09. Februar 2023


Ignorant, Checker, Veteran

Meine Erfahrung nach 25 Jahren Börse: Es gibt drei Typen. Nur zwei davon haben langfristig Erfolg.

Börsentypen

Der fröhlich Ignorante (1)

Die Grundprinzipien sind verstanden, der Sparplan läuft auf Autopilot und wenn die Nachrichten sich überschlagen: "Börse in der Krise!", bleibt er tiefenentspannt. Das eigene Depot hat damit nichts zu tun. Wenn Wallstreet um 10 Prozent fällt, geht ihn das nichts an. Er hat er hat ja bloß einen Sparplan auf diesen ETF mit dem komischen Namen. Irgendwas mit "Eischärs Äs änt Pi 500". Na, egal - viel wichtiger: Wird der Lieblingsverein beim nächsten Spiel den Sieg holen; das Kind die nächste Klausur gut schaffen? Und: Wann machen wir den Wochenendeinkauf?

"Unwissenheit ist Glückseligkeit"
Thomas Grey, 1742, Ode on a Distant Prospect of Eton College

Der schlachtengestählte Veteran (3)

Philosophiert mit seinen Kumpels auf der Metaebene. Hat viel erlebt, hat überlebt, kennt das Risiko und ist immer auf der Hut, nicht doch auf einmal der Typ aus der Mitte des Schaubildes zu sein. Sein Motto: Nur wer überlebt, kann dauerhaft Rendite erwirtschaften.
Veteranen sind parallel auf drei Ebenen unterwegs. Der Sachebene, der Metaebene und unter der Gürtellinie. Unter der Gürtellinie ist am Wichtigsten, denn der Börsenmotor ist ein Zweitakter: Furcht und Gier.

"Das große Unglück bei uns alten Spekulanten ist, dass wir zwar viele Erfahrungen gesammelt, unsere Waghalsigkeit jedoch verloren haben."
André Kostolany

Der Checker (2)

Sein Wissen ist enorm, denn er hat alle Finanzblogs, Podcasts, Youtube- und Insta-Kanäle unter Beobachtung. Schreibt sich in den Foren die Finger wund, ist bereit für Nachkommastellen zu töten. Deshalb hat er den Bogen raus und ist kurz davor, das Finanz-Perpetuum-mobile zu erfinden. Seine enormen Gewinne (hat seinen Einsatz von 100 Euro ver-dop-pelt!!!) sprechen für sich.

"Wer zugrunde gehen soll, der wird zuvor stolz; und Hochmut kommt vor dem Fall."
Spr 16,18, Lutherbibel

Wer überlebt?

Die Positionen (1) und (3) sind überlebensfähig. Der Checker hat zwei Möglichkeiten. Entweder begibt er sich auf die Heldenreise, lernt Demut und wird irgendwann zum Veteran - oder er kehrt reumütig zum Sparplan zurück.
Für einen Checker, der darauf besteht ein Checker zu bleiben, gilt der Spruch: Dein Geld ist nicht weg, dass hat jetzt nur ein anderer.
Das druckfähige börsianische Fachwort für solche Gestalten lautet: Alpha-Lieferant. Diese Menschen finanzieren im Nullsummenspiel der Börse die Überrenditen (das Alpha) der anderen Teilnehmer.

Fazit

Versuchen Sie nicht, ein guter Anleger zu werden. Das ist Hybris. Wenn Sie es schaffen, kein schlechter Anleger zu sein, gehören Sie schon zur Spitzengruppe. Das Gute: Auch mit fröhlicher Ignoranz können Sie ein Nicht-schlechter-Anleger werden.
Für alle anderen gibt es die 10.000-Stunden-Regel. 10.000 Stunden Holzbearbeitung macht den Supertischler, nach 10.000 Stunden Excel wird ein Superbuchhalter geboren.
10.000 Stunden an der Börse und man erkennt, dass man noch mindestens 20.000 weitere Stunden braucht, um auch nur halbwegs zu verstehen, wie das Spiel läuft.
Das ist zwar etwas mühsam, aber - Alzheimer hau ab - man verblödet bei diesem Rote-Königin-Spiel nicht. Buffett, Munger, Bogle, Dalio - schauen Sie sich die großen alten Männer des Investings an. Die sind, beziehungsweise waren (Bogle ist schon tot) alle noch ziemlich fit im Kopf.
Das ist eigentliche Hauptgewinn beim Investieren. Eine intellektuell anspruchsvolle Tätigkeit, bei der man nie in Rente gehen muss. Egal, wie viel Erfahrung man schon hat, es gilt

  1. immer etwas Neues zu lernen (einfach),
  2. alte Gewissheiten zu entsorgen (schwer).

(awa)

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