dem hochstudierten und finanzmarkterfahrenen Herrn mal gnädigerweise, dass es sich hier also eher nur um einen schusseligen Versprecher gehandelt hat anstatt ein echtes Missverständnis das eigentlich schon in jedem Stochastik-Grundkurs geklärt würde.

@ ETFat

Das mit dem "Ausnutzen von Steuervorteilen" (konkret eigentlich ja auch "nur", entsprechende automatisierte Gewinn-Anteilsverkäufe und -Rückkäufe, um evtl. vorhandenen SFB vollzumachen) ist auch längst kein Alleinstellungsmerkmal, sondern damit werben auch einige andere Robos schon.

@ Mannigfalter

"Und jetzt wird als Konsequenz die Quote an risikoreichen Anlagen beschränkt, um die (kommenden?) V-Formationen abzudämpfen?"

Nein, nicht nur die Maximalquote an risikoreichen Anlagen wird etwas mehr gedeckelt als zuvor, sondern im Gegenzug auch der Minimalanteil erhöht (bzw. überhaupt erst einer eingeführt). Dazu der entsprechende Blogpost.

"Wir optimieren die Bandbreiten, innerhalb derer sich die Gewichte der risikoreichen Anlageklassen wie Aktien, Immobilien und Rohstoffe bewegen sollen. Das bedeutet: Das Modell wird die Gewichte künftig tendenziell weniger weit nach oben und unten aussteuern. Ein Beispiel: In einem VaR-20%-Portfolio konnte der Aktienanteil (einschließlich Immobilienaktien) bisher zwischen null und 100 Prozent schwanken. Nach der Anpassung streben wir ein Zielgewicht in einer Spanne zwischen etwa 35 und 70 Prozent an. Weiterhin gilt: Durch Marktbewegungen, Einzahlungen oder Auszahlungen kann das Portfoliogewicht zeitweise auch von seinem Zielgewicht abweichen."

Wie ich bereits in meiner oben verlinkten längeren Analyse dazu am Ende gesagt hatte, werden hier also nun die Allokationsbandbreiten des Algos etwas "kastriert", bzw. man nähert sich zumindest teilweise etwas dem statischen B&H wieder an, indem man die Akten-Quote nicht mehr vollkommen frei zwischen 0 und 100 % schwanken lässt (invers dazu die Anleihenquote), sondern auf eine Min-Max Spanne z.B. hier für diese Risikokategorie von 35 - 70 begrenzt.
(mathematisch kann man sich das ein bisschen auch so vorstellen, als hätte man so jetzt zwei Portfolien parallel gleichzeitig am laufen; ein festes 50/50 B&H Depot und ein dynamisches Depot indem die Quoten von 0 bis 100 schwanken können. Aggregiert auf Gesamtportfolioebene zusammen ergibt das dann im Durchschnitt auch solcherlei Min-Max Assetklassengrenzen).

Warum das ganze? Nächster Absatz aus dem Blog:

"Durch die Maßnahme wird die Gefahr des Overshootings (zu starke Übergewichtung vor Markteinbrüchen und zu starke Untergewichtung vor Markterholungen) reduziert. So sollen die Depots in extremen V-Märkten weniger anfällig für abrupt auftretende Wendepunkte sein. Wie gut das im Einzelfall gelingt, hängt natürlich weiterhin vom spezifischen Kursverlauf ab. Die Erfahrung zeigt: Die Chance auf mehr Rendite steigt besonders in der Anfangsphase einer Kurserholung, zumal der Anstieg hier oft am steilsten ist. Weil das System die Aktienquoten (vor allem in den mittleren und hohen Risikokategorien) nicht mehr so weit absenken soll, ist es in dieser Phase weniger wahrscheinlich, dass das Portfolio auf der falschen Seite positioniert ist. Im Gegenzug ist jedoch damit zu rechnen, dass die Wertrückgänge in den Depots in langen, sehr tiefen Börsenkrisen teils etwas höher ausfallen können. Die Charakteristik des Systems, die Risiken in mittel- und langfristigen Trends zu managen, bleibt erhalten. Bei der Anpassung des Modells galt es also, die besseren Reaktionen bei scharfen V-Formationen mit einer weiterhin angemessenen Reagibilität bei sehr langen Baissen abzuwägen."

Es soll also darum gehen, (a) nicht mehr so stark vor einer Aktienkrise mit einer (im Nachhinein) "zu hohen" Aktienquote in den Crash reinzugehen (und damit höhere Verluste zu produzieren als ein statisches B&H-Depot, dass sich bspw. immer nur stur an eine fixe 50/50 Verteilung gehalten hätte) - und dann, wenn man mal im Crash ist, (b) auch die Aktienquote dann nicht (im Nachhinein) "zu stark" abzusenken, i.e. alle Aktien zu verkaufen und in Anleihen festzuhocken während schon längst wieder die Aktienerholung beginnt die man nun verpasst weil das System sonst zu "träge" ist (die Umschichtungen im Ab- und Aufschwung finden ja erst mit einigen Wochen Verzögerung statt) und dadurch die Unterperformance (ggü. fixen B&H-Depots) die man bei (a) produziert hat nur noch schlimmer wird weil man bei (b) immer weiter genauso hinterherläuft.

Es sind ja gerade solche "V"-Knicke (also schneller Abschwung, dann aber auch wieder schnelle Erholung), die das Scalable System so aus der Bahn werfen können (weil es vor/im Crash erst zuspät von Aktien hin zu Anleihen umschichtet, und dann im/nach dem Crash auch wieder zu spät von Anleihen zurück auf Aktien schichtet und so die Erholung verpasst) - es wäre also für sie ja "schön", wenn es solcherlei V-Knicke weniger/nicht mehr geben würde, dann würde ihr bisheriges System ja besser aussehen (wie ich an anderer Stelle dazu schonmal gesagt hätte, eigentlich hätten sie sich ja "perverserweise" sogar wünschen müssen, dass der Crash noch schlimmer wird / länger andauert (und eben keine so schnelle Erholung einsetzt), dann wären sie mit ihrer defensiven Gewichtung "bestätigt" worden und würden als die klugen Helden gefeiert, die ihre Kunden vor noch größeren Verlusten bewahrt hätten, anstatt jetzt als die gelackmeierten Doofen dastehen, aber haja da sieht mans wieder mal - niemand weiß halt was tatsächlich kommt, auch die nicht die es behaupten besser wissen zu können).


Nostradamus sagt am 03. November 2020

Das mit dem Lotto ist natürlich Quatsch. Man kann höchstens sagen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person zweimal im Lotto gewinnt, ganz schön gering ist. Und genau so würde auch quasi niemand die Lottozahlen spielen, die gerade erst gezogen wurden, denn die Wahrscheinlichkeit, dass zweimal hintereinander die genau gleichen Zahlen gezogen werden, ist ja tatsächlich sehr gering. :-D

Und zu Würfelspielen: Wenn ich Mensch-ärgere-dich-nicht spiele und ich einfach nicht raus komme, weil ich keine 6 hinbekomme, dann steigt meine Erwartungshaltung ganz klar mit jedem Wurf an. Ganz einfach deshalb, weil meine Erfahrung (und auch die Statistik) dafür spricht, dass nach 30 Würfen doch jetzt langsam mal eine 6 kommen müsste. ;-)
Ich fange jetzt nicht an zu rechnen, aber es dürfte wohl recht selten (bzw. statistisch eher unwahrscheinlich) sein, dass jemand 30 mal würfelt und wirklich keine 6 mit dabei ist. Das muss man erstmal hinbekommen. Ganz nüchterne Betrachtungen, dass die Wahrscheinlichkeit trotzdem immer bei 1/6 liegt und mit Fehlwürfen nicht ansteigt, ziehen dann also auch nicht mehr so recht.
Ist halt blöd wenn Realität und Statistik zusammentreffen.


Marius sagt am 04. November 2020

@Nostradamus
Die Wahrscheinlichkeit, dass am Samstag die selben Zahlen wie am letzten Samstag gezogen werden ist genauso hoch wie für jede andere Zahlenkombination.

Wenn jetzt viele gerade diese Zahlen nicht spielen hat man sogar einen Grund diese deshalb zu nehmen, da dann die Ausschüttungsquote besonders hoch ist sollte man gewinnen. Man hätte gute Chancen als einziger gewonnen zu haben.


Niko sagt am 05. November 2020

@Nostradamus

Netter Beitrag, aber Ironie funktioniert im Internet leider nur bedingt.


Holger sagt am 06. November 2020

Mein Mathelehrer sagte immer als Statistik Thema war: "Ein Würfel ist ein Stück Holz, der hat kein Gedächtnis."

Und daher gaukelt uns unser Gehirn immer vor, dass nach 10 bis 20 Würfen ohne "6" jetzt eine "6" kommen MUSS.
Erst wenn ich genügend Würfe hinter mich bringe ist die zu erwartende Gleichverteilung aller erhaltenen Augenzahlen auch wirklich zu erkennen.

Aber wer will schon wochenlang "Mensch ärgere Dich nicht" spielen. :-)


Nostradamus sagt am 06. November 2020

@Holger:
"Mein Mathelehrer sagte immer als Statistik Thema war: "Ein Würfel ist ein Stück Holz, der hat kein Gedächtnis." Und daher gaukelt uns unser Gehirn immer vor, dass nach 10 bis 20 Würfen ohne "6" jetzt eine "6" kommen MUSS. Erst wenn ich genügend Würfe hinter mich bringe ist die zu erwartende Gleichverteilung aller erhaltenen Augenzahlen auch wirklich zu erkennen. "

Na gut, jetzt bin ich soweit, dass ich doch das Rechnen anfange. :-)
Wahrscheinlichkeiten, dass mindestens einmal eine 6 gewürfelt wird:
1-(1-[1/6])^x; x = Anzahl der Würfe.
Bei 1 Wurf: 16,7 %
Bei 10 Würfen: 83,8 %
Bei 20 Würfen: 97,4 %
Bei 30 Würfen: 99,6 %
Ab 42 Würfen: 100 % (noch genauer wil ich die Nachkommastellen jetzt nicht aufdröseln)

Natürlich spielt bei Wahrscheinlichkeiten das Gesetz der großen Zahlen immer eine Rolle. Und trotzdem spielen auch Erfahrungswerte mit rein. Ich habe früher häufiger Mensch-ärgere-dich-nicht gespielt und es kam nie vor, dass jemand 40 mal würfeln musste, bis er eine 6 hatte. Es ist einfach sehr unwahrscheinlich, dass das passiert. Probiert es gerne zu Hause aus und meldet euch, wenn ihr es geschafft habt, 40 mal zu würfeln ohne dass eine 6 dabei war. ;-)

Der Würfel merkt sich nicht, wie oft er schon gewürfelt worden ist, aber ich tue das eben (grob) und gleiche es mit meiner Erwartungshaltung ab und wenn ich 10 mal gewürfelt habe, ohne dass eine 6 gefallen ist, werde ich langsam nervös, ab 20 mal werde ich laut, ab 30 mal wäre der Spieleabend vorbei und bei 40 mal würde ich vom Glauben abfallen.


Michael F. sagt am 07. November 2020

@Marius
Leider ist das Gegenteil der Fall. Man hätte gute Chancen dass besonders viele auf diese Zahlen setzen:
"Die Gewinnzahlen der niederländischen Lotterie aus der Vorwoche übernahmen am 18. Juni 1977 205 Spielteilnehmer. Für die 6 richtigen Zahlen gab es 30.737,80 DM."


Marius sagt am 07. November 2020

@Michael F.

Danke. Ich hatte nur mal gehört dass sehr viele 1,2,3,4,5,6 tippen. Die Zahlen ab 32 bis 49 sind wohl ganz gut, da sie nicht in Kalendertagen und Monaten vorkommen.


Reinsch sagt am 09. November 2020

@Nostradamus

Das ist wieder jede Menge gefühlte Wahrheit, aber wenig harte Fakten.

Ja, die Chance 40 mal hintereinander keine 6 zu würfeln ist gering. Das ändert aber nichts daran, dass die Chance, beim 40. Wurf eine 6 zu bekommen 1/6 ist. Völlig egal wie viele 6er du in den Würfen 1 bis 39 hattest. Auch wenn du vom Glauben abfallen möchtest...


Nostradamus sagt am 09. November 2020

@Marius:
"Ich hatte nur mal gehört dass sehr viele 1,2,3,4,5,6 tippen. Die Zahlen ab 32 bis 49 sind wohl ganz gut, da sie nicht in Kalendertagen und Monaten vorkommen."
Ja, es gibt ja auch das "Hochquotenspiel", bei dem dann z.B. die typischen Zahlen, welche in den Geburtstagen der Enkel vorkommen, bewusst vermieden werden. Es werden die Zahlen gespielt, die selten jemand spielt, damit man dann im Fall eines Gewinns zumindest nicht mit vielen teilen muss.

@Reinsch:
Da hast du jetzt aber die richtig harten Fakten auf den Tisch gelegt, ich bin beeindruckt. :-D


Niko sagt am 13. November 2020

| @Nostradamus

Der Würfel merkt sich nicht, wie oft er schon gewürfelt worden ist, aber ich tue das eben (grob) und gleiche es mit meiner Erwartungshaltung ab und wenn ich 10 mal gewürfelt habe, ohne dass eine 6 gefallen ist, werde ich langsam nervös, ab 20 mal werde ich laut, ab 30 mal wäre der Spieleabend vorbei und bei 40 mal würde ich vom Glauben abfallen.

Die Sache hat nur einen Haken: du bist kein Würfel. Du bist auch keine Lottokugel. Deine Erwartungshaltung, was du glaubst und fühlst bleibt dir überlassen und ist auch überflüssig zu diskutieren. Dagegen, was Würfel und Lottokugeln angeht, verlässt man sich besser auf die Stochastik, diese ist im Gegensatz dazu eindeutig und verbindlich.

Oder willst du einfach nur trollen? Das ist dir bis jetzt auch ganz gut gelungen.


Michael F. sagt am 13. November 2020

Fröhlichen Weltnettigkeitstag allen!

@Nostradamus
Bei Deinem Beispiel von 42x Würfeln in Folge ohne 6 (bei genau 42 Würfen) komme ich auf eine Chance von 1 zu 2116 ( = 6/5 ^ 42). Gar nicht mal so niedrig. Mit zunehmender Anzahl von Würfen an einem Spieleabend gibt es auch immer mehr Gelegenheiten. Ich schätze die Wahrscheinlichkeit, dass das mindestens einem der Leser hier schon einmal passiert ist, gar nicht so gering ein. Apropos 42 - hhgttg-Fan?

ChrisS hatte ja schon auf den Spielerfehlschluss verwiesen. Der Inhalt deines Posts entspricht voll dessen Definition und er kann einem teuer zu stehen kommen - Rolf Dobelli schreibt in "Die Kunst des klaren Denkens" auf Seite 121:

"Im Sommer 1913 geschah in Monte Carlo etwas Unglaubliches. Um den Roulettetisch des Kasinos drängten sich die Menschen, denn sie trauten ihren Augen nicht. Die Kugel war bereits 20 mal nacheinander auf Schwarz gefallen. Viele Spieler nutzten die Gunst der Stunde und wetteten auf Rot. Doch wieder kam Schwarz. Noch mehr Leute strömten hinzu und setzten ihr Geld auf Rot. Jetzt musste es einfach mal einen Wechsel geben! Doch wieder kam Schwarz. Und wieder und wieder. Erst beim 27. Mal fiel die Kugel endlich auf Rot. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Spieler ihre Millionen bereits verwettet. Sie waren bankrott."


Flo sagt am 09. Dezember 2020

Ich möchte den Versuch unternehmen die Debatte, um den Begriff „Regression zur Mitte“ zu erweitern.
In Bezug auf die Wahrscheinlichkeit/Mathematik ist es natürlich richtig, dass die Chance eine 6 zu würfeln immer gleich groß ist - unabhängig davon was der Würfel zuvor zeigte.
Wenn man allerdings 100.000 betrachtet, wäre meine Erwartungshaltung, dass die 6 etwa 16.667 gefallen wäre. Gleiches gilt natürlich auch beim Roulette, am Aktienmarkt oder bei Klimadiagrammen (Klimawandel mal außen vor).
Nach 10x rot oder 5 kalten Wintern in Folge, sagt mir die Lebenserfahrung/Regression zur Mitte: Jetzt kommt bald ein normaler/warmer Winter oder schwarz. Ich persönlich habe die beiden Konzepte intellektuell noch nie wirklich zusammengebracht auch wenn ich sie beide verstehe. Vielleicht kann das mal jemand erklären, der beschlagener ist als ich es bin...


Dominik sagt am 12. Dezember 2020

@Flo: Ich das mit der "Regression zur Mitte" mal versuchen mit drei (Gedanken-)Experimenten:

Experiment 1: Ich nehme 90 Würfel. Mit jedem Würfel mache ich 100 Würfe und notiere dabei, wie viele Sechsen gefallen sind. Dann bilde ich drei Gruppen à 30 Würfel mit den meisten (1), mittleren (2) und wenigsten (3) Sechsen. Ich wiederhole die 100 Würfe. Welche mittlere Anzahl von Sechsen erwarte ich für die Würfel der Gruppen 1, 2 und 3?

Experiment 2: Ich nehme 90 Schüler. Jeder Schüler soll einen Ball möglichst weit werfen, ich messe die Distanz. Nach der ersten Runde bilde ich drei Gruppen à 30 Schüler mit den besten (1), mittleren (2) und schlechtesten (3) Schülern. Ich wiederhole die Weitwürfe. Welche mittlere Distanz erwarte ich für die Schüler der Gruppen 1, 2 und 3?

Experiment 3: Ich nehme einen Korb aus 90 Aktien und ihren Kurs am 1. Januar und warte bis zum 31. Dezember. An Hand der Jahresrendite teile ich die Aktien in drei Körbe mit den besten (1), mittleren (2) und schlechtesten (3) Aktien. Ich lasse das ein zweites Jahr laufen. Welcher Korb erzielt die beste Rendite?

(Fortsetzung folgt)


Geduld+Spucke sagt am 19. Dezember 2020

Hallo @Flo,

mein Eindruck ist, daß du deine Intuition nicht mit der Logik zusammen bringst. Ich versuche es daher mit einem Gedankenexperiment.

Stelle dir vor, du würfelst 600 Mal hintereinander und wir numerieren die Würfe durch mit 1., 2., 3., ... Dann erwarten wir, daß wir 100 Mal die eins, zwei, usw. in diesen 600 Würfen vorfinden. Wenn du jetzt sagst, nach 3 sechsen muß aber doch mal was anderes kommen, dann sagst du im Kern folgendes: Die sich langfristig einstellende Gleichverteilung der Würfe muß sich auch in kleineren Untermengen manifestieren.

Gut, treiben wir diese Forderung auf die Spitze. Wir fordern, daß in jedem Intervall von sechs aufeinander folgenden Würfen (z.B. 6-11, 151-156, ...) jede Augenzahl genau einmal vertreten sein muß. Geht das überhaupt? Ja, wenn wir die Zahlen 1-6 in immer gleicher Reihenfolge durchrotieren. Z.B. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 1, 2, ... Die ersten 6 Zahlen können wir beliebig durchpermutieren (65432 Möglichkeiten). Aber der 7. Wurf und alle folgenden sind dann schon festgelegt. D.h., diese strikte Forderung läuft auf einen ziemlich deterministischen Verlauf der Würfe hinaus und führt zu Widersprüchen mit der Annahme, daß die Würfe zufällig fallen.

Aber auch schwächere Formulierungen führen zu ähnlichen Widersprüchen. Z.B. die Forderung, daß in den 600 Würfen je genau 100 die 1,2,... Augen haben führt dazu, daß nach 599 Würfen der 600. determiniert wäre, der vorletzte fast determiniert, etc.. Selbst wenn wir nur eine höhere Wahrscheinlichkeit fordern, daß der 600. Wurf die Statistik zu je 100 Würfen a 1, 2, 3,... ausgleicht, führt das zu Abhängigkeiten der Würfe untereinander. Per Definition des Zufalls wissen aber die Würfe nichts voneinander. Auch das Fenster von 600 Würfen wurde ja willkürlich gewählt. Warum nicht 700 Würfe betrachten oder 60? Oder die Reihenfolge von hinten?

Damit wird hoffentlich ein bißchen klarer, warum echte Zufallszahlen keine Rücksicht auf die Umgebung nehmen können, in der sie auftreten.


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