26. März 2015
Mein Sparplan: Ich bin so ein undisziplinierter Schlumpf
Mit dem Sparen klappt es nicht so. Ich brauche immer wieder Geld und dann muss ich mein Konto plündern oder Aktien verkaufen.
Ich suche etwas, das mich zwingt, meine Sparrate über Jahrzehnte aufrechtzuerhalten. Flexibel zu sein ist ja schön und gut, aber das große Problem der Flexibilität ist leider auch, dass man Raten aussetzt, wenn es etwas "eng" wird.
Was kann ich tun?
Der Finanzwesir schlägt den Klassiker vor
Wir zerpflücken das Problem solange, bis es in Einzelteilen vor uns liegt. Dabei stellen wir fest: Wir haben es eigentlich mit zwei Problemen zu tun.
- Das operative Problem
- Das Psycho-Problem
Das operative Problem
Das operative Problem ist schnell gelöst. Wir müssen nur mit dem Blindflug aufhören. Mathematisch gesehen lässt sich die Sparrate wie folgt beschreiben:
Sparrate = Einnahmen - Ausgaben
Die Einnahmen kennen wir. Das ist das monatliche Gehalt. Die Ausgaben sind das Blindflug-Problem. Wo geht das ganze Geld hin?
Mein Lösungsvorschlag:
- Drei Monate lang alle Ausgaben protokollieren.
- Überlegen, welche großen Einmal-Ausgaben man jährlich hat und diese aufs Jahr umlegen. Schauen Sie mal im Januar nach. Da wird die Kfz-Haftpflicht fällig und oft auch die Riester-Rente und so manch andere Versicherung.
Ziel der Aktion
Nach drei Monaten wissen Sie: "Ich brauche monatlich zwischen 1.200 Euro und 1.300 Euro". Untergrenze, Obergrenze, Schwankungsbreite, mehr brauchen Sie nicht. Daraus errechnen Sie die Sparrate.
Was jetzt?
Als erstes richten Sie einen Puffertopf ein. Das ist ein Tagesgeldkonto, auf dem Sie zwischen drei und sechs Monatsausgaben vorhalten. In diesen Topf kommen auch Monatsraten für die jährlichen Einmalzahlungen. Die Auto-Haftpflicht kostet 480 Euro? Dann wandern jeden Monat 40 Euro auf dieses Tagesgeldkonto. Im Januar verschieben Sie dann 480 Euro vom Tagesgeldkonto aufs Girokonto und überweisen es dann dem Versicherer.
Wenn der Puffertopf voll ist, kommt die Sache mit dem Zwang. Wie viel Zwang soll es sein?
- Maximaler Zwang: Wenn das Geld am Monatsersten auf dem Konto ist, überweisen Sie am Zweiten eine feste Sparrate an Ihren Broker, der dann dafür ETFs kauft. Oder Sie füllen den Bausparvertrag oder Riester oder was immer Sie am Laufen haben.
- Flexibler Zwang: Sie warten bis zum Monatsende und überweisen dann das, was noch da ist, Ihrem Broker zwecks ETF-Kauf.
Wenn Sie am Monatsanfang eine feste Sparrate überweisen und am Ende des Monats ist noch Geld auf dem Girokonto: Verschieben Sie das Geld in den Puffertopf. Damit sollte das Problem "Aktienverkauf wegen Liquiditätsengpass" ein für alle mal aus der Welt geschaffen sein.
Fazit
Wenn Sie die Geldströme kennen und sich darüber klar geworden sind, welche Beträge wann auf welchem Konto sein sollen, haben Sie gewonnen.
Praxistipp: Operative Probleme löst man am besten, indem man möglichst viel automatisiert. So wie es in der Industrie üblich ist: Feste Prozesse sind die Grundlage für konstant gute Qualität.
Das Psycho-Problem ‒ Jetzt wird‘s wild!
Sparen ist wie abnehmen, nur umgekehrt
Hä, was ist das denn für eine bescheuerte Einleitung?
Sparen und Abnehmen haben eine Menge gemeinsam. Gut, beim Abnehmen will man immer dünner werden, während man beim Sparen ‒ zumindest finanziell ‒ immer dicker werden will. Deshalb auch das "umgekehrt" in der Einleitung. Aber abgesehen vom Vorzeichen haben beide Dinge viel gemeinsam:
Schauen wir uns die Sache einmal näher an.
- Abnehmen: Niemand wird bestreiten, dass Übergewicht schädlich ist. Das ist medizinisch unumstritten. Außerdem gilt schlank als schön.
- Sparen: Niemand wird bestreiten, dass es sinnvoll ist, sich ein finanzielles Polster zuzulegen. Außerdem gilt "wohlhabend sein" in unserer Gesellschaft als erstrebenswert.
Sparen & Abnehmen = Objektiv wünschenswert und mit Sozialprestige verbunden.
Wenn nichts gegen die Kombi schlank & reich spricht, warum sind wir dann nicht alle schlank und reich? Warum gibt es dann auf dem Weg dahin so viele Fails?
Psycho-Gründe. Was Du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!
- Lieber heute gut essen, als morgen mit gesunden Knien die Treppe hinaufkommen.
- Lieber heute das tolle Auto fahren, als morgen die Pflegekraft zu bezahlen.
Spaß heute zählt immer mehr als Lebensqualität morgen.
Wenn Sie beim Sparen einen Jojo-Effekt feststellen, dann haben Sie kein operatives, sondern ein psychologisches Sparproblem.
Sind Sie das?
"Ich habe auf so viel verzichtet (eine Woche lang keinen Kaffee auf dem Weg zur Arbeit gekauft), jetzt darf ich mir aber auch mal diese neue Hose gönnen!"
Beim Kaffee gespart: 5 x 3,50 € = 17,50 € Für die Hose ausgegeben: 120 €
Was kann man dagegen tun?
Gar nichts. Zumindest nicht mit den ganzen offiziellen kopfgesteuerten Gründen. Die kann man getrost in die Tonne treten.
Die heilige römisch-katholische Kirche hat die passende Vokabel im Angebot: Erweckungserlebnis.
Vom Saulus
"Ich habe viel Geld für Alkohol, Frauen und schnelle Autos ausgegeben, den Rest habe ich einfach verprasst." George Best, Flügelstürmer bei Manchester United
zum Paulus
"Die Sparsamkeit ist die Tochter der Vorsicht, die Schwester der Mäßigung und die Mutter der Freiheit." Samuel Smiles, englischer Biograf und Sozialreformer
geht nur über Herz und Bauch. Das Hirn kann sich dann im Nachgang um den Excel-Kram kümmern.
Womit wir wieder beim Abnehmen wären. Dieser ganze Diät-Quatsch funktioniert nicht. Dauerhaft schlank bleiben die, die ihr Leben ändern ‒ und zwar freiwillig.
Fazit
Entscheidungen des Kalibers „Ich nehme dauerhaft ab, ich rauche nicht mehr, ich gehe mit meinem Geld anders um“ sind reine "Ich-will-das-jetzt"-Entscheidungen.
Mit Zwang geht da nichts, schon gar nicht jahrzehntelang.
Wer sich ändern will, soll Hilfe bekommen (empfehlen Sie diesen Blog weiter). Mehr kann man als Außenstehender nicht machen.
Wobei die These "Sparen ist gut, sinnvoll und moralisch auf jeden Fall hochwertig" nicht von allen geteilt wird.
Herr Kant ‒ Erfinder des kategorischen Imperativs und Moralexperte ‒ meint:
"Die Sparsamkeit ist keine Tugend. Denn zur Sparsamkeit oder zum Sparen gehört weder Geschicklichkeit noch Talent. Wenn wir sie mit der Verschwendung gegeneinander halten, so gehört dazu, um ein Verschwender mit Geschmack zu sein, weit mehr Talent und Geschicklichkeit als zum Sparen, denn Geld ablegen kann auch der Dümmste …
Daher auch solche Personen, die das Geld durchs Sparen erwerben, sehr niedrige Seelen sind. Unter den Verschwendern findet man aber aufgeweckte und geistreiche Personen."
Immanuel Kant, (1724 ‒ 1804), deutscher Philosoph
Egal was Kant sagt:
Ich will auch so ein Erweckungserlebnis
So könnte es gehen:
- Schrumpfen Sie die Zeitachse.
- Besinnen Sie sich auf die grundsätzliche Funktion des Geldes.
Zeitachse schrumpfen
Das Hauptproblem beim Sparen: Unser Gehirn ist so verdrahtet, dass wir Dinge, die jetzt passieren, wichtiger finden als Dinge, die erst in ferner Zukunft passieren. Wozu über ungelegte Eier nachdenken.
Beim Sehen korrigiert unser Gehirn das automatisch. Wir wissen, dass der Mensch am Horizont größer ist als eine Ameise.
Sie brauchen so eine Art Finanz-Fernrohr, um damit die Zukunft in die Gegenwart zu holen. Ich mit 30, 40, 50, 60 ‒ je genauer Sie sich Ihre Zukunft vorstellen können, umso einfacher wird das Sparen. Hier ist Fantasie gefragt.
Geld grundsätzlich
Sozialkunde, 7. Klasse. Die Lehrerin fragt: "Was ist Geld?"
Nach 45 Minuten weiß die Klasse: Geld ist ein universelles Tauschmittel.
Das faszinierende am Geld: Man kann damit nicht nichts tun. Sobald man welches hat, fängt man automatisch an zu tauschen.
Der klassische Tausch ist natürlich der Konsum. Geld gegen Dinge oder Dienstleistungen.
Aber auch wer spart, tauscht. Wer spart, tauscht Geld gegen Freiheit. Wer Geld hat, tauscht den Stau im Berufsverkehr gegen einen stillen Vormittag in der Bibliothek, um mehr über Tonvasen aus Karthago zu lernen.
Warum? Weil es mich interessiert. Das reicht als Begründung.
Wer sich nicht für Tonvasen aus Karthago interessiert, geht halt angeln oder schläft aus.
Hilft das denn?
Bei mir hat‘s geholfen. Mein Hauptmotivator: Geld gegen Freiheit. Das mag aber auch mit meinem eher chef-aversen Charakter zu tun haben.