08. Februar 2014


Wie sicher sind sichere Anlagen wirklich?

Tagesgeld, deutsche Staatsanleihen und Betongold gelten gemeinhin als besonders sichere Anlagen, während Aktien die Unseriosität in Person sind.

Einspruch, Euer Ehren!

Die klassische Risikobetrachtung bezieht einen Punkt nicht ein: Wie gut lässt sich eine Investition enteignen?

Spareinlagen

Bis jetzt war das Thema Enteignung irrelevant, aber die Zypernkrise hat gezeigt: Sparkonten sind nicht mehr sakrosankt, man kann die Sparer zur Bankenrettung heranziehen, ohne dass die Welt aufhört sich zu drehen.
Zypern ist weit weg, das waren doch nur russische Oligarchengelder und auf 100.000 Euro komme ich doch nie. Betrifft mich nicht.
Nicht so schnell, junger Padawan!
Die 100.000 Euro sind kein Naturgesetz, sondern am Verhandlungstisch entstanden. Aktuell schützt die gesetzliche Einlagensicherung 100.000 Euro pro Sparer und Konto. Gesetze lassen sich ändern. Was spricht dagegen, nur noch 100.000 Euro pro Sparer abzusichern? Sollte die Lage vollends verzweifelt werden, lässt sich die Einlagensicherung auch auf Null zurückfahren. Eine Regierung kann per Ordre de Mufti Konten einfrieren und sämtliche Beträge, die größer als eine bestimmte Summe X sind, einziehen. Wenn so eine Aktion zügig und entschlossen durchgeführt wird, ist der Schaden begrenzt.
Das geht natürlich auch mit Wertpapier-Depots. Aber der Staat hat Schulden, die er loswerden will, er braucht Geld, keine Aktien. Aktien müssen erst noch verkauft werden. Welche Summen dabei erlöst werden, ist nicht planbar. Es ist zu erwarten, dass die Kurse massiv in den Keller gehen, wenn der Staat die enteigneten Aktien-Pakete auf den Markt wirft. Werden die Aktien dosiert und kursverträglich in den Markt gegeben, bedeutet das: Nichts mehr mit Handstreich, sondern schlechte Presse über Monate. Außerdem: Es gibt viel mehr Sparer als Aktionäre. Sparer sind ergiebiger als Aktionäre.

Immobilien

Aber Immobilienbesitz lässt sich nicht enteignen. Ich glaube auch nicht an eine direkte Enteignung nach dem Motto: „So, dass hier ist der Grundbucheintrag, da streichen wir jetzt deinen Namen und setzen einen neuen Eigentümer ein.“
Das wäre zu plump und würde bestimmt von den Gerichten kassiert. Es gibt aber eine viel bessere Möglichkeit: Immobilien sind extrem standorttreu. Das lässt sich trefflich nutzen. Hauseigentümer sind jetzt schon dazu verpflichtet, den Bürgersteig vor ihrem Haus passierbar zu halten. In Neubaugebieten tragen die zukünftigen Eigentümer die Erschließungskosten. Was spricht dagegen, den Eigentümern auch die Kosten für die Instandhaltung der Straße vor ihrem Haus aufzuerlegen? Bei den Kanalsanierungskosten wird bereits so verfahren.
Formaljuristisch liegt hier sicher keine Enteignung vor. Aber wenn die Gebühren existenzbedrohend werden, helfen scholastische Haarspaltereien den Betroffenen auch nicht weiter.
Das ist kein Szenario, das ich demnächst für realistisch halte, aber wer heute eine Immobilie erwirbt oder baut, zahlt selbige die nächsten 25 bis 30 Jahre ab. Das sind aber die Jahre der Rentnerschwemme. Dann sind die geburtenstarken Jahrgänge (geboren 1955 bis 1969) alle verrentet und der Staat wird Geld ohne Ende brauchen.
Ihre Unbeweglichkeit wird Immobilienbesitzer zu lohnenden Zielen machen.

Staatsanleihen

Zins und Rückzahlung einer deutschen Staatsanleihe sind nur durch die von uns aufgebrachten Steuern gedeckt. Ob diese Rechnung in 30 Jahren noch aufgeht? Keine Ahnung. Deutschland hat zwar eine gewaltige Wirtschaftskraft, aber unendlich sind unsere Kräfte auch nicht. Ich bezweifle, dass es möglich ist, den Schuldenberg jemals abzutragen. Vielleicht kommt der Schuldenschnitt auch in Deutschland irgendwann einmal und dann heißt es „Gehe nicht über Los und ziehe nicht 4.000 Euro ein“. Durch die Zinsen unterhalb der Inflationsrate sorgen die Papiere jetzt schon für eine kalte Enteignung zugunsten des Staates.

Fazit

Gerade bei sehr langfristigen finanziellen Engagements gehört die Frage „Wie gut lässt sich meine Investition enteignen?“ zu einer vollständigen Risikobetrachtung dazu.
Leichtfüßige Geldanlagen wie ein Wertpapier-Depot haben hier einen natürlichen Vorteil, dafür aber andere Nachteile. Das spricht meiner Meinung nach nicht gegen eine Immobilie, ein Sparkonto oder den Erwerb von Staatsanleihen. Wichtig ist mir nur: Es muss eine bewusste Entscheidung sein.
Die privaten Finanzen kennen keinen Königsweg. Jeder von uns muss sich seinen Weg selbst suchen. Wenn Sie sich nach reiflicher Überlegung für einen Weg entschieden haben und sich über mögliche Risiken klar geworden sind, dann ist Ihr Weg genauso gut wie meiner.

(awa)

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Abgelegt unter Strategie, Sparen, Aktien, enteignen



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Kommentare

Chris Hodges sagt am 06. Januar 2017

Hallo nochmal,

zu den Immobilien habe ich hier noch ein mehr oder weniger aktuelles Beispiel (Nov '16) aus meiner Nachbarschaft:

http://www.br.de/nachrichten/urteil-strassenausbau-hohenbrunn-100.html

"Die Gemeinde Hohenbrunn muss gegen ihren Willen Anlieger bei der Sanierung von Straßen zur Kasse bitten, so ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs."

"Das heißt konkret: Mit rund 5.000 bis 15.000 Euro sollen Anlieger für den Straßenausbau zur Kasse gebeten werden [...]"


T. sagt am 25. April 2017

@alle: diese Frage mit dem Einlagensicherungsfonds und ob man mehr als 50.000 € (Empfehlung des Finanzwesirs) als sicheren Teil eines Portfolios in Form von Tagesgeld haben sollte, ging ja in den letzten Tagen an verschiedenen Stellen und Artikeln durch die Kommentare.
Ich kann jetzt nur kurz etwas dazu sagen, von dem ich glaube, dass es bisher in der Community nicht verstanden wurde: Immer wieder wird beklagt, dass der Einlagensicherungsfonds zu gering kapitalisiert sei.
Offenbar besteht bei Vielen die Vorstellung, dass da so und so viel Geld drin sein müßte, damit man das ernst nehmen kann, also mindestens so viel wie die Einlagen bei der Deutschen Bank und bei der IngDiba.
HIer gibt es, denke ich, einen Denkfehler: er besteht darin, dass man nicht versteht, was Geld ist und wie es entsteht. Ich kann das hier nicht ausführen bis ins Detail (wen es interessiert verweise ich an die Eingentumsökonomie von Gunnar Heinsohn und Otto Steiger).
Kurz: Geld entsteht in einem Kreditvertrag gegen die Besicherung mit Eigentum. Also eine Geschäftsbank schafft Giralgeld für einen Kredit gegen Sicherheiten (Eigentum).
Das "Geld" steckt also in einem Kredit, ist nicht liquide. Deshalb ist unser Tagesgeld eben nur eine Forderung. Letztlich ist es so sicher, wie die es besichernden Assets. So ist es bei allen Banken. Bargeld dagegen ist von der Notenbank liquide gemachte Schuld (Gläubiger-Schuldner-Kontrakt). Bargeld ist in seinem Wert also immer eine Forderung gegen die Notenbank.
Nun also: wo soll nun von Banken, die in einem Kreditvertrag Geld geschaffen haben, also ausgeliehen haben, neues Geld für einen Einlagensicherungsfonds herkommen? Woher kommt die Liquidität? Selbstredend könnte sie wieder nur aus einem Kreditvertrag kommen. Wer stellt dafür die Sicherheit?
Die Bank für Zahlungsausgleich in Basel hat Vorgaben für die Mindestliquidität für Geschäftsbanken festgelegt. Derzeit liegt die Summe unter 5% der Bilanzsumme. Wenn man also dies vorausschickt, sollte jedem klar sein, dass es nie einen Einlagensicherungsfonds geben wird, ja nicht geben kann. Das ist so ein politischer Schachzug, um die Gemüter zu beruhigen.
Im Fall einer Insolvenz kann es dann, wie der Finanzwesir sagt zu einem Haircut kommen. Der liegt mglw. unter den 100.000 Euro (eine symbolische Summe wie jeder nun weiß). Aber wir können auch schauen in die jüngste Vergangenheit, um zu sehen, was am Wahrscheinlichsten ist: Schauen wir nach Griechenland: Es kam zu Kapitalverkehrskontrollen und zu keinem Haircut. Wozu dann: es wurden ELA-Kredite gewährt! Was ist das? :

"Als ELA können Notenbanken vorübergehend illiquiden Kreditinstituten gegen Sicherheiten Liquiditätshilfen gewähren, sofern bei den Instituten die Solvabilität noch gewährleistet ist. Die Entscheidung über derartige Hilfen liegt grundsätzlich im Ermessen der jeweiligen nationalen Notenbank, die auch die unmittelbaren Risiken und Kosten der Maßnahme trägt. Laut Reuters wird die Verzinsung der Notfall-Liquiditätshilfen auf einen Zinssatz geschätzt, der ca. 1 bis 1,5 Prozentpunkte über dem Spitzenrefinanzierungssatz der EZB liegt.
Normalerweise refinanzieren sich Kreditinstitute entweder über den Interbankenhandel oder über Fazilitäten der Zentralbank. Dabei müssen sie Sicherheiten hinterlegen. Wenn Kreditinstitute keine Sicherheiten mehr leisten können, die von anderen Kreditinstituten oder der EZB akzeptiert werden, können sie bei ihrer nationalen Zentralbank ELA-Hilfen beantragen. Die nationale Zentralbank kann im Rahmen von ELA minderwertige Sicherheiten akzeptieren. Bei den ELA-Operationen kommt somit der nationalen Notenbank und nicht der Europäischen Zentralbank im Eurosystem die Rolle des Kreditgebers letzter Instanz zu."

Also: auch die Hypo Real Estate hat ELA-Kredite bekommen für minderwertige Sicherheiten und zuständig war die Bundesbank. So wird es also laufen. Warum sagt man uns das dann nicht? Weil es ein Freibrief für alle Banken wäre, dass sie in der Insolvenz gerettet werden.
Das ist also meine bescheidene Sichtweise zur Sicherheit von Tagesgeld und zu meiner Hypothese, dass es nie einen ausreichend kapitalisierten Einlagensicherungsfonds geben wird. Deshalb sollten wir das auch nicht immer wieder fordern oder uns echauffieren, weil es einfach von der Sache her gar nicht geht.

Gruss,
T.


Sebastian sagt am 14. März 2019

Noch ein Stichwort (das man durch das Voranstellen von de.wikipedia.org/wiki/ - wie so vieles - nachlesen kann): Lastenausgleichsgesetz


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