22. Juni 2020


Kommer vs. Weber: Sind Faktor-ETFs wirklich Smart Beta? - Der Finanzwesir rockt, Folge 90

Das Duell der Passiv-Titanen. Ist Smart Beta Finanz-Hokuspokus oder kann man damit dauerhaft Geld verdienen?

Dr Gerd Kommer ist Pro-Faktor, Professor Martin Weber hält nichts von Faktoren.

Erst einmal stecken wir das Spielfeld ab

  1. Was ist das überhaupt: Ein Faktor? Wie ist er definiert?
  2. Stichwort Faktor-Zoo: Welche Faktoren gibt es überhaupt?
  3. Gibt es Faktoren nur bei Aktien oder auch bei Anleihen?
  4. Welche davon sind für den Privatanleger relevant, weil investierbar?
  5. Eignen sich Faktor-ETFs eher nur für fortgeschrittene Anleger?
  6. Sind die Kosten für Faktor-ETFs höher als bei normalen ETFs?

Jetzt wissen, wir was im Legokasten drin ist. Jetzt die Frage: Was bedeutet Faktor-Investing? Was macht ein Faktor-Investor anders als ein normaler passiver Buy&Holder?

Verständnisfragen

Wieso soll Faktor-Investing langfristig funktionieren?

Ist es nicht so, dass viele Renditejäger des Faktors Tod sind? Wie kann regelbasiertes Alpha funktionieren?

Herr Kommer schreibt auf S. 280 der neuesten Ausgabe seines Buches:

"Wenn ein Faktor verschwindet, dann war er nicht "echt."

Darauf der Finanzwesir

"Was, wenn ich im Vertrauen auf die Faktor-Echtheit einen ETF erworben habe, der diesen Faktor ausbeuten sollte? Dann steh ich da mit den erhöhten Kosten! Und glauben Sie mir: Unsere Hörer sind kostenbewusst. 0,05% mehr oder weniger bereiten denen schlaflose Nächte. Nicht echte Faktoren werden da nicht so gerne gesehen."

Herr Weber auf die Frage, was er von Faktoren hält:

"Nicht so viel. Heute sogar noch weniger als früher, und ich beschäftige mich schon sehr lange mit dem Thema. Das hat einmal damit zu tun, dass Faktoren auf dem Papier sehr gut aussehen, aber in der Wirklichkeit sieht das oft anders aus. Quelle

Lässt sich das wissenschaftliche Alpha überhaupt sinnvoll in einen UCITS-Fonds überführen?

Diese Long/Short-Konstruktionen sind für Publikums-Fonds nicht uneingeschränkt zugänglich.

Ich will aber ein Faktor-Depot haben!

Was bedeutet Factor Investing in der Praxis?

  • Welche Überrendite kann ich erwarten?
  • In welchen Zeiträumen soll ich denken? Reichen 6 Monate oder muss es eher eine Ewigkeit sein (also so knapp ein Jahr)? Nach einem Jahr könne die meisten Anleger (egal ob Profis oder Privatanleger) eine vom Index abweichende Performance nach unten nicht mehr ertragen und fangen an umzuschichten.
  • Was, wenn Sir Value keine Lust hat aufzutauchen und Rendite zu machen und mein Nachbar mit seinem 08/15-Depot besser dasteht?

Konkrete Anlage

  • Ist es nicht für die meisten Menschen realistischer sich eine Zeile ins Depot zu legen und fertig? Wir denken da an Fonds wie den ARERO oder die Weltsparen- und Lyxor (vormals Comstage)-Portfolio-Fonds. Mit 50 € ist man im Sparplan dabei.
  • Wie sähe denn ein vernünftiges Faktor-Portfolio aus?
  • Welche Sparsummen brauche ich, um ein ausgewogenes und breit diversifiziertes Portfolio aus Faktor-ETFs zusammenzustellen? Reicht da der Small-Value-Momentum-Quality-Faktor-ETF als eierlegende Wollmilchsau? Eine Zeile im Depot und fertig. Kann man sowas überhaupt sinnvoll konstruieren oder interferieren da die einzelnen Faktoren? Oder sollte ich für jeden Faktor einen eigenen ETF wählen?

In den Mokassins des anderen gehen

Wie es sich für zwei Häuptlinge gebührt:

  1. Herr Weber: Wie würden Sie ein Faktor-Portfolio aufbauen?
  2. Herr Kommer: Wie sieht Ihr Portfolio aus, das nur die faktorfreien Anlageklassen Aktien, Anleihen und Rohstoffe enthält?

Jetzt anhören

Links zum Podcast

Medienempfehlungen von Dr. Gerd Kommer

Ein anspruchsvolles, jedoch nicht wissenschaftliches Buch zu Factor Investing: Your Complete Guide to Factor-Based Investing: The Way Smart Money Invests Today*
Your Complete Guide to Factor-Based Investing: The Way Smart Money Invests Today

Medienempfehlungen von Professor Weber

Eine Auswahl der Bücher unserer Gäste

Gerd Kommer

Souverän investieren vor und im Ruhestand: Mit ETFs Ihren Lebensstandard und Ihre Vermögensziele sichern* Souverän investieren mit Indexfonds und ETFs: Wie Privatanleger das Spiel gegen die Finanzbranche gewinnen*
Souverän investieren vor und im Ruhestand: Mit ETFs Ihren Lebensstandard und Ihre Vermögensziele sichern Souverän investieren mit Indexfonds und ETFs: Wie Privatanleger das Spiel gegen die Finanzbranche gewinnen

Martin Weber

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Kommentare

Fred sagt am 22. Juni 2020

Bei 3 Minuten nochmals fängt der Podcast nochmal an (Kommer spricht da grad über Faktoren, dann springt der Podcast wieder zur Vorstellung der Gäste).


Peter Himmel sagt am 22. Juni 2020

Ich sehe den Value-Faktor sehr kritisch, im Gegensatz zum Quality-, Momentum-, Size-Faktor, weil man den Value-Faktor nicht mehr mit Fundamentaldaten abbilden kann, wie z.B. noch im letzten Jahrhundert. Er unterliegt im MSCI-Universum einem systemsichen Fehler.

Der Fehler ist zum Teil im Rückblick-Bias begründet. Value (z.B. ishares MSCI World Value) wird mittlerweile durch die Fundamentaldaten signifikant falsch abgebildet. Aus einem Mix aus KGV, KUV, etc. lässt sich nicht mehr so einfach wie früher auf eine "wirkliche" Unterbewertung schließen. Wenn es in den 70er bis Mitte der 2000er Jahren noch ein Prämie für "nicht jedermanns" zugängliche Fundamentaldaten gab, sind sie heute über kostenlose Screener, Blogger, Social Communities in sekundenschnelle für "jedermann" abrufbar. Ein Value-Prämie, wie es früher sicherlich über diese Kennzahlen gab, ist schon längst "wegarbitriert". Das heißt nicht, dass es vereinzelt keine unterbewerteten Aktien (oft genannt z.B. Facebook oder Bayer) mehr gibt, aber sie werden in der Menge weniger und damit auch die "massenhafte" Prämie ansich.

Das was z.B. Buffet oder Hedgefonds-Manager als "Value" oder Unterbewertung bezeichnen, machen sie über viele hunderte Informationen, aus Sondersituationen (z.B. Buffet in der Finanzkrise mit den Banken) und auch gelegentlich Internas aus. Sowas lässt sich aber nicht einfach über ein paar Kennzahlen im MSCI World-Universum darstellen. Man kann den Begriff "Value" einfach nicht mehr mit Kennzahlen fassen und auch nicht so einfach von den anderen Faktoren trennen. War es nun z.B. das (Qulitative-)Wachstum oder die zumeist damtit verbundene Unternehmensgröße, die eine Value-Aktie auf eine positive Neubewertung durch den Markt zu einem späteren Zeitpunkt geholfen haben?

Zum Beispiel Momentum im Gegensatz dazu geht nicht so einfach wegzuarbitieren. Es kann nur "schneller höher bewertet" werden und Momentum-Zyklen verkürzen sich dementsprechend, z.B. von 1 Jahr auf nur noch 6 Monate. Dann müsste der Index bzw. ETF angepasst werden, um von den Prämien weiterhin zu profitieren. Mit kürzeren Zyklen erhöhen sich aber auch die Transaktionskosten. Es stellt sich also je nach Transaktionskosten ein Momentum-Prämien-Optimum ein.

Der Size-Faktor sollte systemisch bleiben, da kleine Firmen fast immer ein höheres Risikopotenzial haben (z.B. Finanzierung oder Marktmacht), zumindest solange er nicht von "private equity" der Börse entzogen und über diesen Umweg "wegarbitriert" wird. Diese Tendenz ist jedenfalls schon da...


Lukas sagt am 22. Juni 2020

Klasse Podcastfolge, hat mir wirklich viel neues beigebracht. Ich habe für mich entschieden auf den mini Effekt von Faktoren zu verzichten und konzentriere mich lieber darauf alles nachzubilden, also z.B. einen Emerging Markets IMI zu haben, der auch in Small Cap investiert ist.


Pawel Jaczek sagt am 23. Juni 2020

Zum Thema Value-Faktor:

The MSCI World Value Index captures large and mid cap securities exhibiting overall value style characteristics across 23Developed Markets (DM) countries*. The value investment style characteristics for index construction are defined using threevariables: book value to price, 12-month forward earnings to price and dividend yield.

Wer aktives Stockpicking mitunter nach Kennzahlen betreibt, der weiß das "dividend yield" (Stichwort Dividendenfalle) und "forward earnings" sowie "Kurs-Buch-Wert" (Stichwort Financial Engineering) kaum aussagekräftige Kennzahlen sind. Nur Anfänger hantieren mit sowas "ernsthaft". Wie man daraus einen dauerhaft Renditeträchtigen Faktor bauen soll, ist mir ein Rätsel. Das zeigt eigentlich nur, dass es den Overconfidence-Bias noch ausreichend gibt . Gibt es eigentlich auch ein "Dumme-Leute-im-Markt"-Faktor oder ein "Leute-können-das-Risiko-nicht-einschätzen"-Faktor? ;)

Fama und French kommen auch zu der Einsicht, dass der Value-Faktor durch verschiedene (Sub-)Quality-Faktoren (Investitionsarmut und Profibilität) sich auflösen kann, zumindest im S&P 500.

Zum Thema Small-Cap-Faktor:
Kein IMI, d.h. es sind schon mal vorab alle "small caps" ausgeschlossen, was z.B. ein negativer small cap Faktor bedeutet. Wobei ja theoretisch die allermeisten mit ihren Standard-MSCI-World-ETFs diesen Faktor aktiv ausschließen. Anyway...

Die gängigen von Gerd Kommer genannten Faktoren sind auch zyklisch und müssen dementsprechend eingesetzt werden. Das schließt in der Folge eine langfristiges Buy-and-Hold-Strategie (> 10 Jahre) aus und wirft die alten Problematiken Market-Timing und Transaktionskosten/Steuern auf.

Faktor-Strategien kann man am besten als ETF-Core-Satellite-Strategie umsetzen. Ein Beispiel: Als Core-Element der "ACWI IMI" und in prosperierenden Zeiten Momentum und Small Caps dazu. Sollte es sich in eine Rezession drehen, wie Ende 2019 befürchtet und 2020 durch Corona ausgeslöst, muss man die Satellites umschichten zu Quality oder Low Vola. Kurz nach der "Krise" müsste die Stunde des Value schlagen, aber der ist wie oben beschrieben nicht wirklich investierbar.

Übrigens wer 70% MSCI World und 30% MSCI EM fährt unbewusst auch ein so ein Modell. (Core=Industrieländer, Satellite=Political Risk-Prämie der Schwellenländer)


Jens sagt am 23. Juni 2020

Sehr gutes Streitgespräch!

Es ist ja so, dass das Faktorinvesting in den letzten Jahren massiv gehyped und von der Finanzindustrie und verschiedenen Berater massiv in Kundenportfolios gedrückt wurde.

Prof. Weber und John Bogle sehen in Faktoren keinen Vorteil für Investoren. Dr. Kommer hält Faktoren für eine „ambitionierte“ Form des passiven Investierens. Finde es gut und richtig, dass Herr Prof. Weber darauf hingewiesen hat, dass Factorinvedting auf Investmentebene kein passives Investieren ist - sondern ein aktives „Rein“ und „Raus“ - je nach Stand der Kennzahlen, die für die vom Kunden gewählten Faktoren maßgeblich sind. Persönlich würde ich mich darüber freuen, wenn eine einfache und systematische Kennzahlenanalyse zu besserer Rendite führen würde - habe daran echte Zweifel und bleibe dabei - ein Vanguard All-World reicht!


Mr.Bigwig sagt am 24. Juni 2020

Etwas unverständlich finde ich, dass Weber in seinem ARERO nach BIP gewichtet. Eine Gewichtung nach Value bzw. eine Übergewichtung von political Risk führt zum fast selben Ergebnis, lässt sich aber besser begründen.

Sein ganzen contra Faktor Argumente lassen sich jedenfalls noch einmal besser gegen eine BIP-Gewichtung anwenden...

Konsequent passiv wäre ein FTSE All World und fertig, auch im ARERO.


Michael sagt am 25. Juni 2020

Die umweltbewussten Leser können "Genial einfach investieren" auch papierfrei und kostenlos von der arero-Webseite "downladen"


Finanzwesir sagt am 25. Juni 2020

Hallo Fred,
sorry, ich konnte das nicht nachvollziehen. Ist das immer noch so bei Dir?

Gruß
Albert


Finanzwesir sagt am 25. Juni 2020

Hallo Fred,
sorry, ich konnte das nicht nachvollziehen. Ist das immer noch so bei Dir?

Gruß
Albert


Markus sagt am 25. Juni 2020

@Mr.Bigwig

Die BIP-Gewichtung und auch der Rohstoffanteil des Arero dürften im Zusammenhang mit dem Auflagedatum stehen. Der Fonds erblickte im Jahr 2008 das Licht der Welt. Zum damaligen Zeitpunkt waren sehr viele Anleger von Schwellenlandanlagen begeistert und entsprechende Anlagen sind damals auch wirklich gut gelaufen - kurz: BRIC & Co waren damals voll im Trend.

Die BIP-Gewichtung führt zu einer Schwellenlandübergewichtung im Fonds, die in den letzten Jahren Performance kostete. Meiner Meinung nach ist es so: Der Ort an dem der Betrieb seinen Sitz hat, ist nicht bedeutend. Apple & Co. machen weltweit Geschäfte und Stellen ihre Produkte nicht am Firmensitz her - der Heimatstaat/das Domizil der Gesellschaft ist also egal. Rohstoffe waren um 2008 herum auch ziemlich in Mode und sind auch "gut gelaufen". Außerdem wird in den Rohstoffen ein zusätzlicher Diversifikationsnutzen gesehen.

Ein einfacher All-World + (Staats-)Anleihenfonds in Heimatwährung und hoher Bonität kann jeder Anleger selbst finden - dafür brauchts keine Dachfondskonstruktion. Verkauft wird hier halt das kompliziertere Produkt, dass keinen erkennbaren Renditevorteil bringt.


ChrisS sagt am 26. Juni 2020

@ Mr. Bigwig

Sein ganzen contra Faktor Argumente lassen sich jedenfalls noch einmal besser gegen eine BIP-Gewichtung anwenden...

Ja, das ging im Podcast etwas unter bzw. war halt nicht Thema der Debatte, die sich mehr auf Kommer und das Für/Wider "seiner" Faktoren konzentrierte, aber je nachdem wie "fundamentalistisch" man seine Definitionen ansetzt (ie. z.B. "Faktoren = regelbasierte Abweichung vom mk-gewichteten Marktportfolio, von der man sich Outperformance erwartet" o.ä.) würde auch das, was Weber/Arero praktiziert, im Grunde denselben "Tatbestand" erfüllen und genauso kritisiert werden können.

Wir können das ja mal beispielhaft an der BIP-Gewichtung durchexerzieren. Warum soll man überhaupt nach BIP gewichten? "Also unsere langfristigen Backtests haben gezeigt, dass damit historisch eine gewisse Überrendite (von bspw. einskommairgendwas Prozent) herauszuholen war" - ahja alles klar, also dass es überhaupt funktioniert, leitet man aus langfristigen Backtests ab (ist übrigens ja auch erstmal an sich nichts grundsätzlich total unvernünftiges, oder sagen wir mal andersrum, wenn die langfristigen Backtests stattdessen ergeben hätten, dass BIP-Gewichtung ein systematischer Unterperformer wäre, wäre es ja nicht populär geworden und niemand würde es praktizieren).

Soweit so gut, nun ist nur das "Problem", dass diese Argumentationslinie auch genauso gut von allen anderen "Faktoren" in Anspruch genommen werden kann/wird. Auch die Vertreter von Value, Momentum, Volatility usw. stützen sich halt auf ihre Backtests in denen die outperformt haben, man kann sich nun schwer hinstellen und sagen, nein das gilt jetzt aber wieder nicht bzw., dass Backtests eigentlich komplett für die Katz sind, wenn man nicht selbst auch genauso kritisch die eigenen darauf aufgebauten Abweichungen vom Marktportfolio damit hinterfragt.

Aber okay, selbst wenn wir die Diskussion über Sinn und Nutzen von Backtests, also warum die für das BIP noch gelten sollen aber für Faktoren nun auf einmal irgendwie nicht mehr, dahingestellt lassen, und uns fragen, was denn nun eigentlich die Begründung sein soll, warum man von einer BIP-Gewichtung Outperformance erwartet, also was die dahinterliegende Erklärung sein soll (irgendeine sollte man schon haben, damit man auch einschätzen kann, ob der Nutzen dieses Vorgehens "systemisch" (also dauerhaft, zuverlässig, signifikant) genug ist, dass es Sinn machen würde langfristige B&H-Allokationsentscheidungen danach auszurichten), käme man in selbe Interpretationsspielchen, die man vorher bei Faktor-Begründungen noch kritisiert hat, da sich beides hier wieder schneidet - man also die historische Outperformance von BIP auch mit seinen historischen "Faktor-Effekten" erklären könnte. Denn wozu führte eine BIP-Gewichtung denn in Abweichung zur Marktgewichtung in der Praxis?

Da hier systematisch "überbewertete" (iSv MK > BIP) Regionen zurückgestutzt und "unterbewertete" Regionen übergewichtet werden, führt das tendenziell immer zu einem Portfolio mit niedrigeren Bewertungskennzahlen, als das Weltmarktportfolio, also partizipiert man am Value-Faktor (im guten wie im schlechten, wenn Value unterperformt laufen auch BIP-Portfolios meist schlechter als der Markt, siehe aktuell die letzten Jahre). Dadurch, dass es auch gerade die EMs sind, die ggü. dem Marktportfolio signifikant übergewichtet werden, spielt hier also auch noch der "political risk"-Faktor mit rein. Und da in den durch BIP übergewichteten Regionen auch die durchschnittliche MK-Unternehmensgröße meist noch geringer ist (als in den durch BIP untergewichteten Regionen), hat das ganze auch noch einen gewissen Size-Bias.

Als Begründung, warum eine BIP-Gewichtung eigentlich historisch langfristig outperformt hatte, könnte man sich das ganze also relativ schlüssig zusammenhängend mit dem etwas größeren Exposure an den erwähnten Faktoren erklären. In diesem Sinne ist also BIP-Gewichtung eigentlich auch "nur" eine (relativ ineffiziente) verkleidete Form von "factor investing in disguise", halt auf "Makro-Ebene" (es wird halt an der Regionengewichtung allgemein rumgedoktert anstatt an der direkten Aktiengewichtung innerhalb der Regionen wie beim "eigentlichen" Faktorinvesting).

Die Begründung für die Outperformance an BIP läge also an der etwas höheren Partizipation an bestimmten Outperformance-Faktoren. Und die Begründung, warum diese Faktoren (also Value, Size usw.) nun jeweils wieder outperformen, liegen meist irgendwelche risiko- oder verhaltensbasierte Ansätze zugrunde. Wenn man aber von den Faktoren nicht überzeugt ist bzw. sie kritisiert/ablehnt, müsste man sich halt fragen lassen, was dann noch als Begründung für die Outperformance von BIP übrig bleibt bzw. auf welche Annahmen man seine Überzeugungen stattdessen aufbauen will (und wie standhaltig die nun wieder sind ggü den selben Einwänden die man vorher noch bei Faktoren selbst gemacht hat).

Wir könnten den selben Spaß auch noch an dem 15 % Rohstoff-Anteil, den der Arero noch mit sich rumschleppt, genauso durchexerziereren - wäre Kommer, der ja mittlerweile von Rohstoffen nicht mehr so überzeugt ist, noch etwas angriffslustiger, hätte er ja mal Weber damit konfrontieren können, weil das im Grunde dieselbe "Problemlage" demonstriert, in die dem Faktor-Investing vorgehalten wird. Warum wurden Rohstoffe hinzugefügt? Weil sie in Webers langfristigen historischen Backtests einen Nutzen (Verbesserung des Rendite/Risiko-Profils) für das Portfolio ergeben hatten.

Also dieselbe relativ "oberflächliche" Betrachtungsweise ("sah in der Vergangenheit gut aus, also nehmen wirs einfach mal mit rein" - implizite Unterstellung ist dabei eben immer, dass das für die Zukunft auch schon irgendwie immer so weiter gelten wird), die bei den Faktoren kritisiert wird. Lustigerweise hat auch beides, also (zumindest einige) Faktoren und Rohstoffe auch gerade dasselbe "Praxisproblem", nämlich eine für die aktuelle mittelfristige Vergangenheit eher enttäuschende Performance (auch ein Grund warum grad überhaupt so daran herumkritisiert wird, wären wir wie noch bis 2007 in einer Outperformancephase wo alles läuft wie "versprochen", würde das viel unkritischer betrachtet und als "no brainer" gelten), und wenn das für Faktoren nun der Beleg sein soll, dass da "was faul ist", wäre ich mal auf die Begründungen gespannt warum Weber noch an seinem Rohstoffanteil festhält, denn so schwammige Prosa ala "äh ja das mag vielleicht sein, aber das ist ja nur eine zyklische Phase, wie sie historisch halt immer mal wieder vorkommt, aber das geht auch irgendwann wieder vorüber und langfristig wird sich der Nutzen schon wieder mehr als zeigen!"
o.ä. kommt einem schon sehr bekannt vor, woher, achja das ist im grunde genau dieselbe Argumentationslinie, die auch Faktor-Vertreter als Rationalisierung benutzen, wenn sie halt mal auf ihre Performanceschwierigkeiten angesprochen werden.

Nun, entweder gilt das, dann gilt das aber auch für beides, oder man lässt es eben nicht gelten, dann sollte man es aber auch selbst für sich nicht in Anspruch nehmen können. Übrigens basiert auch ein beliebter Erklärungsansatz für die Unterperformance bei beidem (Rohstoffe und Faktoren) auf dem selben Prinzip, vereinfacht gesagt "seit der Zugänglichmachung für die breite Anlegermasse investieren da jetzt zuviele drin und dieses Overcrowding vermindert/wegarbitragiert den alten Nutzen (der noch aus Zeiten stammt wo nur wenige drin investierten)" o.ä.. Ohne jetzt wieder zu bewerten, inwieweit das nun stimmt oder nicht, ist es zumindest doch interessant wie sehr sich das ähnelt.

@ Pawel

Gibt es eigentlich auch ein Dumme-Leute-im-Markt-Faktor oder ein Leute-können-das-Risiko-nicht-einschätzen"-Faktor? ;)

Klar, bzw. je nach Betrachtungsweise ist immer irgendjemand anderes "der Dumme" dabei. Alle Strategien, die irgendwie Outperformance versprechen bzw. historisch gebracht hätten, basieren ja darauf, dass es eine Gegenpartei gibt, die einem durch ihr "dummes" Handeln diesen Vorteil erst verschafft.

Als Beispiel, unterstellen wir mal kurz einfach, dass Markettiming "funktionieren" würde, also ich könnte systematisch (dauerhaft, zuverlässig, signifikant) die "richtigen" Ein/Ausstiegszeitpunkte vom Markt vorhersagen. Wenn ich nun vor dem Crash verkaufe, ist "der Dumme" dabei derjenige, der mir meine Aktien/ETFs abgekauft hat (der trägt nun das "Risiko" des Kursabsturzes), genauso wenn ich den Tiefpunkt und die Erholung richtig vorhersage, muss ich meine Wertpapiere ja auch nur von irgendjemandem wieder einkaufen, tja und der Verkäufer ist nun der "Dumme" weil der die Renditeanstiege verpasst (relativer Verlust) die ich nun wieder damit einfahren werde.

Das ist zwar eine recht zynische Sichtweise (mal abgesehen davon dass es eben in der Praxis doch nicht so leicht ist immer "richtig" zu liegen, schon allein deshalb sollte man sich zurückhalten andere als "dumm" zu bezeichnen, weil man eben nie wissen kann ob man nicht doch auch selbst mal dazugehört) und die Finanzakademik verwendet dazu auch lieber etwas "technischere" Formulierungen anstatt direkt "Dumme" dazu zu sagen, aber im Endeffekt könnte man das auf jede Outperformance-Strategie so anwenden, und bei jedem Faktor etc nachschauen, wer eigentlich die Gegenpartei dazu ist und ob die damit nun besser oder schlechter als man selbst abschneiden.

Die gängigen von Gerd Kommer genannten Faktoren sind auch zyklisch und müssen dementsprechend eingesetzt werden. Das schließt in der Folge eine langfristiges Buy-and-Hold-Strategie (> 10 Jahre) aus und wirft die alten Problematiken Market-Timing und Transaktionskosten/Steuern auf.

Um sie "zyklisch" richtig einsetzen zu können, müsste man aber eben auch wirklich funktionierende Markettiming-Fähigkeiten haben, und das macht die ganze Sache wieder so unrealistisch, dass meistens empfohlen wird einfach b&h durch zu halten anstatt mit Timing-Spielchen am Ende nur mehr falsch zu machen und schlechter abzuschneiden, als wenn man einfach garnicht gehandelt hätte. (ist übrigens auch kein spezielles Faktoren-Problem, das gibts auch beim Versuch bspw. die "beste Aktienregion" zu picken und herumzutraden, oder allgemein auf der Meta-Ebene schon ob/wann man überhaupt in den Aktienmarkt (oder nicht) investiert, etc.)

Und wenn man schon wirklich echte Markettiming-Fähigkeiten hätte, also Anstiege und Abschwünge der Zukunft mit genügender Treffsicherheit vorhersehen kann, gäbe es auch wieder viel profitablere Spielzeuge anstatt so "Kinderkram" wie nur zwischen verschiedenen Faktor-ETFs hin und her zu switchen, sondern man könnte gleich mit irgendwelchen Hebelprodukten die richtig fetten Renditeprozente heben (wenn man echte Markttiming-Fähigkeiten hätte, gäbe es dabei ja quasi auch kein "Risiko", weil man nie falsch sondern immer richtig läge).

@ Jens

Es ist ja so, dass das Faktorinvesting in den letzten Jahren massiv gehyped und von der Finanzindustrie und verschiedenen Berater massiv in Kundenportfolios gedrückt wurde.

Hast du dafür konkrete Zahlen oder ist das eher so eine Gefühlslage?
Ein Beleg für solche Aussagen wären z.B. Antworten auf Fragen wie:

  1. Wieviel Kapital wird überhaupt schon generell in ETFs angelegt?
  2. wieviel Kapital davon entfällt speziell allein auf Faktor-ETFs, also wie relevant ist deren Anteil tatsächlich schon/noch?
    Und 3. die Entwicklung der Zahlen für 1 und 2 auch für einige Vorjahre, um zu sehen ob/wie sich das Verhältnis verändert (wachsen die Faktor Assets schneller als der Gesamtmarkt, ie. hier strömt wirklich überproportional mehr Kapital rein was so Formulierungen wie "Hype" oder "massiv" rechtertigen würde, oder wachsen die eigentlich auch "nur" relativ genauso wie der allgemeine Strom?).". (man könnte als Spitzfindigkeit auch noch ausdiskutieren, was überhaupt alles als "Faktorprodukt" gilt, ist es z.B. schon ein Smallcap-ETF den man sich ins Depot legt (oder wird er erst dazu, wenn man ihn >15% ggü. seiner MK gewichtet?), ist ein EM-ETF auch schon ein Faktorprodukt? etc.)

Denn wenn man sich mit dem Thema wirklich mal ein bischen länger beschäftigt, merkt man auch schnell wie wenig zielführend so so die Perspektive aus der bloßen Kleinanleger-Filterblase, in der "die Finanzindustrie/Berater den Kunden was in die Portfolios reindrückt" im großen und ganzen doch eigentlich ist.

Der weit überwiegende Großteil der ETF-Assets werden von Großinvestoren/Institutionellen gehalten (die Produkte wurden auch eigentlich originär für diese Zielgruppe mal initiiert, dass wir kleine Popel sie auch noch mitbenutzen können ist dabei eigentlich nur ein sekundärer Nebeneffekt), also nicht die kleine Oma Erna die in der örtlichen Bankfiliale noch irgendein Produkt ungesehen aufgeschwatzt bekommt, oder was man sich vielleicht so vorstellt, das moved oder shaked die Needle in der Welt nicht wirklich, und die Instis tun sich schon selbstständig und aus eigener Überlegung in die von ihnen gewählten Produkte begeben. Im Gegenteil, oft ist es auch so, dass gerade erst auf deren Wunsch und Verlangen sowas überhaupt aufgelegt wird. Wenn z.B. irgendein ETF-Anbieter mal wieder einen neuen Faktor-ETF rausbringt, macht er das nicht weil er Langeweile hat oder absichtlich irgendwelche popeligen Kleinanleger abzocken will. Auch nicht, weil Kleinanleger danach verlangen - wenn Oma Erna bspw. iShares anschreibt, dass sie doch gerne einen ETF auf asiatische Value-Aktien haben will, interessiert das die nicht die Bohne (genausowenig wie die rumsitzen und überlegen wie man nun Oma Erna nen asiatischen Value-ETF andrehen kann, da ist Aufwand/Nutzen einfach nicht gegeben).

Wenn aber nun ein millardenschwerer Pensionsfonds anklopft o.ä. und anfragt: "hey, wir tun grad einem aktiven Fondsmanager noch einskommairgendwas Prozent an Gebühren pa für Exposure zu asiatischen Value-Aktien bezahlen, schaut mal nach ob ihr uns nicht einfach dasselbe in ein schlankes Indexkonzept für weniger Gebühren gießen könnt", dann bewegt sich erst was.

In was die Kleinanleger von den "Beratern" reingedrückt werden, sind immer noch zum weit überwiegenden Teil die alten klassischen aktiven Fonds etc, warum, ganz einfach, weil es da viel mehr zu verdienen gibt (und die Sorte Anleger, die sich da reindrücken lassen, sind ja gerade nicht die Leute hier, die Kosten erkennen und deshalb selbstständig in ETFs anlegen). Ein ETF, ja auch die "teureren" Faktor-ETFs (wobei man auch hier mal immer noch die Kirche im Dorf lassen muss, konkret reden wir meist vllt um 0,2-0,3 % Unterschied) wirft einfach zu wenig / garnichts für die ab und werden wenn überhaupt in dieser Sorte Vertrieb (wir reden ja gerade von den "Drückern") nur mit Murren angeboten. Lieber wird noch primär das verkauft, wo man auch noch selber schön Provision mit verdienen kann (am geilsten natürlich, wenn das ganze dann auch noch in mehreren Kostenschichten verpackt wird, z.B. ne fondsgebundene Rentenversicherung etc.), achja und selbst wenn doch nur die Leute gemeint sind, die von Provis eher unabhängig sind, also z.B. Honorarberater, die spielen auf dem Markt hierzulande was die Kunden/Assets angeht, noch eine sehr untergeordnete/keine Rolle, können also auch keinen wirklichen "massiven Hype" auslösen.

@ Peter Himmel

Ich sehe den Value-Faktor sehr kritisch. Er unterliegt im MSCI-Universum einem systemsichen Fehler.

Das wäre übrigens kein alleiniges "MSCI-Problem", alle sonstigen Indexanbieter (S&P, FTSE, Stoxx, usw.) benutzen auch ähnliche Kennzahlen-Modelle.

Value wird mittlerweile durch die Fundamentaldaten signifikant falsch abgebildet.

Ich hatte ab und zu mal Erklärungsansätze gelesen, die relativ nachvollziehbar darlegen, dass es dabei vor allem die Preis/Buchwert-Variable ist, die heute nicht mehr so richtig "funktioniert" und naive Valuestrategien (die halt besonders auf diese Kennzahl konzentriert sind) ins Hintertreffen geraten lässt. Aufgrund der veränderten Wirtschaftsstruktur (insb. technologischer Fortschritt) gibt es heute immer mehr Firmen, deren "Wert" sich nicht mehr so schön einfach wie bei den "alten" Industrieunternehmen mit ihren "hard assets" definieren lässt, sondern viel mehr auf schwieriger zu greifende "intangibles" basiert.

Hier mal ein Beispiel für ein Paper was u.a. in diese Richtung argumentiert. Da wird sich mit dem nachlassenden Value (bzw. der Umsetzung mit einfachen Kennzahlen) auch etwas tiefgründiger auseinandergesetzt als der doch recht "oberflächliche" Betrachtungsansatz, dass es heutzutage bspw. zuviele Stockscreener gäbe, mit denen ja "jeder" in Value-Aktien anlegt und damit der Effekt wegarbitragiert würde. Wenn man sich anschaut, wie wenig Kapital auf dem Markt eigentlich von "den Kleinanlegern" konkret bewegt wird, und wer da tatsächlich die relevanten Player sind, sollte man auch skeptisch gegenüber vielen, zu simplen ad-hoc Erklärungsversuchen die auf "Kleinanlegern" basieren, sein.


Eva von kinderleichtefinanzen.de sagt am 26. Juni 2020

Danke für den Podcast, als integrierte Multifactor Investorin fand den besonders interessant.

Doch wie alle, die sich mal für eine Anlage entschieden haben, lasse ich mich schlecht eines anderen belehren. Daher fand ich weiterhin Gerd Kommer überzeugend. Doch: arm sterben werden wir wahrscheinlich nicht, so oder so.

Mich würde interessieren, was haltet ihr von dem neuen integrierten Multifactor Region aware ETF von JP Morgan? Der hat nur eine TER von 0,19%. So viel wie ein herkömmlicher ETF ohne Faktoren. Basiert auch auf dem FTSE Multifactor. Das wäre dann ja wohl best of both worlds? Eventuell höhere Renditen. Falls nicht, dann wenigstens nicht mehr Kosten. Oder habe ich da was übersehen? Er ist halt noch nicht mal ein Jahr auf dem Markt und sehr klein.


Cui Boner sagt am 26. Juni 2020

Wer sich weitegehend mit dem FaktoreInvesting beschäftigen möchte kann das auch bei BlackRock tun:

https://www.blackrock.com/ch/privatanleger/de/themen/factors#aktive-faktoren


ChrisS sagt am 26. Juni 2020

@ Eva

"Mich würde interessieren, was haltet ihr von..."

Also erstmal generell, wir sind hier eigentlich nicht so auf der Einzelprodukt-Besprechungs Ebene unterwegs.

Wir könnten dir ja schon noch nichtmal sagen, was denn nun bspw auch der "beste" einfache MSCI World ETF (sei's nun der von iShares, oder der von xtrackers, oder der von Lyxor, oder doch lieber der von... usw.) sein soll. Also klar, jeder einzelne hat da vielleicht bestimmte Meinungen dazu, warum gerade der oder der nun für ihn in frage kommt oder nicht, aber die Hausmeinung generell dazu ist jedenfalls, dass sich solche Produktbesprechungen im einzeln zuwenig lohnen als dass darüber noch groß diskutiert werden muss. Anders gesagt, die Hauptmission/Zielgruppe ist hier, die Leute überhaupt mal vom Sparbuch weg in den MSCI World allgemein rein zu bewegen (da werden dann schon die großen Rendite-Deltas gehoben), und nicht, welcher einzelne MSCI World ETF von den vielen es nun konkret im Einzelnen genau sein sollte (da geht es dann nur noch um insignifikante Renditeunterschiede, welche das Aufwand/Nutzen-Verhältnis einer Diskussion darüber nicht rechtfertigen).

Zwotens, du solltest dich dabei auch nicht so rein auf die TER konzentrieren, etwas fortgeschrittener wäre eine holistische Total Cost of Ownership - Betrachtung, wenn überhaupt. Aber selbst das ist noch nichtmal das entscheidende.
Du scheinst, so klingts für mich wenigstens, da irgendwie noch einem gewissen Missverständnis anzuhängen. "Eventuell höhere Renditen. Falls nicht, dann wenigstens nicht mehr Kosten." So als ob auf der "Upside" es ja quasi nur höhere Renditen geben kann (World-Rendite plus X), während die "Downside" nur auf die Rendite des einfachen MSCI Worlds, abzüglich der paar Basispunkte höheren Faktor-ETF Kosten, begrenzt wäre. Das ist aber ein fataler Trugschluss.

Das "Kosten"-Argument "gegen" Faktor-ETFs war nie das entscheidende dabei. Die reinen Produktkosten von Faktor-ETFs sind tatsächlich nur irrelevant höher bzw. nicht das Problem dabei, sondern die ganze Diskussion dreht sich viel mehr schon um die Sinnhaftigkeit bzw. das Für/Wider vom Investieren in Faktoren generell.

Mal nur als herausgepicktes Extrembeispiel zur Verdeutlichung des Problems - der iShares MSCI World Value ETF hat den normalen MSCI World in den letzten fünf Jahren um stand heute 36,24 % unterperformt (-2,06 % vs 34,18 %), bzw. annualisiert (-0,42 vs 6,06) um 6,48 %. Die "reinen Kostenunterschiede" (Value 0,30 % TER, Core World 0,20 %) würden nur ganze lächerliche 0,10 % dieser pa Renditedifferenzen erklären, die restlichen 6,38 % wurden halt vereinfacht gesagt davon verursacht dass der Value Faktor generell einfach mal "scheiße lief" (oder wer will kann auch versuchen zu argumentieren, dass das MSCI Indexprodukt diesen Faktor einfach nur schlecht abbildet/umsetzt, aber das wär ein eigenes Thema). Du siehst also, die durch die Faktorkriterien hervorgerufene Aktienauswahl/abweichung (zum Marktportfolio) wird am Ende immer eine größere Renditeunterschiedsquelle sein als nur die TER-Differenzen. Gerade wenn man nicht, wie es ja manche Indexanbieter dann doch wieder machen, versucht die Abweichungen zum Benchmark durch allerhand weitere Konstruktionseingriffe wie Caps oder Sektorneutralität dann rückwirkend wieder einzugrenzen. Und hey, die Abweichungen sind ja erstmal auch nichts "prinzipiell" schlechtes, sondern gerade das was sich Faktoranleger davon erwarten/ damit erreichen wollen: eine durch unterschiedliche Faktorselektion vom Markt abweichende Aktienauswahl/gewichtung mit dem Ziel, damit natürlich langfristig vor allem möglichst "positive" Abweichungen von der Marktrendite, nach oben, zu erhalten.

Die Kernfrage der Problemdiskussion dreht sich dann hinterher eigentlich vor allem eher schon darum, ob das eben besonders aussichtsreich und "systematisch" (dauerhaft, zuverlässig, signifikant) möglich ist, es also Sinn machen würde speziell in solche Faktorkonzepte langfristig zu investieren. Und das ist noch nicht wirklich abschließend geklärt (wenn das überhaupt je irgendwann sein könnte).

So und am Ende ist die ganze Produktfrage sowieso eh irgendwie falsch rum gestellt. Anstatt das wir dir erklären sollen, warum der spezielle JPM-ETF nun gut oder schlecht wäre, müsstest du doch erstmal in Vorleistung gehen und uns erklären warum du den ETF so interessant findest (also zumindest interessant genug, dass du ihn ja hier besprochen haben willst), also was genau an dem so besonders sein soll.

Einfach nur "ja der ist halt günstig" ist da noch kein Argument. Günstig sind auch andere ETFs, na und? "Basiert auf dem FTSE Multifactor"? Was soll uns das jetzt bedeuten? Könntest du uns sagen, was dieser Index besser macht als zB. der MSCI World Diversified Multiple Factor Index oder der Goldman Sachs Equity Factor World Index oder der Scientific Beta Developed Multi-Beta Multi-Strategy Four-Factor ERC Index, um mal nur einige Beispiele für weitere weltweit anlegende Faktorprodukte zu nennen. Als überzeugte integrierte Multifaktor Investorin hast du dich ja bestimmt tiefgehend damit auseinandergesetzt und könntest die verschiedenen dahinterstehenden Faktorkonzepte verstehen, vergleichen und uns vermitteln, warum gerade der eine besser als die anderen sein soll. Und damit meine ich nicht nur einen bloßen Performancevergleich (also "der is halt besser weil er besser rentiert" lol), das wär ja nur oberflächlich (mal abgesehen davon dass es aufgrund der noch zu kurzen Historie des Segmentes eh müßig ist), sondern hintergründig aus den methodologies der Indexkonstruktion und seiner Zusammensetzung ableitend erklären warum von ihm welche Vorteile zu erwarten sind.

Oder mal andersrum gefragt - warum möchtest du das eigentlich wissen? Bist du noch nicht darin investiert, aber potentiell daran interessiert, und möchtest die Entscheidung darüber hier an andere delegieren, die dir erklären sollen warum das eine/keine gute Idee wäre? Oder hast du dich eigentlich schon entschieden und bist schon investiert (wie sonst wird man eigentlich überhaupt "integrierte Multifaktor Investorin?) und die Frage war eher "rhetorisch" gestellt, insofern als dass es deine schon getroffene Anlage eigentlich nicht weiter beeinflusst und du dir eigentlich nur nochmal die Bestätigung von außen hier abholen willst von Leuten die dir zusätzlich nochmal extra versichern sollen dass du auch damit "alles richtig" gemacht hast?
Sorry falls das böser klingt als es eigentlich gemeint ist, ich meins ja gut und bin ernsthaft ehrlich daran interessiert was du daran so besprechenswert findest. Solangs nicht wirklich nur das schnöde Kostenargument ist, was wirklich langweilig und irrelevant ist, könnte es ja vielleicht wirklich spannende Anlässe geben über die es dann auch lohnt zu diskutieren. :-)

Ansonsten könntest du dir ja auch mal durchlesen, was ich vor ein paar Wochen auch eh schon zu Multifaktor mal geschrieben hatte , vielleicht ist da was bedenkenswertes für dich dabei, und du könntest mal deine (also nicht die wiedergegebene von Herrn Kommer oder so) Gedanken zu Faktoren/Multifaktor etwas ausführlicher darlegen.


Werner sagt am 27. Juni 2020

Herr Kommer hat Herrn Weber fast nie zu Wort kommen lassen, sehr einseitiges Gespräch.


Max Alpha sagt am 28. Juni 2020

Entweder man glaubt oder man glaubt nicht.

Weber und Kommer zählen beide zu den klugen Köpfen. Sie haben viel Zeit in das Thema investieren können, da letztlich beide ihre Brötchen damit verdienen. Diese Zeit habe ich nicht. Ich verdiene mein Geld anders. Nach meiner Ansicht ist es dem Laien nicht möglich, abschließend zu beurteilen, welcher der Ansätze nun der bessere sein wird (es sei denn, man hat das Grundwissen, den Verstand und die Zeit, sich in die umfangreiche Literatur wirklich einzuarbeiten und dort auf dem laufenden zu bleiben. Wem das neben dem Job gelingt, sollte ernsthaft darüber nachdenken, sich an Webers Institut oder an einem ähnlichen Institut zu bewerben). Die Frage nach der positiven Wirkung von Faktoren ist für den laienhaften Investor nach meiner Auffassung eine Glaubensfrage.

Ich habe mich bislang gegen die Nutzung von Faktoren entschieden. Lediglich die EM sind bei mir augenblicklich höher gewichtet ( rund 40%). Nach dem Erreichen einer bestimmten Zielmarke werde ich diese -so der Plan- durch Ruhenlassen des Sparplans auf 20% zurück führen. Verlockend wäre es schon, den Unrat aus den breiten Indizes auszukehren. Aber ich glaube noch nicht, dass das funktioniert.

Gruß Max Alpha


Eva von kinderleichtefinanzen.de sagt am 30. Juni 2020

@ChrisS

wow, das war ja mal eine Antwort auf meine Frage. Vielen Dank, dass du dich so eingehend damit beschäftigt hast.

Zu deiner Frage, warum ich überzeugte Multifaktor-Investorin bin:

Ich habe das aktuelle Buch von Gerd Kommer "Souverän investieren mit Indexfonds und ETFs" durchgelesen. Nicht mehr, aber immerhin auch nicht weniger. Es hat mich überzeugt, nicht weil ich eine Expertin bin und alles selbst nachgerechnet habe, sondern weil die Argumentation für mich schlüssig ist. Aus vier Gründen:

1) Ein herkömmlicher ETF ist ja auch ein Faktor auf den "Market Cap". Das unterstützt meines Erachtens zu sehr große Unternehmen. Vielleicht kann ich ja mit Multifaktor-ETFs helfen, das ein oder andere Monopol zu verhindern. (Mir ist klar, dass ich da ein sehr kleines Rädchen bin und auch im Vergleich zu Regulierungen, die ihren Beitrag zu Monopolen leisten, zu vernachlässigen bin)

2) Mir gefällt der Gedanken, dass es bei den Finanzen, wie überall im Leben, kein schwarz/weiß gibt: Die Regel, dass der Markt immer den richtigen Preis findet, ist meines Erachtens umso zutreffender, weil es eben ein paar Ausnahmen gibt zu der Regel. (Momentum etc)

3) Gerade, weil das Argument des Performance-Chasings in vielen Bereichen gilt, ist es für mich ein Argument für den Factor Value. Wenn der nicht so gut abgeschnitten hat in den letzten 10 Jahren, dann vielleicht in den nächsten 10? Wer weiß. Vielleicht ist es auch das Ende des Values mit den ganzen Aktienrückkaufprogrammen und der Geldschwemme.

4) Ich habe vor, das Investment ca. 20-30 Jahre liegenzulassen. Angeblich soll ja bei einer langen Laufzeit der Effekt von Multifactor-ETFs größer sein. Aber das wissen wir alle erst im Nachhinein.

Die Downside eines Multifaktorinvestments ist nicht nur reduziert auf die höheren Gebühren, sondern auf eine langfristige underperformance. Schön, dass du es nochmal so aufzeigst, weil in meinem Posting kam das nicht so richtig raus.

Dabei habe ich "überzeugte Multifaktor-Investorin" etwas verkürzt dargestellt. Ich bin mit kleinem Budget investiert in den JP Morgan und ich habe bis jetzt noch keinen Haken an der Sache gefunden. Er basiert eben auf den Multifaktor Index von FTSE, bei dem keine Small Caps inkludiert sind. Was ja nicht so schön ist, weil die anderen Faktoren vor allem bei kleinen Unternehmen Kraft haben. Doch die anderen Multifaktor-ETFs, die ich gefunden habe, haben auch keine größeren Firmen. Und der ETF ist sehr jung mit nur wenig Kapital.

Nun habe ich gehofft, von dem einen oder anderen mehr Nachteile zu erfahren, bevor ich noch mehr investiere. Dabei dachte ich, dass diese Analyse vielleicht auch für jemand anderen hilfreich sein könnte, der auf der Suche nach einem Multifactor-ETF ist.

Ich verstehe schon, dass es hier jedoch nicht um Einzelprodukte gehen soll. Dann muss ich wohl selbst in die Hand nehmen. Ist auch in Ordnung so.

Viele Grüße,
Eva


Marius sagt am 30. Juni 2020

Was mich am meisten an diesen Faktoren stört ist die Art wie diese "entdeckt" werden. Da werden zum Beispiel alle Small Caps in einen Topf geworfen und dann wird festgestellt, Small Caps performen beser als der Durchschnitt. Und schon hat man einen Faktor.

Das ergibt doch aber besten Falls einen Anfangsverdacht für einen Small Cap Faktor. Dass Small Caps besser performen, muss doch nicht daran liegen, dass es Small Caps sind.

Man müsste als nächsten Schritt erst einmal soweit wie möglich anderen Parameter ausschließen und möglichst nur den Einfluss der Aktiengröße ermitteln.

Also zum Beispiel Aktienkörbe basteln die jeweils die gleiche Branche bzw. den gleichen Markt bedienen und sich nur in der Aktiengröße unterscheiden. Es könnte ja sein, dass in den Small Caps einfach nur Autoaktien, Banken, Fluggesellschaften etc. untergewichtet sind und dies zur Outperformance geführt hat.

Also zum Beispiel Puma vs. Nike, Frosta vs. General Mills, Commerzbank vs. Wells Fargo, Team Viewer vs. Adobe, Zalando vs. Amazon.

Bei den anderen Faktoren das gleiche. Welche Branchen sind denn wie im EM ggü. DM Index gewichtet. Wie hat sich deren Gewichtung geändert? Gerade wenn man längere Zeitreihen der EM betrachtet. Das Gewicht von China hat zugenommen. Welche externen Einflüsse hatten die Performance beeinflusst? Zum Beispiel Ölpreis und Dollarkurs als EM-Beeinflusser.


Geduld+Spucke sagt am 30. Juni 2020

@ChrisS

Das "Kosten"-Argument "gegen" Faktor-ETFs war nie das entscheidende dabei.

Ich verstehe nicht ganz, was hier gemeint ist. Wenn es nicht möglich ist, den gesamten Markt systematisch durch Teilselektion zu schlagen, ist es genauso unmöglich, durch Teilselektion systematisch schlechter abzuschneiden. Wäre es anders, bräuchte man ja nur den Markt ex Underperformer zu kaufen und hätte den Outperformer-ETF geschaffen.

Also sollte der Erwartungswert der Performance eines ETF, der einen bleibigen Teil des Marktes abbildet, immer noch die Marktrendite sein. Daß bei einer konkret gegebenen Anlageperiode eine Diskrepanz zum Marktdurchschnitt bestehen wird ist klar. Aber die kann nach oben oder unten sein. Deine Übersicht über die verschiedenen Faktoren zeigt genau das auch sehr schön. Mit Faktoren wird das Ergebnis also ein anderes sein, aber nicht systematisch schlechter als die Marktrendite.

Also gibt es aus meiner Sicht nur zwei Argumente gegen Faktoren: Höhere Kosten und geringere Diversifikation (also höhere Vola), weil die Zahl der Titel im Fonds naturgemäß kleiner sein muß, als in einem marktbreiten Fonds.

@Eva von kinderleichtefinanzen.de

Ich finde den Fonds auch interessant. Habe aber nicht ganz verstanden, wie die das "Region Aware" funktioniert und was ich generell davon halten soll. Hier befindet sich eine Beschreibung des Index.

@alle

Ist euch aufgefallen, daß Gerd Kommer und Martin Weber dasselbe Argument für die Begründung zweier jeweils sich widersprechender Schlußfolgerung verwendet haben?

Martin Weber:
-Faktoren haben früher funktioniert, in letzter Zeit nicht mehr und es gibt keine rationale Erklärung, warum sie wiederkommen sollten. Also keine Faktoren.

  • Rohstoffe haben in der letzten Jahren nicht gut funktioniert. Aber wir hatten ja auch keine Inflation. Wenn die wieder kommt, sieht's vielleicht anders aus. Also ja zu Rohstoffen.

Gerd Kommer:

  • Faktoren haben die letzte Zeit nicht gut funktioniert, aber es ist normal bzw. erforderlich, daß es Phasen gibt, wo sie nicht funktionieren. Also ja zu Faktoren
  • Rohstoffe haben in den letzten Jahren nicht gut funktioniert, also weg mit Rohstoffen.

Die Symmetrie der Argumentation ist schon putzig.

@Max Alpha

Würde vielleicht dafür sprechen, daß es tatsächlich eine Glaubensfrage ist.


ChrisS sagt am 01. Juli 2020

@ Eva

1) Ein herkömmlicher ETF ist ja auch ein Faktor auf den Market Cap. Das unterstützt meines Erachtens zu sehr große Unternehmen.

Du "unterstützt" mit dem Kauf eines ETF (oder einzelnen Aktien auf dem Sekundärmarkt Börse) doch eigentlich garkeine Unternehmen. Das Geld, mit dem du die Wertpapiere kaufst, landet ja nicht direkt in den Taschen der jeweiligen Unternehmen, sondern geht nur an die anderen Händler, die dir ihre Wertpapiere dazu mal verkauft haben. Wirklich direkt Geld zu den Unternehmen fließt nur bei IPOs oder Kapitalerhöhungen.

Vielleicht kann ich ja mit Multifaktor-ETFs helfen, das ein oder andere Monopol zu verhindern.

Monopole werden nicht dadurch verhindert, dass du dich weigerst von einem Unternehmen mal seine Aktien zu kaufen, oder andersherum gesagt, die Monopolstellung eines Unternehmen wird nicht durch seine Marktkapitalisierung erzeugt (siehe oben, das Geld mit dem du Aktien auf dem Sekundärmarkt Börse kaufst, landet nicht direkt in den Taschen der Unternehmen) - sondern es ist wenn überhaupt eher andersrum, es ist doch meist erst die (bereits) marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens (in der "Realwirtschaft", nicht an der Börse), welche dann im Nachhinein eine höhere Marktkapitalisierung mit sich bringen kann (nicht muss, es gibt auch Gegenbeispiele, aber zumindest eine Tendenz lässt sich wohl beobachten, weil eben Anleger marktbeherrschende Unternehmen mit ihren Preissetzungsvorteilen für attraktiver halten). Also nicht Ursache und Wirkung verwechseln.

Wenn du "Monopole verhindern" willst, musst du schon selber in der Realwirtschaft tätig werden, also als Konsument von Waren und Dienstleistungen eben nicht beim "größten" Anbieter einkaufen zu gehen (so bekommen die Unternehmen ja auch direkt Geld von dir - oder eben nicht). Also nicht mehr bei Amazon shoppen usw. .:-D

2) Mir gefällt der Gedanken, dass es bei den Finanzen, wie überall im Leben, kein schwarz/weiß gibt: Die Regel, dass der Markt immer den richtigen Preis findet, ist meines Erachtens umso zutreffender, weil es eben ein paar Ausnahmen gibt zu der Regel.

Was für eine Regel soll das sein? Meinst du damit etwa die Markteffizienzhypothese? In der geht es eigentlich eher darum, dass "dass die Preise, die in einem Markt erzielt werden, sämtliche Informationen reflektieren, die in diesem Markt verfügbar sind." Das hat erstmal noch nichts damit zu tun, dass die Preise dann auch "richtig" (überhaupt, was für ein Begriff soll dabei auch "richtig" überhaupt bedeuten?) sein müssen, sondern nur jeweils die aktuelle, gewichtete Erwartungshaltung aller seiner (auch unterschiedlich informierten) Teilnehmer widerspiegeln. Und die ändert sich auch fortlaufend, also z.B. kommen neue Informationen, es können auch Teilnehmer wechseln, etc., so finden ständig Neubewertungen der Preise statt, so dass es dabei nicht hilfreich ist, in Kategorien wie "richtig" (oder "falsch") zu denken.

3) Gerade, weil das Argument des Performance-Chasings in vielen Bereichen gilt, ist es für mich ein Argument für den Factor Value. Wenn der nicht so gut abgeschnitten hat in den letzten 10 Jahren, dann vielleicht in den nächsten 10? Wer weiß.

Damit ist eher "mean reversion" gemeint, also wenn du aus dem eher unterdurchschnittlichen Abschneiden von Value in der Vergangenheit eine Erwartung für überdurchschnittliches Abschneiden in der Zukunft ableitest.

"Performance-Chasing" beschreibt eher das gegenteilige (Anleger-) Verhalten, also wenn aus "ist in der Vergangenheit gut gelaufen" ein "wird auch weiter so in der Zukunft gut laufen" abgeleitet erwartet wird. (rhetorische Überlegung - könnte man das nicht auch allen Faktor- u. sonstigen Outperformance-Ansätzen unterstellen? Es wird aus langfristigen Vergangenheitsbacktests die Erwartung abgeleitet, dass das auch in Zukunft bestand hat und weiter Überrendite bringt)

Vielleicht ist es auch das Ende des Values mit den ganzen Aktienrückkaufprogrammen und der Geldschwemme.

Hier mal ein Beispiel für ein Paper welches sich mit möglichen Erklärungen für die mittelfristige Unterperformance von Value beschäftigt. Kannst ja mal lesen und für dich bewerten, ob du das als systemisch (also der Value-Faktor, oder zumindest seine Umsetzung in einfachen Kennzahl-Indizes, wird wohl für die Zukunft dauerhaft nicht mehr so attraktiv sein wie noch in der Vergangenheit) oder nur als zyklische Phase, die aber auch wieder vorübergeht und langfristig wieder outperformt, einschätzt.

Ich bin mit kleinem Budget investiert in den JP Morgan und ich habe bis jetzt noch keinen Haken an der Sache gefunden.

Naja, was meinst du auch konkret mit "Haken"? Zähl mal ein paar auf, die, wenn du sie gefunden hättest, dich von einer Investition abgehalten hätten. Nur damit ich verstehen kann was das für dich überhaupt bedeutet.

Die reine Performance an sich kanns ja nicht sein - dafür ist das Ding sowieso noch eh zu kurz. Unterperformt zwar grad in seiner aktuell weniger als einem Jahr Bestehenszeit den normalen MSCI World, aber das ist nix woraus man schon eine ernsthafte Bewertung (egal ob pro oder contra) abschließen könnte. In der Tat gehts hier eher um die nächsten 20-30 Jahre (ist übrigens auch eh nix multi/faktor-spezifisches, eine langfristige Perspektive sollte man sowieso bei jeder Börsenanlage mitbringen), also wenn du von dem Produkt nach so langer Zeit dir eine Outperformance erwartest, dann mach das! Gerade die gefestigte Überzeugung dazu muss man auch haben, falls es zwischenzeitlich doch auch zu (mitunter jahrelangen, wie man schon an einigen der bereits existierenden Multifaktor-ETFs sieht) Unterperformanceperioden kommt, um nicht aufzugeben.

Er basiert eben auf den Multifaktor Index von FTSE, bei dem keine Small Caps inkludiert sind.

Smallcaps, wenn du dir auch davon noch Überrendite versprichst, kannst du dir ja nochmal extra mit gesonderten Smallcap-ETFs dazuholen, wenn du unbedingt willst (also deren Hinzufügung als so essentiell wichtig ansiehst, dass du darauf nicht verzichten möchtest und dafür auch bereit bist den "Aufwand" (individuelle Ermessensache) einer weiteren Depotposition einzugehen).

Ich habe übrigens noch nicht ganz verstanden, warum du so oft erwähnst, dass der "Multifaktor-Index von FTSE" ist... ich frage nochmal nach: Kannst du mir in eigenen Worten erklären, was an dem Index so besonders sein soll?

Nur um mal abzuchecken, wie tiefgründig oder oberflächlich deine Beschäftigung mit dem Thema eigentlich war. Hast du dich mit dessen Konstruktionsmethodik auseinandergesetzt, und könntest du begründen, warum du dir gerade von diesem Index eine bessere Umsetzung des Faktor-Konzepts versprichst als als von den anderen auch möglichen Multifaktor-Indizes? (ich verweise nochmal auf deren eher ernüchternde Realperformance soweit, das sollte also schon zeigen, wie wichtig es ist sich mit der den verschiedenen Konzepten zur "Umsetzung" des ganzen auseinanderzusetzen und bewerten zu können von wem man sich noch die beste Variante davon verspricht, und warum).

Konkret, was macht der FTSE-Index anders (und vor allem besser) als zum Beispiel der MSCI World Diversified Multiple Factor Index oder der Goldman Sachs Equity Factor World Index oder der Scientific Beta Developed Multi-Beta Multi-Strategy Four-Factor ERC Index?
Hast du diese anderen Indizes auch untersucht, sich mit ihren Konstruktionsmethoden beschäftigt und eine daraus begründete abgewogene Entscheidung treffen können, dass man sich gerade vom FTSE-Index das beste davon erwarten könne?

Oder hast du nicht etwa rein oberflächlich nur auf der bloßen Endprodukt-Ebene operiert?
Also bei Kommer mal gelesen das Faktoren toll sind, die versprochene langfristige Outperformance klang attraktiv (will ich auch haben!), die Begründungen irgendwie nachvollziehbar und einleuchtend, und dann einfach bei ner Fondsdatenbank geschaut was die so an Produkten für Multifaktor World ausgeben, und dann einfach keine weitere/tiefere Auseinandersetzung betrieben (wozu auch, steht ja bei allen gleichermaßen "Multifaktor" drauf, deshalb wird ja schon bei allen irgendwie das gleiche Konzept angewendet werden, und gleiche beinhaltete Werte haben, deshalb werden die auch schon alle irgendwie die gleiche Performance liefern, gell?) sondern einfach nur ungesehen das erstbeste Produkt mit der niedrigsten TER als einziges Unterscheidungskriterium genommen haben?

Ich meins nicht so böse wie das jetzt vielleicht klingt, ich will dich mit dieser übertriebenen "Unterstellung" ja eigentlich eher nur "herausfordern", deinen eigenen Entscheidungsprozess zu erläutern, der ja (hoffentlich!) etwas involvierter war. :-)

@ G&S

Ist euch aufgefallen, daß Gerd Kommer und Martin Weber dasselbe Argument für die Begründung zweier jeweils sich widersprechender Schlußfolgerung verwendet haben?

Ja, ähnliches hab ich in meinem Kommentar hier vom 26.6. schon bemerkt etwas angesprochen, ist schon lustig der ganze Eiertanz drumrum. Im Endeffekt verfolgen beide ähnliche Performance-Optimierungsspielchen. Kommer halt mit "seinen" Aktien-Faktoren, Weber versucht es halt noch mit BIP-Gewichtung und Rohstoffen (davon ist Kommer ja mittlerweile schon wieder etwas weggekommen, tjaja). Beide haben als "Belege" für die Sinnhaftigkeit ihres Tuns dasselbe, also langfristige Backtests der Vergangenheit, wo die jeweiligen Konzepte halt gut aussehen (und deshalb die Erwartung abgeleitet wird, dass das auch für die weitere langfristige Zukunft noch nützlich sein wird), und zufälligerweise hat auch grad beides, also Aktien-Faktoren (zumindest einige) und BIP-Gewichtung / Rohstotte allgemein dasselbe aktuelle "Praxisproblem", eine mittelfristige Performanceschwächephase die unter den eigentlichen Erwartungen liegt und gerechtfertig werden muss. Und beide bedienen sich, würde man sie darauf ansprechen, im Grunde derselben Rationalisierungsargumentation, also verkürzt, dass das ja nur eine Phase sei (und historisch auch gezeigt, dass die immer mal wieder auftreten, also nichts aussergewöhnliches), aber die wird auch wieder vorübergehen und ganz langfristig werden sich schon wieder die erwarteten Vorteile der jeweiligen Methoden zeigen, wenn man nur lange genug durchhält. Man unterscheidet sich also im Grunde eigentlich garnicht so sehr, wie es in dem "Streitgespräch" oberflächlich noch erscheinen mag.

Ich finde den Fonds auch interessant. Habe aber nicht ganz verstanden, wie die das Region Aware funktioniert und was ich generell davon halten soll.

Mit "region aware" meinen die bei FTSE eigentlich nur, dass die Regionengewichtung des Multifaktors wieder auf die Regionengewichtung des (ursprünglichen, "normalen") Benchmarkindex (also hier FTSE Developed) zurückgesetzt wird.

Konkret, die Regionen (also Nordamerika, Europa, dev. Asien/Pazifik, Emergings) sollen im Multifaktor-Index auch dieselben Gewichtungen haben wie im Benchmarkindex.

Das macht man, um den Einfluss der abweichenden Regionengewichtung zwischen Faktor- und Benchmarkindex möglichst wegzu"neutralisieren". So dass eine mögliche Outperformance beim Faktorprodukt dann auch wirklich allein aus seiner eigenen abweichenden Aktienauswahl/gewichtung erzeugt wird, und nicht "nur" einfach dadurch schon, dass er halt die Regionen anders gewichtet und "zufällig" mal in den bessergelaufenen Regionen übergewichtet engagiert war (oder andersrum, um Unterperformance ggü dem Benchmark zu vermeiden, die daher rührt dass man im Faktorprodukt übermäßig in schlechtergelaufenen Regionen engagiert war, das ganze ist also vor allem in dieser Hinsicht gewisserweise vor allem eine "Vorsichtsmaßnahme").

Das ist kein allzu unübliches Vorgehen bei Faktor-Indizes, es werden z.B. auch oft "Sektor-Neutralitäts" Bedingungen (also die Sektorverteilung des Faktorindex soll sich am Ende nicht von der des Benchmarks unterscheiden, bzw. sie wird hinterher "künstlich" wieder darauf zurückgesetzt, falls sie es doch tut) oder zumindest Maximalcaps eingebaut.

Warum wird das gemacht? Naja, im Endeffekt weil die Anleger (nein, nicht die popeligen Kleinanleger, sondern die institutionellen Großinvestoren, auf dessen Initiativen hin solche Produkte ja auch überhaupt erst aufgelegt werden) das eben so wollen (z.B. weil sie regulatorische oder investitionsmandatliche Vorschriften dahingehend haben, also nicht allzustark von einer Benchmark abweichen wollen/dürfen). Ohne Regionen/Sektor-Neutralität (oder zumindest Caps) würde sich ja die Zusammensetzung von Faktor-ETFs manchmal eklatant von der eines Benchmarks unterscheiden, also irgendwelche Regionen oder Branchen so sehr über/untergewichtet, dass es für die Investoren schon "nicht mehr geheuer" und unattraktiver werden kann.

Nur als konkretes Beispiel mal - im "normalen" FTSE Developed Index sind die USA grad mit 63 % gewichtet. Im "naiven" Multifaktor-Index (also ohne Regionen-Neutralität), dem "JP Morgan Diversified Factor Global Developed Equity Index", sind die USA nun auf einmal mit nur 22 % gewichtet! Das war den Machern dann wohl aber auch wieder zuviel (oder eher zuwenig :-D) des guten, und so haben sie halt noch die "region aware"-Variante herausgebracht, welche am Ende durch seinen zurückgesetzten Ausgleich auf die Ursprungs-Regionengewichtung des Benchmarks die USA dann auch wieder bei bei 57 % hat. (der verbleibende Rest-Unterschied kommt noch daher, dass auch Kanada im Multifaktorindex ggü der Benchmark übergewichtet wurde, da hier ja die gesamte Region "Nordamerika" betrachtet wurde).

Anderes typisches Beispiel für solche Rückanpassungen um die Abweichung von Faktor-Indizes wieder in Linie zu ihrem Benchmark zu bringen sind Einzelfaktor-Indizes wie z.B. bei Value. Würde man wirklich nur rein nach den üblichen Valuekennzahlen (also Kurs/Buch, Kurs/Gewinn, usw.) die Aktien auswählen, und vor allem gewichten, würde sich dadurch immer eine strukturelle Überbevorzugung von bestimmten Sektoren wie z.B. Utilities etc. ergeben, einfach schon aufgrund von Unterschieden in der Bewertung von Bilanzgegenständen zwischen den verschiedenen Branchen. Damit also der Value-Index am Ende nicht immer einfach nur aus über einem Drittel Utilities o.ä. besteht (im Ggs. zu Breitmarkt, wo sie eher bei unter drei Prozent liegen), legt man dann noch entweder Branchen-Caps oder "Sektor-Neutralität" (dasselbe wie oben, die Gewichtungen der einzelnen Branchen werden hinterher nochmal in einem weiteren Prozessschritt wieder auf ihre "Originalgewichtung" im Benchmarkindex rauf/runtergeschoben), oder man macht den Value-Kennzahlvergleich nicht sektorübergreifend/marktbreit, sondern für jeden Sektor einzeln, etc, es gibt halt einige verschiedene Methoden.

Wie gesagt, was man "davon halten soll", bleibt jedem selbst überlassen. "Trauen" die Indexersteller den Faktoren vielleicht am Ende doch nicht so sehr, dass man ihnen komplett allein die Auswahl/Gewichtung überlassen soll und muss sie hinterher erst noch wieder durch solche Methoden "kastrieren", damit sie keinen ungewollten "Schaden" anrichten, oder ist das doch eine noch recht vernünftige Vorgehensweise, auch und gerade um das konkrete Endprodukt dann auch wieder einer größeren Masse von Investoren "schmackhaft" machen zu können, die zwar schon irgendwie eine Outperformance der Benchmark haben wollen, aber wenn dann bitte auch nicht mit allzu "unheimlich" großen Abweichungen von der Regionen- oder Sektorgewichtung des Benchmark (weil die kennt man ja und sieht sie als "Normalzustand" an, da ist jede größere Abweichung davon dann schon irgendwie wieder etwas beängstigend).

Das "Kosten"-Argument "gegen" Faktor-ETFs war nie das entscheidende dabei. - Ich verstehe nicht ganz, was hier gemeint ist.

Damit ist gemeint, dass das Ausmaß der konkreten Out- oder Unterperformance, die ein Faktor-ETF im Vgl zu seinem Benchmark-ETF einfährt, welche von der (durch Faktorselektion verursachten) abweichenden Aktienauswahl/gewichtung verursacht wird, immer (gerade langfristig) weit größer sein wird als der Anteil der Performance-Unterschiede, welche allein von den leicht erhöhten Kosten der Faktor-ETFs erklärt werden können.

Ich habe übrigens damit keine Aussage gemacht, ob Faktorprodukte nun generell schlechter (oder besser) als der Benchmark sein werden. Also nirgendwo ging es darum, dass es schon allgemein "nicht möglich sei, den Markt durch Teilselektion zu schlagen". Das hast du vielleicht da noch reininterpretiert, war aber nicht das was ich meinte.

Ich bezog mich allein auf ein ein typisches banales Argument "gegen" Faktor-ETFs, und zwar, dass sie "schlechter (als "normale" ETFs) sind (oder gar "sein müssen"), allein schon weil sie "teurer" sind."

Das halte ich tatsächlich (in so einer übervereinfachten Form) für relativ wenig stichhaltig. Wie gesagt sind erstens die Kostenunterschiede bei lichte betrachtet ziemlich trivial, und zweitens sind die tatsächlichen Performance-Differenzen (positive und negative) zw. Faktor-ETFs und Benchmark eben um einige Größenordnungen größer als der Teil der nur allein durch die TER erklärt werden könne (andersrum gesagt, der Anteil der TER spielt bei der Erklärung der Performancedifferenzen so gut wie garkeine Rolle, sondern der Großteil der Performanceabweichungen wird schon viel eher durch die durch Faktorfilterung vom Benchmark abweichende Aktienauswahl/gewichtung verursacht).

Wenn es nicht möglich ist, den gesamten Markt systematisch durch Teilselektion zu schlagen, ist es genauso unmöglich, durch Teilselektion systematisch schlechter abzuschneiden.

Wie gesagt, ich habe nicht behauptet, dass es unmöglich wäre, den Markt systematisch durch Teilselektion zu schlagen. Dass kann durchaus möglich sein. Genauso wie es auch möglich sein kann, durch Teilselektion systematisch schlechter abzuschneiden. Ich bin, was das angeht, relativ agnostisch.

Ein Beispiel für letzteres (systematisch schlechter abschneiden) wäre ja die altbekannte Verteilung von aktiven Fonds (in denen ja im Prinzip auch nur "Teilselektion" betrieben wird, also sie wählen aus einem Markt nur ein paar wenigere Aktien aus, von denen sie sich halt erwarten, dass diese den Markt übertreffen), von denen die weit überwiegende Mehrheit die Benchmarkrendite aber langfristig unterperformt. Dass die Mehrheit der Fonds unterperformt, bleibt interessanterweise übrigens auch noch "vor Kosten" zu erkennen, also selbst wenn man den Fonds die 1-2 % Performanceunterschied, die allein durch ihre TER verursacht wird, wieder auf die Rendite draufrechnet, liegen die meisten (besonders eben langfristig) immer noch unter der Marktrendite, die Kosten waren also nicht der entscheidende Hauptfaktor, sondern viel eher schon dass die Fonds sich bei ihrer "Teilselektion" öfter/stärker "geirrt" haben (also die Aktien, die sie mit der Hoffnung die "besseren" zu sein gekauft haben, hatten sich hinterher doch eher als die "schlechteren" herausgestellt, ie sie haben als "systematisch" danebengegriffen).

Und ein Beispiel für ersteres, also dass es möglich sein könnte den Markt durch Teilselektion systematisch übertreffen zu können (ich bin da ja eben nicht einseitig festgelegt, sondern eher agnostisch), wären halt die Faktoren. Also wenn sie wirklich auch (zukünftig, langfristig) so "funktionieren wie versprochen", man also mit der Auswahl von Value-, Momentum-, Quality- etc. Aktien zukünftig/langfristig eine Überrendite einfahren kann, so wie man sie aus ihren Backtests abgeleitet ja erwartet, tja dann ist das eben möglich.
(wie gesagt, es muss jeder selbst entscheiden, wie überzeugt man davon ist / für wie wahrscheinlich man das hält, da können unterschiedliche Leute auch gern zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen).

Mit Faktoren wird das Ergebnis also ein anderes sein, aber nicht systematisch schlechter als die Marktrendite.

Also wenn das Ergebnis "anders, aber nicht schlechter" sein wird, dann bleibt ja eigentlich nur "besser" übrig, oder? Nur Spaß, die gegebene Gelegenheit konnt ich mir nicht verkneifen ;-)

Wäre es anders, bräuchte man ja nur den Markt ex Underperformer zu kaufen und hätte den Outperformer-ETF geschaffen.

Naja, im Prinzip bauen ja alle Faktoren, oder überhaupt Outperformance-Strategien generell, auf einem solchen Mechanismus auf. Also nicht nur dass es darum geht, nur die "guten" (Outperformer) Aktien zu finden, sondern auch dass es dabei verbunden immer mit darum geht, auch die "schlechten" (Unterperformer) Aktien zu vermeiden.

"Richtige" long/short-Faktorstrategien machen dieses Konzept ja auch explizit, es wird nicht nur darauf gesetzt dass sich die (nach Faktor) "bestbewertetsten" Aktien besser als alle anderen entwickeln werden, sondern auch dass sich die "schlechtbewertetsten" am schlechtesten entwickeln, und es wird auf den Return-Spread der beiden gesetzt der damit als isolierter "reiner Faktor" abgegriffen werden soll (statt wie bei den long-only Faktor-ETFs, wo man zu 80-90% eigentlich "nur" am allgemeinen Marktbeta teilnimmt, und nur am Rest noch eine kleine Portion extra Faktor-Einfluss oben drauf (oder davon weg, wenns mal schlecht läuft) mitgenommen wird).

Bei Value wird halt z.B. erwartet, dass sich die unterbewerteten Aktien besser entwickeln als die überbewerteten, von welchen man sich eine schlechtere Entwicklung erwartet und sie deshalb bei der Selektion vermeidet, bei Size erwartet man sich das halt von den kleinen Firmen und versucht die großen, da man sie für unterperformend hält, zu vermeiden, bei Momentum glaubt man halt, dass die Unterperformer eher die Aktien sind, die in der Vergangenheit schlecht gelaufen sind (Annahme dabei ist, dass sie das tendenziell auch in Zukunft eher fortsetzen werden), usw.

Also gibt es aus meiner Sicht nur zwei Argumente gegen Faktoren: Höhere Kosten und geringere Diversifikation (also höhere Vola), weil die Zahl der Titel im Fonds naturgemäß kleiner sein muß, als in einem marktbreiten Fonds.

Das mit den Kosten sehe ich nicht als wesentliches Argument "gegen" Faktoren (siehe oben), denn wie gesagt, die werden nicht das entscheidende bei den langfristigen (positiven/negativen) Performancedifferenzen sein. Wenn man wirklich "gegen Faktoren" ist (was ich übrigens nicht bin, ich bin da viel eher noch agnostisch anstatt mich irgendeiner Seite anschließen zu wollen), dann ist man das schon auf viel grundlegendere Weise, einfach weil man von ihrem (weiteren zukünftigen, langfristigen) Wirken nicht so überzeugt ist, dass man noch dieselbe Erwartungshaltung aus ihren Vergangenheitsbacktests ableiten kann wie es ihre Befürworter tun.

Und wenn man davon überzeugt ist, dann erwartet man ja auch, dass die Faktor-Überrendite (wie in den Backtests) um ein vielfaches höher sein wird als die minimalen Mehrkosten der Faktor-ETFs ggü der Benchmark, also auch hier wieder für die wäre das "Kosten-Argument" nicht zutreffend. Es gibt glaube ich niemanden (oder nur so wenige, dass sie in der Diskussion eigentlich keine Rolle spielen), der Faktoren ablehnt nur weil Faktor-ETFs halt mal ein bischen teurer sind, nein meist hat das schon vorhergehende viel tiefere Gründe. Oder andersrum ausgedrückt, es gibt wohl auch niemanden, der eigentlich im Kern von Faktoren überzeugt ist und davon auch wirklich eine langfristige Überrendite von ihnen erwartet, es aber trotzdem nicht macht aus dem einzigen keinen besseren Grund dass Faktor-ETFs 0,2-0,3 % mehr kosten. Das meine ich damit, wenn ich sage, das "Kostenargument" allein sollte bei der Pro/Contra Diskussion eigentlich keine Rolle spielen (oder zumindest keine nicht so große entscheidende, wie oft noch missverständlich getan wird).

Achja und was die "geringere Diversifikation -> höhere Vola" angeht, auch das ist ein bischen missverständlich.

Der Zusammenhang zwischen "mehr Werte" = "bessere Diversifikation" an sich ist schonmal nicht so zwingend, oder sagen wir mal so, man muss halt aufpassen was man eigentlich mit "Diversifikation" überhaupt meint. Wenn man es nur ganz naiv vereinfacht mit "mehr Werte" gleichsetzt, ist das zwar eine oft gebrauchte Verkürzung (auch mir wird die sicher manchmal so rausgerutscht sein), aber im Kern sollte man auch darauf achten, dass es dabei immer auch zu einem nicht unwesentlichen Teil darauf ankommt "was für Werte das genau sind".

Extrembeispiel, welches Portfolio ist "diversifizierter"? Eines das 100 Aktien enthält, welche aber alle aus der selben Branche und/oder aus dem selben Land (oder was man halt sonst noch für allerhand Gemeinsamkeitskategorien haben könnte) stammen, oder eines mit vielleicht nur 50 oder 30 Aktien, welche aber alle aus unterschiedlichen Branchen angehören und/oder alle über viele unterschiedliche Länder ausgewogen verteilt sind? Je nachdem wie man diese Frage beantwortet, hängt halt davon ab was man selbst eigentlich unter "Diversifikation" überhaupt versteht.

Zur "höheren Vola" - ich weiß wie du das meinst, allgemein und übervereinfacht sagt man leicht (wie gesagt, kommt bei mir bestimmt auch manchmal so vor), dass ein "diversifiziertes" Portfolio (also eins mit "mehr Werten", s.o. die verkürzt-naive Bedeutung davon) eine geringere Volatilität hat. Erscheint ja auch erstmal logisch, weil sich die einzelnen Bewegungen der Einzelwerte ausgleichen (und man denkt dabei, mehr Werte, mehr Ausgleich), und im allgemeinen ist die Tendenz dazu auch relativ gegeben.
Allerdings, im "speziellen" ist es manchmal dann doch wieder etwas komplizierter, also es gibt genügend "Ausnahmen von dieser Regel", dass man sie doch nicht als total gegeben und unhinterfragbar benutzen sollte, sondern immer genau formuliert bleibt was man eigentlich konkret meint.

Beispiel - der MSCI World hat ugf 1600 Unternehmen. Eine mögliche "Teilselektion" könnte sein, wenn wir davon mal nur die Basiskonsumgüterunternehmen herausnehmen und betrachten. Der MSCI Consumer Staples Index enthält davon 120 Aktien (also "nur" 7,5 % der Menge des MSCI World). Weniger Aktien, weniger diversifiziert (und dabei ja auch, aller nur aus einer Branche, ist ja quasi noch schlimmer), also müsste eine höhere Vola haben, oder? Schauen wir uns mal die 10j-Volatilität an, da hat der MSCI World aktuell laut Factsheet grad 13,91 %, und der MSCI World Consumer Staples 10,85 %. Die Vola ist übrigens auch für kürzere Zeiträume immer geringer als die des Worlds (auch und gerade in Krisenzeiten, wo sie beim World ja nochmal besonders hochschnellt).

Wir sehen also, es muss nicht zwangsläufig sein, dass "geringere Diversifikation (also weniger Werte)" immer eine "höhere Vola" ergeben, es kommt halt auch immer darauf an, "was genau" das für Werte eigentlich sind, die man da teilselektiert hat.
Noch offensichtlicher, so dass es fast schon trivial wird, ist es ja, wenn wir uns mal die "Teilselektion" Variante der Low Volatility Indizes anschauen. Die treten ja speziell schon mit dem Ziel und Versprechen an, aus einem Index nur eine kleinere Unterauswahl der wenigschwankendsten auszuwählen, um daraus ein Portfolio zusammenzustellen was weniger schwankt als der Obermarkt selbst. Und ja, dieses Ziel erreichen sie auch, nehmen wir bspw. nur mal den S&P 500 Low Volatility Index, der nimmt eben aus den 500 Aktien des Benchmarks nur die 100 mit der geringsten Volatilität (und gewichtet sie dann auch invers zu ihrer Volatilität), und siehe da 10j-Vola SP500 von 13,42 % vs 10,66%, es ist also auch hier wieder durchaus möglich, mit einer "weniger diversifizierten" Teilauswahl trotz geringerer Aktienanzahl eine niedrigere Schwankungsbreite zu erreichen.

Wie gesagt, das mal nur als kleiner Exkurs am Rande, was so Ausnahmen von der allgemeinen Regel bzgl. Zusammenhang von "Diversifikation" und "Volatilität" angeht, soll auch nicht überstrapaziert werden, denn die allgemeine Regel wird in den meisten Fällen schon ausreichend gut genug sein, dass man sie nicht als komplett unbrauchbar ignorieren sollte :-)


Niko sagt am 01. Juli 2020

@Eva

Nö, die Gewichtung nach Marktkapitalisierung ist kein Faktor, sondern 1:1 die Marktmeinung, bzw. marktneutral. Das muss man weder in der Gesamtheit gut finden, noch muss es Teil der individuellen Anlageziele sein, aber das ist nun mal so. Wie soll es bei marktneutralität per Definitionen einen Faktor-Tilt geben? Also diese These wüsste ich gerne mal genauer erläutert.


Geduld+Spucke sagt am 04. Juli 2020

@ChrisS

Region aware:

Danke für die ausführliche Erklärung. Kommt mir ein bißchen vor wie "wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß". Ich will mehr Rendite, aber bitte ohne meine Portfolio (zu sehr) abzuändern. Ich finde wenn schon Faktoren, dann konsequent. Und Region oder Branche sind ja kein Faktor. Aber zu dem genannten "JP Morgan Diversified Factor Global Developed Equity Index" habe ich auch keinen Fonds gesehen.

Volatilität:

Ja, ich verstehe den Punkt. Auch daß man mit weniger Aktien weniger Volatilität als mit mehr Aktien erhalten kann. Alles völlig richtig. Mir ging es jedoch auch eher darum, die Argumentationsfelder abzustecken. Also, welche systematischen Nachteile könnten Fakorfonds grundsätzlich gegenüber marktbreiten Fonds haben? Und da sehe ich weiterhin ausschließlich Gebühren und Volatilität. Wichtig ist hier das Wort systematisch im Sinne von Erwartungwerten, nicht konkreten Einzelfällen.

Dass die Mehrheit der Fonds unterperformt, bleibt interessanterweise übrigens auch noch "vor Kosten" zu erkennen

Ich habe jetzt keine konkrenten Untersuchungen oder Fälle vor Augen, gehe aber nach folgender grundsätzlichen Überlegung. Ignorieren wir im Folgenden mal alle Gebühren komplett.

Man kann jetzt noch streiten, ob oben "Mehrheit" der Fonds oder Mehrheit der Marktkapitalisierung gemeint war, aber das ist glaube ich nicht so wichtig. Im Sinne von Sharpe ist die mittlere Rendite aller aktiven Spieler gleich der Marktrendite. Die Mehrheit der aktiven Fonds kann also nur dann unterperformen, wenn wenn es noch weitere substantielle Spieler am Markt gibt, die besser als der Markt performen, auf die wir als Privatanleger keinen Zugriff haben bzw. die wir nicht sehen. Das scheint mir eher unwahrscheinlich. Oder sind dir entsprechende Hinweise bekannt, daß große "Schattenfonds" überproportional viel Rendite aus den Aktienmärkten absaugen, die nur priviligierten Anlegern zugänglich sind? Wenn nein, dann folgt, daß Überperformance und Unterperformance aktiver Fonds gleichgewichtet sein müssen (Sharpe).

Wenn wir uns in dem Punkt einig sind, folgt daraus nun folgendes. Wenn ich einen aktiven Fonds per Dartscheibenwurf wähle (von mir aus gewichtet nach Fondskapitalisierung), erhalte ich im Mittel(!) immer noch die Marktrendite. D.h. im Mittel (!) steht ein Anleger in einen so bestimmten aktiven Fonds nicht schlechter da, als ein Anleger in einen marktbreiten Fonds.

Jetzt stellt sich nur noch folgende Frage: Sind die Sieger, also die Überperformer, immer dieselben, oder wechseln die ständig, weil Sieg und Niederlage durch Zufall bestimmt sind? D.h., kann ich den Dartscheibenwurf irgendwie verbessern?

Bei aktiven Fonds kommt aus den Studien ja immer raus, daß die Sieger in konkreten Zeitperioden wechseln. D.h., Fonds A war top von 1980-1985, aber unteres Mittelfeld 1985-1990, etc. Das spricht für blanken Zufall. Es gibt keine Regel. Und es war nie anders. Hier sind sich auch alle einig, denke ich.

Bei den Faktoren war es in der Vergangenheit so, daß es ein starkes Zufallselement gab, aber über lange Jahrzehnte auch einen Tilt in eine bestimmte Richtung. Hier herrscht auch Einigkeit. Die Streitfrage ist, ob sich das in die Zukunft forsetzen wird. Hier sagen die einen ja, die anderen nein. Hat die "ja" Fraktion recht, sollte man in Faktorfonds indvestieren, weil die Wahrscheinlichkeit etwas zu gewinnen höher ist, als etwas zu verlieren (gegenüber marktbreiten Fonds). Angenommen, die "nein" Fraktion hat recht. Warum sollte sich dann ein Faktorinvestor systematisch (!) schlechter stellen, als ein beliebiger aktiver Fondsanleger mit seinem Dartscheibenwurf oder halt mit einem marktbreiten Indexfonds? Das sehe ich nicht. Also, was hat der Anleger zu verlieren, wenn er Faktorfonds kauft? Abgesehen von Kosten oder Vola?


ChrisS sagt am 05. Juli 2020

@ G&S

Und Region oder Branche sind ja kein Faktor.

Och, selbst dazu gibt es in der Finanzakademik schon gewisse Grundsatzdiskussionen, da ja die Definitionen zu gewissen Teilen die selben sind: bei beidem (Faktoren u. Sektoren/Regionen) werden Aktien nach bestimmten unternehmensspezifischen Charakteristika in jeweilige Gruppen eingeteilt.

Ob das nun wie bei den Faktoren bspw. Marktkapitalisierung (Size), Bewertungskennzahlen (Value), mittelfristige Wertentwicklung (Momentum) usw. sind, oder wie bei den Sektoren halt die Branchenzugehörigkeit oder bei den Regionen eben wo das Unternehmen seinen Stammsitz gelistet hat, ist erstmal egal. Die Unterschiede sind eher, dass bei den Faktoren eine Aktie zu mehreren Gruppen gleichzeitig gehören kann (eine Aktie kann z.B. gleichzeitig Value und Smallcap sein, etc.), während das bei Branchen/Regionen eher unüblich ist (so schwer es manchmal vielleicht auch fallen mag, so manches Multikonglomerats-Unternehmen "nur" einer Branche "korrekt" zuzuordnen, wird es am Ende halt doch gemacht), und dass sich die Faktorzugehörigkeit von Aktien viel schneller/öfter ändern können (z.B. eine Aktie wird durch Preisanstieg von Value nun zu "nicht-mehr-Value", oder aber dafür jetzt wieder mehr zu Momentum gezählt, etc.) als sich z.B. die Regionen- oder Branchenzugehörigkeit desselben Unternehmens ändert (ie. üblicherweise ändert die sich ja nie).

Selbst in dem, was mit den ganzen Kategorisierungen eigentlich "am Ende konkret erreicht werden soll", kann man Gemeinsamkeiten finden, wenn man will. Bei den Faktoren gehts ja drum, den Markt outzuperformen, oder zumindest das Rendite/Risikoprofil ggü dem Breitmarkt zu verbessern, und entsprechende langfristige Backtests dazu, aus denen diese Erwartung (für die Vergangenheit belegt u. für die Zukunft daher abgeleitet) wird haben ja alle bekannten Faktoren dabei (sonst wären sie nicht so populär geworden). Nun gibt es das gleiche im Prinzip aber auch für Branchen und Regionen.

Auch da kann man mit Backtests genauso einige finden, die sich langfristig besser (als andere / als der allgemeine Breitmarkt) entwickelt haben. Man muss sich schon etwas strecken, um zu begründen, warum das eine "gilt" (also man aus Faktor-Backtests die Erwartung ableiten kann, dass das auch für die Zukunft Überrendite bringt), während beim anderen doch eigentlich immer mehrheitlich davor gewarnt wird, dass das nicht so einfach "gilt" (also man aus der Outperformance von bestimmten Regionen oder Branchen, auch wenn es schon eine ganz langfristige Outperformance sei, eben nicht die Erwartung ableiten sollte dass sich das auch für die langfristige Zukunft genauso weiter fortsetzen wird, man also nicht nur einfach alles in die vermeintlichen Gewinner-Regionen/Branchen konzentriert investieren sollte, sondern lieber erstmal noch weiter brav streut/Breitmarkt macht, um auch ja nicht "Performance-Chasing" zu betreiben, wenn sich das in Zukunft wohl per "mean reversion" doch wieder eher mal umkehrt). Ein Grund, warum man dieses Performance-Chasing bei Faktoren vielleicht noch akzeptiert, ist eben, dass für deren Wirken ja ex-post allerhand Begründungsansätze (meist entweder risiko-basierte oder verhaltens-basierte) nachgeliefert werden, die ja auch irgendwie nachvollziehbar und einleuchtend klingen und woraus man, wenn man dahingehend geneigt ist, die Überzeugung ableiten kann dass das auch für die Zukunft (also "systemisch") noch weiter bestand haben können wird.

Diese Begründungen, also eine vernünftige "Theorie dahinter", der man "glauben kann" (oder eben nicht), fehlen meistens wenn es um Erklärungen für die langfristige Outperformance von bestimmten Branchen oder Regionen geht und warum die "systemisch" sei und sich fortsetzen soll. Es mag zwar Begründungen geben, die sind aber meist intellektuell relativ oberflächlich (bspw. "Technologie hat outperformt (u. wird weiter outperformen), weil äh haja wir halt mehr Technik benutzen, usw." o.ä.) und wirken nicht so überzeugend wie die "Logik" hinter den Faktoren, weswegen eben auch die grad das trendige wachsende Investitionskonzept sind und nicht mehr so (wie vllt. noch früher) die Vorstellung, man könnte den Markt ganz einfach mit dem Picken von ein paar Outperformerbranchen/regionen schlagen, so wie es jetzt mit den Outperformer-Faktoren noch versucht wird. Aber gut, auch das nur mal am Rande :-)

Was die Fonds angeht - ich kann dir nur nochmal empfehlen, die jeweiligen SPIVA Scorecards und Morningstar Active/Passive-Barometer durchzulesen. Die Out/Unterperformance-Quoten sind natürlich zuallererst hpts. auf die direkte Einzel-Anzahl bezogen, aber es gibt auch interessante Statistiken zu "asset-weighted returns" (da werden dann auch die Anlagesummen, ie. die ach so missverständlichen "Geldeinheiten" mit betrachtet) und zur Distribution von Renditen (ie. wieviele Fonds performen stark unter, ein bischen unter, mittelmäßig, out, stark out, etc. um zu sehen wie sich "Hügel" und "Schwänze" verteilen, also ob es so ist dass eine große Masse ein bischen unterperformt, dafür eine Minderheit stark outperformt, oder wie stattdessen etc.). Auch bei den "asset-weigted returns" ist es so, dass die zusammengefasste, geldgewichtete Rendite aller Fonds eines Segmentes seinen Benchmark weit überwiegend meist unterperformt. Sollte einem schon zu denken geben, die Performancedifferenz ist nicht etwa "null" (also dass sich geldgewichtet die Out- und Unterperformer doch irgendwie die Waage halten müssten, wie wir es nach Sharpe vielleicht denken), sondern immer noch negativ, d.h. es gibt einen Fehlbetrag der hier in Summe ggü der Benchmarkrendite verloren wird.

Bei der Frage, wohin dieser Fehlbetrag gewandert ist, fallen einem natürlich sofort als erstes die Fondskosten ein, aber selbst das erklärt noch nicht alles, es gibt noch einen Rest an weiterhin "unerklärter" Unterperformance, worüber nur Mutmaßung übrigbleibt (wobei, vieles wird auch klarer wenn wir als "Fondskosten" mal nicht nur die wirklich explizit ausgeschriebenen (TER) nehmen, sondern auch implizite die da nicht mit enthalten sind, z.B. interne Handelskosten bei Umschichtungen und dementsprechende Market-Impact / Frontrunning /Arbitrage -Verluste die sie ggü dahingehend involvierten Gegenparteien erzeugen). Es ist z.B. ja tatsächlich so, dass die in solchen Studien untersuchten Fonds natürlich nicht die gesamten Teilnehmer am Wertpapiermarkt darstellen, und es daneben noch andere Partizipanten gibt. Es gibt natürlich noch Einzelanleger, wobei man, gerade von den kleinen, nicht unbedingt erwarten kann dass die nun in der Masse wieder die Outperformer darstellen, und was die nicht-öffentlichen "Schattenfonds" (zB. Staatsfonds, Pensionsfonds, etc.) angeht, bei denen verfolgend m.W. die meisten, zumindest was die reine Aktienallokation angeht, mittlerweile auch hpts. Index- oder zumindest Indexähnliche Anlagestrategien (auch weil sich bei denen eigentlich als erstes, noch lange vor den Privatanlegern, die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass aktive Fondsmanager überwiegend keinen Mehrwert produzierten und eine Passivanlage besser gewesen wäre, daher ging ja auch von den großen Instis initial der Push zur Verbreitung von ETFs/Indexfonds aus).

Wenn ich einen aktiven Fonds per Dartscheibenwurf wähle (von mir aus gewichtet nach Fondskapitalisierung), erhalte ich im Mittel(!) immer noch die Marktrendite. D.h. im Mittel (!) steht ein Anleger in einen so bestimmten aktiven Fonds nicht schlechter da, als ein Anleger in einen marktbreiten Fonds.

Auch nach Fondskapitalisierung gewichtet ist die Rendite von aktiven Fonds immer noch schlechter als die des Benchmarks - wie gesagt, siehe dazu entsprechende Tabellen in SPIVA /Morningstar.

Und die Out/Unterperformance-Quoten von Fonds sind weit vom "Mittel" entfernt. Wenn du für so generische Kategorien wie "Aktien Welt blend" (Benchmark MSCI World) einen 10-Jahres-Zeitraum und länger betrachtest, hatten 90 % aller Fonds eine schlechtere Rendite gebracht als der Index, und nur 10 % eine bessere. Und ja, das Ergebnis bleibt auch nach Geldgewichtung weiterhin ungünstig und wird nicht zu fifty/fifty oder so (also falls du dir noch vorstellst "aber nach Sharpe müsste doch..." die 10 % Outperformerfonds sind so groß bzw. haben so stark outperformt, dass sie die Unterperformance der 90 % anderen irgendwie ausgleichend wettmachen könnten) was wie gesagt u.a. daran liegt dass vieles von der Rendite durch explizite und implizite Kosten in den Äther verschwindet, und das eben die hierbei betrachteten öffentlichen Fonds nunmal nicht die Gesamtheit aller Teilnehmer am Markt darstellt. Falls du unbedingt wissen willst, wer genau nun diese sonstigen Outperformer (wenn es eben nicht die Fonds selber sind) auch wirklich sind, tja, dann kann ich dir auch nicht helfen, aber es sollte dir vielleicht schon reichen zu wissen, dass wenn du z.B. einfach nur einen MSCI World hälst, langfristig besser als 90 % aller aktiven Fonds desselben Segments performen wirst. Auch wenn du dich dabei eigentlich garnicht als "Outperformer" fühlst, da du ja exakt "nur" die Marktrendite erreichst (du dich also garnicht erst als "aktiver Teilnehmer" bei dem Fonds-Spiel wahrnimmst), aber diese erreichte Marktrendite ist eben schon höher als das was die Mehrzahl der aktiven Fonds erreicht (auch geldgewichtet, ie. die aggregierte Rendite aller aktiven Fonds zusammen ergibt eben nicht die Marktrendite, erstens wg. Kosten und weil es eben mehr Marktteilnehmer als nur die Fonds gibt).

Bei den Faktoren war es in der Vergangenheit so, daß es ein starkes Zufallselement gab, aber über lange Jahrzehnte auch einen Tilt in eine bestimmte Richtung. Hier herrscht auch Einigkeit. Die Streitfrage ist, ob sich das in die Zukunft forsetzen wird. Hier sagen die einen ja, die anderen nein. Hat die ja Fraktion recht, sollte man in Faktorfonds indvestieren, weil die Wahrscheinlichkeit etwas zu gewinnen höher ist, als etwas zu verlieren (gegenüber marktbreiten Fonds). Angenommen, die nein Fraktion hat recht. Warum sollte sich dann ein Faktorinvestor systematisch (!) schlechter stellen, als ein beliebiger aktiver Fondsanleger mit seinem Dartscheibenwurf oder halt mit einem marktbreiten Indexfonds? Das sehe ich nicht. Also, was hat der Anleger zu verlieren, wenn er Faktorfonds kauft? Abgesehen von Kosten oder Vola?

(das mit der höheren Vola wäre auch kein Argument "gegen" Faktoren (wenn man denn grundsätzlich von ihnen überzeugt ist) - erstens grundsätzlich, selbst wenn sie eine höhere Vola hätten, könnte man das ja wieder auf Depotebene mit dem Rückfahren des Aktienanteils entsprechend ausgleichen, und zweitens praktisch, schaut man in die langfristigen Backtests ist die Vola der Faktoren nicht unbedingt höher (oder zumindest nicht signifikant höher), zumal sie ja durch ihre ebenso höhere Rendite wiederum auch eine höhere risikojustierte Rendite (ie. Sharpe Ratio) versprechen, ie. die Vola ist also auch (mehr als) "verhältnismäßig".)

Das erscheint mir irgendwie ein bischen zu "optimal" zurechtgelegt, das Beispiel. Also entweder, "Faktoren funktionieren, und dann bekomm ich langfristig ne Outperformance ggü dem Index" oder "Faktoren funktionieren nicht, dann bekomm ich halt langfristig nur die Marktperformance abzgl. geringfügig höherer Kosten der Faktorprodukte". So dass man bei diesem Spiel eigentlich "nur gewinnen kann", wenn man mitspielt, da ja auf der "Gewinner-Seite" (Faktoren funktionieren und man bekommt seine erwartete ca. 1-2 % langfristiges Plus zur Marktrendite obendrauf) immer mehr zu gewinnen ist als auf der "Verliererseite" (Faktoren funktionieren doch nicht aber das mindert die langfristige Rendite nur um die ca. 0,2-0,3 % höheren TER-Kosten des Faktor-ETFs ggü dem Breitmarkt-ETF) an wenigem zu verlieren ist.

Klar, und wenn man dann noch beiden Ergebnissen eine Eintrittswahrscheinlichkeit von fifty fifty unterstellt, erscheint es ja "zwingend logisch", dass die Variante mit dem profitableren Erwartungswert (Gewinn/Verlust-Potential multipliziert mit Wahrscheinlichkeit) die ist, dass man alles auf Faktoren setzen sollte.
Wenn das deine Schlussfolgerung ist, und du das deswegen so machst, tja dann bleibt nur viel Glück zu wünschen, hoffen wir dass die Erwartungen so eintreten (also entweder, dass die guten Erwartungen so gut sind, oder die schlechten wenigstens nur auf die Kosten begrenzt wären). Aber ich persönlich würde dem nicht so "folgen" (ist auch okay so, weder will ich dich von was überzeugen, noch musst du mich von was überzeugen, wir beide werden schon am besten wissen wir wir mit je unserem Geld umgehen).

Das hat noch nichtmal was mit großartig theoretischen Überlegungen zu tun (also mir geht es nicht darum, ob/dass systematische Outperformance überhaupt möglich ist, ich bin dazu wie gesagt eher agnostisch), sondern eher mit ganz schnöder Praxis, die ich in den letzten Absätzen dieses Beitrags schon mal ein bischen angesprochen habe.

Meine Haupt"probleme" mit Faktor-ETFs sind eben nicht unbedingt so fundamentalphilosophischer Art ala "das Für und Wider warum man von Faktoren überhaupt eine langfristige systemische Überrendite erwarten können sollte, oder eben nicht", sondern eher individualanlegerpsychologische. (das heißt übrigens auch, ein Anleger der (meint) damit psychologisch gut umgehen zu können, brauch sich dabei nicht angesprochen fühlen, sondern kann eben sein Faktorzeugs machen)

Man muss eben fähig, willens und bereit sein, mitunter langanhaltende Unterperformance-Perioden ggü dem Benchmark aushalten zu können. Das trifft wahrscheinlich nicht auf die meisten Anleger zu, gerade wenn man eh dazu neigt ständig seine persönliche Anlageallokation mit einer Benchmark zu vergleichen - wer so drauf ist, wird langfristig wahrscheinlich glücklicher, wenn er einfach gleich direkt in die Benchmark anlegt. Gerade wer "zu naiv" an die Sache herangeht, i.e. erwartet, dass sich die "versprochene Überrendite" dann auch in jedem Jahr, oder zumindest relativ schnell sichtbar einstellt, kann durch übertriebene Erwartungen eine ebenso übertrieben Enttäuschung (tracking error regret) erleben. Einem Jahr Unterperformance schauen die meisten vielleicht noch ruhig zu, bei drei Jahren beginnt dann schon das Zweifeln, und wenn nach fünf Jahren immer noch nix "dabei rausgekommen ist", gibt man dann endlich auf (auch wenn, es geht ja wie gesagt nicht darum dass Faktoren "generell nicht funktionieren" oder nicht eben auch mal längere Unterperformancephasen haben können, vielleicht gerade dann wieder die nächste Outperformancephase käme) weil die "Überzeugungen von der Theorie" mittlerweile ihr "Ende in der Praxis" erreicht haben, und man schwenkt dann wieder um auf das nächste Trendprodukt von dem man sich nun wiedermals mehr Outperformance verspricht (und das ganze Spiel geht wieder von neuem los) oder kehrt einfach gleich bekehrt zum einfachen Benchmark-ETF zurück.

Faktor-ETFs sprechen ja mit ihrer Outperformance-Erwartung gerade die Sorte Anleger an, die psychologisch eher geneigt sind, sich nicht nur mit der "Marktrendite zufriedenzugeben", sondern nach Outperformance, dem sprichwörtlichen "Schnaps obendrauf", streben. Und erfahrungsgemäß sind es gerade die Outperformance-Streber, die eben auch öfter an ihrem Depot herumdoktern (wenn sich z.B. mal ein Bestandteil nicht so "wie erwartet" entwickelt), es wird also hier eine "Haltung" befördert, die wir eigentlich für allgemein schädlich und abgewöhnenswert halten. Denn wie gesagt, egal ob die Theorie hinter den Faktoren nun stimmig ist oder nicht, was auf jeden fall auch stimmt, ist das Performance-Chasing und unnötige/übermäßige Depotumbauten und Verkomplizierungen meist schlechter sind als wenn man einfach garnichts dergleichen gemacht hat.

Ich wiederhole ansonsten einfach nochmal was ich in dem Link schon dazu gesagt habe:

Selbst wenn man sagt, man ist trotzdem von der langfristigen Sinnhaftigkeit der Faktoren überzeugt und man lässt sich nicht wegen 3-5 schlechter Jahre davon abbringen, denn der 30-50 jährige Backtest ist ja insgesamt noch gut, und da man ja auch noch weiter für die nächsten 30-50 Jahre in die Zukunft investieren will, und davon ausgeht, dass die Faktoren über solche Zeiträume insgesamt weiter outperformen werden, macht das ja noch Sinn - okay, gerne, aber wird das konkrete Faktorprodukt, in das man investiert, auch selbst überhaupt noch die nächsten 30-50 Jahre genauso mit existieren?

Das ist viel weniger sicher (als das theoretische Fortbestehen der unterliegenden Faktoren selbst), und ein zusätzliches "Risiko", was man sich im Gegensatz zur einfachen Breitmarktanlage in etablierten Benchmarkindex-Produkten mit dazu holt. Sowas wie den MSCI World, und entsprechende Investmentvehikel dazu, wird es mit großer Wahrscheinlichkeit auch noch in einigen Jahrzehnten geben. Ob bis dahin auch jedes viel speziellere Nischenprodukt auf irgendwelche nicht weitbekannten World Equity Siamese Water Buffalo Multi Factor - Indizes durchhalten wird, ist viel weniger gesagt.

(Anmerkung, ein Paradebeispiel für diese Problematik ist ja gerade der hier besprochene JPM FTSE Multifaktor ETF. Egal was von dem nun langfristig performancemäßig zu halten sei, bei den Rahmendaten (weniger als ein Jahr alt, weniger als 25 Mio Fondsvolumen) wäre mir persönlich das für eine Investition noch viel zu wackelig, aber hey das muss eh jeder für sich entscheiden)

Das zweite Problem ist wie gesagt mehr "psychologischer" Natur.
Okay, wir haben nun (beim Kommer oder sonstwo) die langfristigen Backtests gesehen, in denen die Überrendite der Faktoren dargelegt wurde, und sagen uns natürlich - klingt toll, will ich auch. Jetzt ist es aber nun so, das keines der vielen verschiedenen zum praktischen Investieren angebotenen Produkte auch exakt dieselben akademischen Faktordefinitionen benutzt, so wie sie in den langfristigen Backtests benutzt wurden, sondern jeder Anbieter ein bischen sein eigenes Süppchen kocht - sich also deren Realperformances immer etwas von der aus der reinen Theorie unterscheidet (aber gut, unterscheiden wird sich das eh sowieso, da das eine ja die Vergangenheit betrifft und das andere die Zukunft). Das erzeugt also einen gewissen "Replication-Gap", und kann zusätzliche Enttäuschungen hervorrufen, wenn sich die Praxis dann doch von dem unterscheidet, was man vom "reinen Faktor" eigentlich erwartete.

Der Anleger steht also vor dem zusätzlichen Problem, dass er nicht nur entscheiden muss, ob er von Faktoren generell überzeugt ist, sondern auch von welchem der vielen verschiedenen konkret angeboteten Faktorprodukten er sich auch die beste Umsetzung davon verspricht.
Ich weiß ja nicht, ob und wie sehr Kommer o.a. einen dabei alleine lässt, also dass Anleger nach der Lektüre vielleicht Lust auf Faktoren haben, aber ob sie auch Hilfe und Anleitung mit an die Hand gegeben bekommen, sich einen Weg durch den Produktdschungel zu schlagen und auf was sie achten müssen, bei den vielen verfügbaren Angeboten auch das richtige auszuwählen?

Wie gesagt, da ist auch wieder ein "Vorteil" der einfachen Breitmarktanlage (gerade eben für die Zielgruppe der Sorte von Leuten, die mangels Fachkenntnis ja überhaupt noch Investmentratgeber-Bücher lesen).

Die Entscheidung, welchen "normalen" MSCI World man nimmt, ist viel einfacher (ja, auch wenn wir hier durch die Leserzuschriften wissen, dass Anfänger&Einsteiger das gern überdramatisch aufbauschen) und viel weniger kriegsentscheidend (die langfristigen Performanceunterschiede zwischen den Anbietern werden eher vernachlässigbar sein) als die Entscheidung, welche Faktorprodukte man nun nehmen soll. Denn die unterscheiden sich schon um einiges stärker, erstmal in ihrem Konzept & Aufbau, daraus resultierend eben auch in ihrer Performance (kurz- und langfristig) - voneinander und ggü dem einfachen MSCI World. Der Anleger stünde also in der Pflicht (wenn er nicht einfach das erstbeste Produkt, wo nur "Faktor" draufsteht, was ihm über den Weg läuft, kaufen will), sich durch hunderte Seiten (englisch und voll mit finance-vocabulary) von Methodologies der einzelnen Indexstrategien verschiedener Anbieter durchzuarbeiten, die Strategien nachzuvollziehen und zu bewerten, um daraus schlussendlich mit einigermaßen kompetent begründeter Überzeugung auch diejenigen auswählen zu können, der er nun halt für die "besten" hält. Ich weiß nicht, wieviele Leute das ernsthaft machen oder dazu überhaupt in der Lage sind.

Und danach muss er auch die ganze Investitionszeit über konsequent unempfänglich gegenüber allen weiteren Verlockungen bleiben, die Strategie wieder zu ändern - nicht nur wenn man den Breitmarkt unterperformt, sondern eher gerade auch wenn ein anderes Faktorprodukt mal besser performt - das Streben nach Outperformance war ja eben der Ursprungsgrund, warum man überhaupt mit dem Faktorinvesting angefangen hat (man ist dem Verlangen also nicht grundlegend abgeneigt, so wie ein ganz neutraler Breitmarktanleger), und jetzt kommt auf einmal ein neues Produkt daher was besser performt als mein oller Hinterherhinker, und das neue Konzept ist ja auch viel einleuchtender und vielversprechender, ohje wie lange guck ich mir das noch an bis ich der Versuchung zu wechseln wieder erliege... usw, die ganze Zeit über. Ich weiß auch nicht, wieviele das wirklich schaffen würden.

(Anmerkung, siehe dazu ja auch hier meine Nachfrage, ob/inwieweit die Anlegerin sich auch wirklich ernsthaft mit dem FTSE JP Morgan Diversified Factor Global Developed Equity Index (region aware) auseinandergesetzthat und begründen könnte, warum der nun eine bessere Investition darstellt als zum Beispiel der MSCI World Diversified Multiple Factor Index oder der Goldman Sachs Equity Factor World Index oder der Scientific Beta Developed Multi-Beta Multi-Strategy Four-Factor ERC Index oder sonstige Konkurrenzprodukte? Ich habe dazu wie gesagt noch nichts gehört was für mich so klingt als wäre das eine besonders tiefgründige Beschäftigung gewesen (lasse mich aber natürlich gern eines besseren belehren) die eben nicht nur auf ner rein oberflächlichen Produktebene ("ja der JPM hat halt die geringste TER" - was für mich wie gesagt ein sehr unwichtiges Kriterium ist, oder zumindest viel unwichtiger als wie gesagt von seinem speziellen Faktorkonzept generell überzeugt zu sein) stattfand. Und ich sag mal so, als jemand der sich wahrscheinlich schon tiefer mit den Faktorindizes auseinandersetzt als es deren "durchschnittliche" Anleger tun, es ist mir jedenfalls nicht möglich mit genügender Sicherheit zu sagen, welcher der Faktorindizes langfristig das jeweils beste Ergebnis von allen liefern wird (es ist mir ja noch nichtmal möglich zu sagen welche langfristig überhaupt "nur" den MSCI World outperformen werden), daher kann ich mich nur wundern darüber das andere Anleger meinen das zu wissen, oder meinen sich garnicht erst damit beschäftigen zu müssen, und dann scheint mir - da hier die Bildung von gefestigten Überzeugungen fehlt - wird es wohl auch um die langfristige Durchhaltefähigkeit in Unterperformancephasen (gerade dann wo man die Überzeugungen, wenn man sie denn hat, auch braucht) wohl umso schlechter bestellt sein).

Wie gesagt, was jeder drauss macht bleibt jedem selbst überlassen, ich würde da keinem ne Entscheidung vorgeben wollen, sondern nur hoffen das ihnen das Geschreibe ein bischen beim finden ihrer eigenen Entscheidungen hilft. Bei mir selbst ist es ja auch noch nicht großartig anders - den Faktoren selbst gegenüber bin ich eigentlich relativ agnostisch eingestellt - mein Grund darin noch nicht zu investieren liegt also noch nicht mal so sehr darin, dass ich nicht von der Theorie dahinter überzeugt wäre oder sie als kompletten Humbug ablehne - nein mein Problem läge eher auf der praktischen Umsetzungsebene, also selbst wenn, würde ich mir ehrlicherweise auch nicht zutrauen, nun aus dem konkreten Produktangebot mit genügender Sicherheit auch immer nur gezielt diejenigen auszuwählen zu können, die auch tatsächlich die größte Überrendite (nicht nur ggü. dem Breitmarkt, sondern vor allem auch ggü. der Konkurrenz, so dass man nicht über kurz oder lang auch wieder am jeweiligen Konzept herumzweifelt und umschichtet) liefern wird.

Das ist im Grunde dasselbe Problem wie schon mit den klassischen aktiven Fonds bekannt - von denen unterperformen die meisten, aber eine kleine Minderheit outperformt eben auch immer. Wenn ich wirklich schon vorher zuverlässig wissen/ermitteln könnte, wer für die Zukunft die besten Performer sein werden, würd ich auch auf die Fonds setzen und bräuchte meine ollen ETFs nicht mehr. Da ich mich aber nicht so selbstüberschätze sondern ehrlich zugebe, dass ich das nicht kann, bleib ich einfach weiter bei den ETFs die mir zumindest schonmal sicher die Marktrendite bringen und spare mir so das Risiko, auf welche von den vielen Fonds zu setzen die den Markt eher unterperformen. Wer sagt, dass das bei Faktor-ETFs ja eigentlich was ganz anderes sei, da die Faktoren ja alle ne langfristig belegte Überrendite erwarten lassen, der brauch sich von mir nicht abhalten lassen, brauch mir aber auch nicht böse sein, wenn ich da mal noch nicht mitmach' :-)


Joerg sagt am 05. Juli 2020

@Geduld & Spucke

Faktoranleger sind natürlich in Gefahr, (zukünftig) systematisch schlechter als der Gesamtmarkt abzuschneiden.

Sachlogisch ;-) gesehen, kann es keine bleibenden, ausbeutbaren Faktorprämien för die Zukunft geben, weil der Markt reflexiv ist (d.h. die Summe der Marktteilnehmer würden die Faktorprämie ausbeuten wollen und deshalb verschwindet sie).

[Zur Reflexivitaet des Marktes hat Hari gute Blog-Posts (google Mr. Market und Reflexivität)] Funktionierende (allgem. bekannte) Faktorprämien gibt's deshalb nur für die Vergangenheit (also im Rückspiegel) nicht für die Zukunft!
Es ist naiv, zu denken, dass eine frühere Outperformance wiederkommt und v.a. die unterwegs erlittenen Verluste wieder überkompensiert.
In dem Moment, in dem ein Faktor-ETF aufgelegt wird, ist es idR zu spät. Nur noch Retail-Kunden (ohne Ahnung) fallen darauf herein. Warum?
Jeder will gerne ein "überdurchschnittlicher Anleger" sein, keiner mag zugeben, dass er dafür nicht schlau genug ist. Dafür gibt's dann Faktor-Investments oder BIP-Gewichtung ;-) Man kann sich wenigstens eine Weile auf Hoffnung schlauer fühlen ("Check, alles richtig gemacht").

Trotzdem geschieht irgendwann eine Mean-Reversion. z.B. ist anzunehmen, dass Value oder andere Faktoren, die so lange schlecht liefen, dass eine bereits investierte Anlegergruppe sich überwiegend, angewiedert davon trennt. Dann kann eine neue Anlegergruppe davon profitieren, bis eine strukturelle Unterbewertung aufgeholt wird.
Aber so lässt sich kein systematisches Ausbeuten der Faktoren erzielen! Das ist eher vergleichbar mit Sektor-Rotation (rechtzeitig im Konjunkturzyklus zwischen Zyklikern und Nicht-Zyklikern switchen)
Insofern kann man lieber gleich auf den ganzen Markt setzen.

wie Dartscheiben-Wurf verbessern?

Ein Edge ist möglich, in z.B. starken Baissen/DrawDowns mit mehr Geld, als man gerade hat, in den Markt zu gehen (sozusagen die Sparplanraten der nächsten 1-3 Jahre vorab zu investieren).

Aber das ist riskant und gegen die menschl. Natur, deshalb macht es kaum einer/schafft es kaum einer. Und irgendwann ist man zu alt für den Schxxx ;-)

LG Joerg


Geduld+Spucke sagt am 11. Juli 2020

@ChrisS

Die Aussage von Sharpe ist deshalb so charmant, weil sie keine Hypothese darstellt, wie z.B. die des effizienten Marktes, welche zwar sehr plausibel aber nicht bewiesen ist. Sondern sie ist eine mathematische Gewißheit. Wenn also empirische Daten gegen "Sharpe" sprechen, zweifel ich diese Daten an.

Bei der Frage, wohin dieser Fehlbetrag gewandert ist, fallen einem natürlich sofort als erstes die Fondskosten ein, aber selbst das erklärt noch nicht alles, es gibt noch einen Rest an weiterhin "unerklärter" Unterperformance, worüber nur Mutmaßung übrigbleibt (wobei, vieles wird auch klarer wenn wir als "Fondskosten" mal nicht nur die wirklich explizit ausgeschriebenen (TER) nehmen, sondern auch implizite die da nicht mit enthalten sind, z.B. interne Handelskosten bei Umschichtungen und dementsprechende Market-Impact / Frontrunning /Arbitrage -Verluste die sie ggü dahingehend involvierten Gegenparteien erzeugen).

Wenn es die Fondskosten nicht alleine sind, wohin geht das Geld dann? Das Bewegen von Kursen durch Transaktionen sind keine gute Erklärung, weil auch das ein Nullsummenspiel ist. Jeder Trade an der Börse hat einen Käufer und einen Verkäufer. Was der eine mehr bezahlt, erhöht den Gewinn des anderen.

Die Frage wohin das Geld geht ist zweierlei relevant.

  • Wenn die öffentlichen Fonds in Summe den Markt langfristig unterperformen, muß jemand anderes überperformen. Bei denen wäre ich gerne dabei.
  • Dieselben Renditekiller könnten auch bei den Indexfonds zuschlagen, ohne daß wir das bemerken. Nur weil Indexfonds weniger unter einem möglichen Problem leiden als aktive Fonds heißt das nicht, daß sie überhaupt nicht darunter leiden.

Was die Psychologie angeht weiß ich nicht, ob sich die Problematik so anders verhält, als bei dem Fall Aktienmarkt vs. Tagesgeld. Es gab Phasen in der Vergangenheit, da hat der Aktienmarkt 10-15 Jahre schlechter performt, als das Sparbuch. Es kam selten vor, ist aber nicht unmöglich. Und wer einmal über diesen Schatten langfristig/kurzfristig gesprungen ist, für den sollte Unterperformance gegen diesen oder jenen Index auch kein so großes Problem darstellen. Man denke nur an die Anleger, die in den MSCI Europe investiert haben, statt in den MSCI World. Wie die sich jetzt ärgern weil es in Europa kein Tech gibt. Aber es hätte auch genau umgekehrt kommen können. Den Anlegern in den MSCI Europe kann man keine allzu großen Vorwürfe machen, finde ich.

@Jörg
Das wäre auch meine Antwort auf das "reflexive Markt" Argument von Jörg. Der ganze Aktienmarkt selbst ist ein Faktor gegenüber Anleihen. Auch die Überperformance von Aktien gegenüber Anleihen gilt "nur" im Backtesting. Wer nicht an Faktoren glaubt müßte also konsequenterweise sein Geld zwischen Anleihemarkt und Aktienmarkt aufteilen. Und zwar gewichtet nach Marktkapitalisierung. Puh, da geht die Aktienquote aber ganz schön in den Keller. Ich würde mich das gegenwärtig nicht trauen, auch wenn Anleihen im vergangenen Jahrzehnt ganz gut gelaufen sind.

@ChrisS
Was die Größe und vor allem die Lebensdauer der Fonds angeht, hast du einen wichtigen Punkt angesprochen. Damit die Strategie greifen kann, braucht man mehrere Jahrzehnte Zeit. Da wäre es natürlich ärgerlich, wenn der Fonds nach 5 Jahren eingestellt würde. Typischerweise natürlich nach einer längeren Unterperformance Phase gefolgt von signifikanten Mittelabflüssen. Das scheint mir eine durchaus reale Gefahr.


ChrisS sagt am 11. Juli 2020

@ G&S

Nee, die Kosten sind schon der Hauptverursacher der Performancedifferenz (zwischen der aggregierten geldgewichteten Fondsrendite vs. Benchmarkrendite). Wenn ich also mal erwähnte, dass das nicht die einzigen Versursacher sind, soll man trotzdem nicht aus den Augen verlieren dass die trotzdem natürlich immer noch den Haupteinteil der Erklärung ausmachen.

Das verbindet sich dann auch schon wieder mit Sharpe. Siehst ja, wie oft in seinem Aufsatz das Wort "costs" vorkommt. Er weist selbst darauf hin, dass dieses "Nullsummenspiel" zwischen den Händlern untereinander nur in einem idealen unreellen vor Kosten-Welt so wie beschrieben "ausgeglichen" ist, während es "nach Kosten", also in der Praxis-Welt in Summe immer mehr oder weniger zum "Negativspiel" wird. Also die aggregierte, geldgewichtete Performance nicht mehr nur den Markt"durchschnitt" bzw. Index-Benchmark ergeben, sondern durch allerhand Kosten (z.B. Fondsgebühren, welche von der Anlagesumme abgehen, Gebühren, welche von der Performance abgehen, Brokergebühren bei Wertpapiertransaktionen, usw... alles für sich vielleicht wenig aber in Summe auf Marktebene läppert sich das schon wieder) immer ein gewisser Betrag an Geldeinheiten aus dem Markt im allgemeinen bzw. aus der Rendite der einzelnen Anleger extrahiert werden (und dann z.B. in die Taschen der Fondsanbieter wandern).
If active" and "passive management styles are defined in sensible ways, it must be the case that (1) before costs, the return on the average actively managed dollar will equal the return on the average passively managed dollar and (2) after costs, the return on the average actively managed dollar will be less than the return on the average passively managed dollar.

Das hilft uns dann vielleicht auch ein bischen weiter bei der Frage zu verstehen, wer/wo eigentlich die "Outperformer" sind, wenn der Markt doch (geldgewichtet) hälftig aus denen bestehen müsste. Ja, aber eben auch nur vor Kosten. Also nehmen wir zur Einfachheit mal an, ein "Markt" (z.B. amerikanische Largecaps) habe nur aktive Fonds als Teilnehmer (was wie gesagt auch eigentlich in der Realität nicht die einzigen sind, aber hey nur fürs Beispiel zur Illustration). Vor Kosten würde die aggregierte geldgewichtete Rendite aller Fonds zusammen der des Marktindex-Benchmarks (hier zB SP500 o.ä.) betreffen. Die sei bspw. mal bei 6 %. Davon können dann eine Hälfte aller investierten Geldeinheiten (also nicht unbedingt konkret Anzahl Fonds, sondern wieviel Assetvolumen darin angelegt wurde) über dieser Marktrendite sein (z.B. 7 %) und die andere Hälfte der Geldeinheiten rentierten darunter, zB. bei 5 % (oder sonstwelche Prozente, ist ja alles ein Spektrum). Jetzt ist es aber leider so, dass für die konkreten Endanleger der Fonds nicht diese "pure" Brutto-Rendite ankommt, welche diese Fonds vielleicht noch "intern" vor Kosten erwirtschaftet haben, sondern von der übermittelte Fondsperformance gehen halt noch die Kosten ab. Wenn ein Fonds, der zB. "intern" vor Kosten 7 % erwirtschaftet hat, also den Markt um 1 % outperformte, nun Kosten abgezogen werden, sagen wir mal zB. 1,5%, hat er für uns nun eigentlich nur 5,5 % performt, also den Markt am Ende scheinbar um 0,5 % unterperformt. Oder andersrum gesagt, er muss den Markt vor Kosten immer mindestens schonmal um seinen Gebührenbetrag outperformen, damit er für uns auf Endanlegerebene überhaupt nur gerademal so gut wie der Markt performend erscheint.

Gehen wir also mal wieder in die SPIVA Scorecards beispielweise. Wie gesagt, in einer idealkonstruierten Theoriebeispiel (also dass die öffentlichen Fonds schon alle Teilnehmer am Markt sind und es keine weiteren gäbe, und zweitens dass die Fonds keine Kosten hätten, ihre Produktperformance also eins zu eins nur ihrer jeweiligen Handelsperformance entspräche) müsste es ja so sein, dass sich die aggregated asset weighted return aller Fonds einer Kategorie zusammen (zB. amerik. Largecaps) der Rendite des Marktes (zB. Benchmark SP500) entspricht. Das tut sie in der Praxis aber eben leider nicht. Man kann die 1,3,5,10,15 year returns vergleichen, oder die Renditen einzelner Jahre, und findet oft eine Differenz von minus 1, 1.5 oder 2 % (variiert natürlich je nach betrachteten Zeitraum und spezielle Assetklasse) zwischen Indexrendite und Fondsgruppenrendite. Der Hauptteil dieser Differenz wird von den Gebühren erklärt, die aus den Fonds noch zusätzlich abgeschöpft werden. Oder andersrum, mal an dich gefragt, warum sonst liegt die aggregierte Fondsrendite auch langfristig immer unterhalb des Index? Klar, man kann endlos über irgendwelche "unsichtbaren Outperformer" (also abseits der öffentlichen Fonds) rumspekulieren, die mag es geben oder nicht, aber ich nehme mal an die Fondskosten sind schon einfach der direktere, hauptverantwortliche Versursacher dafür.

Ehrlicherweise sei auch noch dazu gesagt, dass natürlich auch für gewisse kürzere Zeiträume und Assetsegmente ne Fondsgruppe auch in Summe besser als der Index performen kann. Ist grad z.B. bei Growth so, da haben laut SPIVA im 1- und 3-Jahresvergleich die Growth-Fonds (besonders im mid- und small-Segment) eine höhere Rendite als die dazu verwendeten S&P Growth Benchmark-Indizes. Je länger (>10+ Jahre) man schaut, umso mehr kehrt sich das aber tendenziell wieder um ins selbe bekannte Bild, also auch hier tun die Fonds asset-weighted langfristig die Indizes wieder unterperformen, scheint also auch nicht "systematisch" zu sein solche phasenweisen Ausreißer.

Naja, was solls, ich glaub wir drehen uns langsam im Kreis. Wahrscheinlich meinen wir am Ende eh irgendwie dasselbe, also die gleiche Grundidee, nur halt aus unterschiedlichen Perspektiven dazu ranargumentiert, bzw. haben unterschiedliche Dinge die wir dabei für wichtig und weniger wichtig erachten. Also wollen wir das mal nicht weiter überstrapazieren.

"Wenn die öffentlichen Fonds in Summe den Markt langfristig unterperformen, muß jemand anderes überperformen. Bei denen wäre ich gerne dabei."

Ja dann schau dich halt um wer das sein könnte. Wenn du meinst den gefunden zu haben, und du da "reinkommst", dann mach das, wäre ja logisch sinnvoll. Und wenn du den nicht finden kannst bzw. nicht reinkommst, tja dann ist glaubich das beste was noch übrig bleibt, einfach bei der simpel erreichbaren Indexrendite zu bleiben, da selbst die schon besser ist als der Großteil der öffentlichen Fonds langfristig.

"Dieselben Renditekiller könnten auch bei den Indexfonds zuschlagen, ohne daß wir das bemerken. Nur weil Indexfonds weniger unter einem möglichen Problem leiden als aktive Fonds heißt das nicht, daß sie überhaupt nicht darunter leiden."

Der Hauptrenditekiller sind die Kosten. Wären Indexfonds/ETFs noch genauso bepreist wie die klassischen Mutual Fonds, hätten sie dasselbe "Problem" (würden ihren Index unterperformen, um einen Betrag der jeweils der Höhe ihrer Kosten entspricht). Glücklicherweise tun sie das nicht, ETFs, gerade die Standard Brot&Butter Produkte, kosten nichtmal mehr ein Zehntel von dem was üblicherweise so für typische Fonds noch bezahlt werden muss, und sind daher viel näher an der eigentlichen Indexrendite dran.
Oder wenn du eher meinst, dass mit "Renditekiller" schon die Indizes selbst gemeint sind, also dass es irgendwann nicht mehr sinnvoll ist marktbreit anzulegen (alle Aktien eines Marktes gemäß ihrer Kapitalisierung gewichtet zu halten), sondern es sinnvoller werden könnte, "aktives" Investieren zu betreiben weil die nun (in Summe und/oder Anzahl) den Index eher outperformen (also entweder selbst aktiv zu investieren, oder eben delegiert an einen Fonds dem man zutraut den Index outzuperformen), tja auch da kann ich nur schulterzuckend sagen - ja mach halt, wenn du meinst den Zeitpunkt dafür gefunden zu haben, und die Strategie (bzw. den Fonds dafür) gefunden zu haben die den Index outperformen wird. Was hast du auch sonst von mir erwartet? Dass ich dich dogmatisch zwanghaft in ETFs festhalten wollen würde? Nee, wozu auch, wir alle werden selbst am besten wissen wie wir mit unserem Geld umgehen wollen :-)

"Was die Psychologie angeht weiß ich nicht, ob sich die Problematik so anders verhält, als bei dem Fall Aktienmarkt vs. Tagesgeld. Es gab Phasen in der Vergangenheit, da hat der Aktienmarkt 10-15 Jahre schlechter performt, als das Sparbuch. Es kam selten vor, ist aber nicht unmöglich. Und wer einmal über diesen Schatten langfristig/kurzfristig gesprungen ist, für den sollte Unterperformance gegen diesen oder jenen Index auch kein so großes Problem darstellen. "

Wie gesagt, das ist dann wieder mehr eine individuelle Anlegertyp-Frage als jetzt rein eine Produktfrage. Deswegen ist meine Smartbeta/Faktor-"Kritik" diesbezüglich auch keine "Produktkritik" an sich gewesen (ie. ob diese Produkte selbst nun "gut" oder "schlecht" sind, hängt vor allem davon ab "wer" sie einsetzt, oder anders gesagt wer mit den Produkten schon richtig umgehen kann, für den werden sie eben einen Nutzen haben).

Ich würde da vielleicht nochmal unterscheiden, was den "Grad (bzw. die Festigkeit) der Überzeugungen" angeht. Bei so Meta-Fragen wie "Aktien allgemein vs. Sparbuch" sind die (zumindest bei mir) ja viel ausgeprägter als bei so "Detail-Fragen" wie "erwarte ich mir jetzt von Faktoren (und dabei noch, von welchen genau) mehr oder weniger Rendite als der Breitmarkt?".

Also im ersten Falle, eine längere Aktien-Schwächephase allgemein würde mich nicht von Aktien abbringen und zum Sparbuch zurück (gut, ich war eh noch nie in meinem Leben so richtig "im" Sparbuch). Da mir diese Überzeugungen (egal ob pro oder contra, wie gesagt eher agnostisch) aber für Faktoren noch fehlen, weiß ich nicht, ob ich eine längere Faktor-Schwächephase ggü dem Benchmark auch genauso lange aus- und durchhalten könnte, weshalb ich einfach gleich beim Benchmark bleibe und so das "Vergleichs"-Problem erst garnicht habe (und andererseits schaue ich auch eh nicht so oft wie grad die Faktoren so alles performen, so dass ich also auch wenn sie mal gut laufen genausowenig in verlockende Wechsel-Versuchung gerate). Das ist wie gesagt nur rein persönlich auf mich bezogen, und hat nicht den Anspruch auf andere zuzutreffen. Wer also von den Faktoren überzeugter ist und Performanceschwächen aushalten kann, den würde ich selbst nicht davon abhalten wollen, wozu auch. Genauso wie ich auch jemand anderem, der von Faktoren eben noch nicht überzeugt ist, noch extra davon überreden will dass er sie unbedingt machen muss.

"Man denke nur an die Anleger, die in den MSCI Europe investiert haben, statt in den MSCI World. Wie die sich jetzt ärgern weil es in Europa kein Tech gibt. Aber es hätte auch genau umgekehrt kommen können. Den Anlegern in den MSCI Europe kann man keine allzu großen Vorwürfe machen, finde ich."

Ja wie gesagt, ist halt alles eine Frage der dahinterstehenden Überzeugungen mit denen das gemacht wurde. Also wie gefestigt die sind, und wie valide überhaupt. Also es käme halt drauf an, warum man bpsw. nur in Europa investiert hat. Was hat man sich davon erwartet? Worauf beruht diese Erwartung (also welche Argumente/Sachlogik, wenn überhaupt, steht dahinter)? Und was sind die Gründe warum diese Erwartung noch nicht eingetreten ist (ist ja immer so, nur im negativen Fall beginnt man zu zweifeln und zu hinterfragen, während wenn alles so "läuft wie versprochen" man sich ja nur bestätigt sieht und nicht weiter nachforscht)? Halte ich diese Gründe nach einer Analyse für genügend zufällig/zyklisch (also dass es auch wieder vorübergeht und sich auf lange sicht wieder der erwartete Vorteil einstellen sollte) oder halte ich das mittlerweile für einen genügend "systemischen" Fehlgriff (ie. die Annahmen, auf welche meine Erwartung aufgebaut war, haben sich als unzutreffend herausgestellt und ich habe nicht mehr die nötige Überzeugung dafür dass das langfristig auch wieder groß anders/besser wird). Im ersten Falle sollte ich einfach "Kurs halten", also auch und gerade durch solche Unterperformancephasen nichts ändern, um am Ende die sich irgendwann einstellenden Vorteile wieder zu bekommen, und beim zweiten Fall sollte man sich eben rational anpassen an das, was man (z.B. aufgrund seines inzwischen gewachsenen Bildungsstandes dazu) für eigentlich sinnvoller hält. Aber auch hier wieder, das unterscheidet sich je von Mensch zu Mensch (also was sie glauben, und wie fest sie's glauben), von daher gibt es da kein one-size-fits-all und es werden sich am Ende auch ihre jeweiligen Depots unterscheiden, und das mag vielleicht auch ganz gut so sein.

"Wer nicht an Faktoren glaubt müßte also konsequenterweise sein Geld zwischen Anleihemarkt und Aktienmarkt aufteilen."

Müsste man? Wie gesagt, es mag schon noch Unterschiede geben in den Erklärungsansätzen (und für wie überzeugend man die persönlich hält) zwischen großen Fragen wie "warum Aktien allgemein langfristig eine höhere Rendite als Anleihen haben sollen" und kleinen Fragen wie "warum innerhalb der Aktien ausgerechnet zB. Value Aktien (o.ä. Faktoren) eine höhere Rendite als die übrigen Aktien haben sollen". Nur weil man vom letzteren noch nicht so vollständig überzeugt ist, heißt das nicht dass man deshalb zwangsweise auch automatisch von ersterem nicht überzeugt sein kann.
Aktien und Anleihen sind schonmal ganz unterschiedliche Anlageklassen. Viel unterschiedlicher als zB. innerhalb der Aktien der Unterschied zwischen Value-Aktien und nicht-Value-Aktien sein mag. Die Erklärungen für die langfristig unterschiedlichen Renditeerwartungen zw. Aktien und Anleihen sind dann auch viel fundamentaler in diesem Assetkategorie-Unterschied begründet (ie. Risiko von Eigenkapital vs. Fremdkapital, usw.) und damit auch "schwerwiegender", als jetzt so relativ spezifische Detailfragen wie die Unterschiede zw. Value-Aktien und nicht-Value-Aktien, also woher deren unterschiedliche Renditeerwartungen begründet seien sollen (ist ja beides schonmal Eigenkapital, usw.).

Wie gesagt, das mag auch wieder viel persönliche Anssichtssache sein, für mich ist es jedenfalls nicht so dass ein "hm, ich bin noch nicht ganz überzeugt davon, dass Value-Aktien auch langfristig zukünftig eine höhere Performance als der Breitmarkt haben werden" zwingend eine genauso große Unschlüssigkeit zu Aktien generell (ala "also wenn ich schon an den Faktoren zweifle, müsste ich ja genausogut auch an Aktien generell zweifeln und ein Großteil meines Geldes in Anleihen/Bankeinlagen stecken, denn ist ja eh alles gleich und wer in einem Bereich dazu keine Erwartungen hat darf auch in anderen Bereichen genauso keine Erwartungen haben und muss eigentlich in alles mögliche gleichermaßen anlegen" o.ä.) ergeben müsste. Wie gesagt, wenn das bei dir so ist - also entweder du glaubst an Faktoren und machst das halt, oder eben nicht aber deswegen musst du ja auch nicht automatisch an Aktien generell zweifeln und alles wieder aufs Sparbuch tun (aber hey, wenn du wirklich so denkst, dann machs halt so, was soll ich sonst noch sagen) - dann brauchst du dich von mir nicht abhalten lassen. Was ich sage, gilt ja erstmal nur für mich, das musst du sicher nicht genauso denken oder machen, genauso wie ich ja auch das von dir gesagte (was auch immer das sein soll, so ne richtige konkrete eigene Positionierung hab ich da auch noch nicht lesen können, ist aber auch eh egal) nicht persönlich auf mich anwenden würde, sondern wir beide jeder schon unseren eigenen zu uns passenden Weg finden und gehen werden :-)


Geduld+Spucke sagt am 18. Juli 2020

@ChrisS

Ich habe nicht den Eindruck, daß wir uns im Kreis drehen, im Gegenteil. Wir stoßen weiter zum Kern der Diskussion vor.
In dieser Diskussion geht es mir vor allem darum, den Kern der Entscheidungsgrundlage für oder gegen Faktorfonds, letztlich für die gesamte Geldanlage herauszuarbeiten. An welchen Glaubensgrundsätzen hängt eine Entscheidung für oder gegen Faktorinvestments. Dazu nun im Folgenden die ganz große Vogelperspektive. Bitte anschnallen!

Das Interview zeigt ja schon die Knackpunkte. Welche empirischen Ergebnisse aus der Vergangnheit betrachten wir als relevant für die Zukunft und welche nicht? Das ist der Kern, um den sich alles dreht.

Wonach entscheiden wir unsere Geldanlage?

  • Logische Schlußfolgerungen
  • Empirische Erkenntnisse

Ich behaupte, daß keines der Ansätze alleine eine befriedigende Entscheidungsgrundlage liefert. Beides muß zusammenspielen. Aus pädagogischen Gründen skizziere ich dennoch die beiden Prinzipien zunächst in Reinform.

Wie sieht eine rein logische Geldanlage bar jeder Empirie aus?

Nun als logische Grundlage würde man vermutlich in Dinge investieren, die an Märkten gehandelt werden, weil diese von der Logik her (und der Empirie, aber die wollen wir hier ja vernachlässigen) einen schlüssigen Mechanismus liefern, wie für alle Teilnehmer faire Preise zustande kommen, weil sie die Interessen von Käufern und Verkäufern gegeneinander aufwiegen. Schauen wir uns Märkte an, die wir für investitionswürdig erachten. Kriterien wären z.B. (nicht abschließend)

  • Funktionierender Markt (effiziente Preisfindung)
  • gewisse Standardisierung der gehandelten Güter
  • hinreichendes Volumen
  • hinreichende Liquidität

Folgende Märkte würden wir hier eventuell berücksichtigen wollen:

  • Aktienmärkte
  • Anleihenmärkte
  • Rohstoffmärkte
  • Immobilienmärkte

Folgende Märkte würden wir eher nicht berücksichtigen wollen.

  • Gemälde
  • seltene Weine
  • Oldtimer

Letztere im Wesentlichen weil Standardisierung und Volumen nicht gegeben sind. Und weil zuviel vom Zeitgeist bzw. z.B. der Bewertung von Journalist x für Wein y mit Note z abhängt (Manipulationsgefahr).

Schwachpunkte

Da wir die Vergangenheit nicht als Indikator für die Zukunft betrachten wollen, bleibt nur eine irgendwie gleichmäßige Aufteilung unsrer Mittel auf die gewählten Märkte übrig. Entweder z.B. je 25% unserer Mittel auf jeden Markt oder halt gewichtet nach Marktkapitalisierung der Märkte. Wir haben ja keine historischen Daten zur Hand, an der wir Erwartungswerte für Rendite und Risiko orientieren könnten.

Nun, offensichtlich würde niemand wie oben beschrieben investieren. Der erste empfohlene Schritt ist doch - ob beim Kommer oder Finanzwesir - die Aufteilung in RK1 und RKx. Dann alles weitere. Ohne empirische Daten ist das jedoch nicht sinnvoll möglich. Woher weiß ich, was schwankungsarm ist und was nicht, wenn nicht aus der historischen Erfahrung? Die Unterscheidung Eigenkapital/Fremdkampital finde ich nicht so einleuchtend. Letztlich stammen ja alle Erträge aus wirtschaftlicher Tätigkeit. Auch die Coupons der Staatsanleihen. Hier bar jeder historischen Kenntnis Renditeerwartung und Schwankungsbreiten abzuleiten, scheint mir schwierig. Und nur, weil die Wertpapiere unterschiedliche Namen haben (Anleihe bzw. Aktie) lassen sich daraus keine fundamentalen Unterschiede ableiten. z.B. kann eine Fremdwährungsanleihe volatiler sein, als manche Aktie.

Wir können z.B. auch die Rohstoffmärkte wegen ihrer geringen Renditen gegenüber Aktien nicht ausschließen. Weil wir ohne empirische Daten nicht wissen können, daß Rohstoffe als Geldanlage ein schlechtes Rendite/Risiko Profil haben. Sind denn nicht Rohstoffe begrenzt und müßten bei steigender Weltbevölkerung immer teurer werden? Logisch wäre das, aber epirisch war es bisher einfach nicht so.

In letzter Kosequenz bedeutet das, dass selbst der MSCI-ACWI + Tagesgeld Investor von der Existenz und Persistenz gewissen empirischer Faktoren ausgeht. Denn sonst würde sein Portfolio wie oben beschrieben gleichgewichtet in alle Märkte aussehen.

Wie sieht eine rein empirische Geldanlage aus?

Der rein empirische Ansatz schreibt einfach die Vergangenheit in die Zukunft fort. Dabei gilt.

  • Je länger die Zeitreihe desto besser

Also die Aktien + Anleihen Zeitreihen der letzten 200 Jahre angeschaut und dort invesiert, wo die besten Risiko/Rendite Verhältnisse über möglichst lange Zeiträume aufgetreten sind. Die Aufteilung dann so, daß die Risikotragfähigkeit nicht überschritten wird.

Schwächen der empirischen Geldanlage

Aus der Historie lassen sich Rendite und Risikoschätzungen für die Zukunft ableiten und so gezielter steuern. Doch auch hier gibt es Probleme:

  • Verfügbarkeit langer Datenreihen
  • Historische Ereignisse invalidieren ältere Datenreihen

Die Zukunft läßt sich nur dann aus der Vergangenheit nur dann fortschreiben, wenn die Welt der Zunkunft im Kern immer noch irgendwie dieselbe ist, wie die der Vergangenheit. Das ist jedoch nicht selbstverständlich. Weltkriege verändern die geostrategische Ordnung. Abschaffung der Goldbindung verändern die Grundlagen der Währung, Inflation und Anleihenrenditen.

Beispiele: Zeitreihen über Goldpreise in US-Dollar sind erst seit den 1970'er Jahren aussagekräftig, weil es zuvor ein festes Wechselkursverhältnis gab. US-Bills lieferten seit den 1930'er inflationsbereinigt 0% Rendite, insgesamt über 200 Jahre aber 2.7% p.a. (Siegel, Stocks for the long run). Welche Zeitreihe ist jetzt die richtige? Die längere, oder die jüngere? Internetaktien hingegen existieren erst seit 25 Jahren, usw.

Negativzinsen könnten nun ein weiterer "Gamechanger" sein. Diese Änderungen werden aber durch eine reine Betrachtung der Zeitreihen nicht entscheidbar. Das schmälert den Prognosewert der empirischen Betrachtung.

Je länger also die Datenreihe, desto sicherer eigentlich die Ergebnisse. Je länger aber die Zeiträume, desto mehr verändert sich die Welt, desto unsicherer die Ergebnisse, weil die Daten länger zurück liegen. Dieses Paradoxon versucht man üblicherweise irgendwie über die Kombination mit logischen Modellen aufzulösen.

Synthese Empirie und Logik

Eine vernünftige Anlageentscheidung geht also nur durch Kombination von Empirie und logischer Erklärungsmodelle. Die Diskussion zwischen Herrn Weber und Hern Kommer bewegt sich genau an diesen Linien. Sind die Schwäche der Faktoren in den letzten zehn Jahren Relevant und durch eine Veränderung der Welt verursacht, oder sind es schlichte statistische Schwankungen, die sie äber die Jahrzehnte (längere Datenreihe) herausmitteln werden. Das ist der Knackpunkt, der die Entscheidungsgrundlage liefert. Wie man das entscheidet, ist dann eher wieder Glaubenssache.

Der Punkt ist aber, daß sich Herr Weber und Herr Kommer nicht darin Unterscheiden, ob sich Investition in Faktoren lohnt sondern welche Faktoren sich lohnen. Auch Herr Weber glaubt ja, daß Aktien besser performen werden, als Anleihen.

Was bedeuet das für Value, Momentum, etc.?

Das Buch von Berkin und Swedroe listet die Outperformance verschiedener Faktoren über 90 Jahre auf. Interessant ist, dass der Momentum Faktor statistisch sogar signifikanter ist, als das durchschnittliche Renditeplus des US-Aktienmarkts gegenüber einmonatigen US-Staatsanleihen. Bei den anderen Faktoren ist die Überrendite geringer und die statistische Signifikanz im Vergleich geringer, aber immer noch hoch. Wenn sich das alles in der Zukunft so fortsetzt hätte der Anleger vielleicht 2%-3% mehr Rendite pro Jahr. Über 30 Jahre bedeutet das doppelt so viel Knete im Portfolio. Das ist der gute Fall.

Was bedeutet es im schlechtesten Fall?

  • höhere Kosten
  • höhere Umsetzungsrisiken
  • höhere Abweichungen vom Gesamtmarkt.
Kosten

Höhere Kosten sind beim JPM Fonds mit 0.25% TER nicht gegeben. Bei anderen Fonds 20-30 Basispunkte mehr, so teuer waren MSCI-Worlds Fonds vor zehn Jahren auch mal gewesen.

Umsetzungsrisiken

Umsetzungsrisiken sehe ich gegeben, z.B. daß Faktorinvesting aus der Mode kommt und der Fonds eingestellt wird. Das stimmt. Was würde dann passieren? Vermutlich würde er mit einem MSCI-World Fonds verschmolzen. Dann haben wir noch das Problem, daß die Faktor-ETF nur die Long-Seite abbilden können. Wobei ich beim Stöbern in der aktuellen Freitagsliste auf einen Artikel gestoßen bin, der aussagt, daß die Longseite der Faktoren die für den Anleger interessante Seite ist. Leider habe ich den Artikel noch nicht gelesen. Der Titel lautet "When equity factors drop their shorts" aus dem Jahr 2019. Aber auch der MSCI-ACWI hat ein paar Umsetzungsrisiken, z.B. weil er ja nur 85% (oder von mir aus auch 87%) des weltweiten Aktienmarkts abdeckt und damit gegen Small-Caps positioniert ist.

Höhere Renditeabweichungen

Wir sind uns glaube ich einig, daß der Erwartungswert der Performance eines Faktorfonds selbst im schlechtesten Fall fast an die eines breiten Marktfonds herankommen würde (bei gleichen Kosten). Eine minimale systematische Differenz nach unten könnte noch bleiben, auch wenn sie logisch schwer erklärbar wäre, möchte ich hinzufügen. Sie ist von der Höhe her aber vermutlich irrelevant (vergl. frühere Diskussion über aktive Fondsrenditen).

Trotzdem kann natürlich eine Situation eintreten, wo ein Faktorfonds auch nach 15 Jahren schlechter performt hat, als z.B. ein MSCI-Worlds Fonds. Das wäre dann sehr wahrscheinlich eine stochastische Abweichung nach unten und damit nicht prognostizierbar. Genausogut könnte der Faktorfonds besser abschneiden, als der MSCI-ACWI, selbst wenn die Faktoren wegarbitriert wären. Das erzeugt dann vielleicht einen gewissen Druck gegenüber der Peergroup, die alle den MSCI-World halten und den Faktor-Heini im Zweifel auslachen. Andererseits sind die Selbstentscheider mit ETFs eh schon eher die Individualisten und sollten darüber dann auch noch hinwegkommen. Aber systematisch (!) schlechter als mit einem Breitmarktfonds steht sich der Anleger nicht.

Fazit

Ich sehe sachlogisch keinen wirklich schlagenden Grund, nicht in Faktorfonds zu investieren. Selbst wenn der Markt alle Faktoren in der Zukunft wegarbitrieren sollte, sind die möglichen negativen Folgen aus meiner Sicht überschaubar und nicht systematischer Natur, d.h. Über- und Unterperformance fair verteilt. Dass aber zumindest ein Teil der Faktoren auch in der Zukunft weiter erhalten bleibt, dafür gibt es durchaus plausible Gründe, die Berkin und Swedroe zusammengetragen haben. Wenig Downside, einiges an Upside. Was hat der geneigte Anleger also groß zu verlieren?


ChrisS sagt am 19. Juli 2020

@ G&S

Mit "im Kreis drehen" meinte ich eher, dass mir immer weniger noch sinnvolles zum kommentieren des eigentlichen Ausgangsthemas einfällt, und das nicht unnötig in die Länge ziehen will indem einfach darüber hinaus immer weitere neue Themenfelder aufgemacht werden ;-) Aber okay, wenn bei dir die Lust dazu noch nicht so erschöpft ist wie bei mir, nehme ich das weitere erstmal einfach eher als "Monolog" zur Kenntnis, was übrigens nicht abwertend gemeint ist sondern nur dass ich das nicht so kommentiere als ginge es hier darum, dass wir uns gegenseitig den anderen von der Richtigkeit seiner Positionen überzeugen wöllten, also nicht dass ich den Anspruch hätte, dass du dir meine Ansichten zueigen machen müsstest, genauso wie ich deine Ausführungen nicht unter dem Aspekt behandle als ginge es dir darum dass das nun auch meine werden sollen, sondern nur dass du, hpts dir selbst gegenüber, mal deine Gedanken dazu ordnen willst. Das ist okay so und ich kann ja mal schauen was mir dazu noch zum kommentieren einfällt... :-)

Nun als logische Grundlage würde man vermutlich in Dinge investieren, die an Märkten gehandelt werden, weil diese von der Logik her einen schlüssigen Mechanismus liefern, wie für alle Teilnehmer faire Preise zustande kommen, weil sie die Interessen von Käufern und Verkäufern gegeneinander aufwiegen.

Naja, zum "Investieren" reicht einfach nur das vorhandensein von Märkten eigentlich noch nicht aus. Es braucht dazu auch überhaupt mal eine Renditeerwartung, die man gegenüber dem Investitionsgut hat.
(das ist ja überhaupt grad das was eine "Investition" eigentlich ausmacht, also die Erwartung eines späteren Gewinns, und vom bloßen "Geldausgeben" unterscheidet).

Nicht alles, was eine Renditeerwartung hat (ie. in was man potentiell so alles investieren könnte), wird an Märkten gehandelt, und nicht alles was an Märkten gehandelt wird, hat auch eine Renditeerwartung (ie. stellt ein sinnvolles Investitionsgut dar).
Es werden z.B. auch Währungen an den Märkten gehandelt (je nach Maßstab ist das sogar der größte Markt der Welt), aber ich würde für mich persönlich nicht behaupten, dass die ein besonders sinnvolles Investitionsgut darstellen, da ich mir keine Renditeerwartung zu ihnen bilden kann, oder zumindest keine die eine einfache langfristiges B&H-Anlage in Währungen lohnenswert erscheinen lässt (demgegenüber kann man ja vllt noch kürzerfristig aktiv spekulieren mit Währungen, wenn man meint irgendeine profitable Strategie dafür zuhaben, aber das ist genausowenig mein Ding).

Und zum Bilden dieser Renditeerwartungen sind natürlich immer "Logik" und "Empirie" notwendig, oder ums mal konkret zu machen, es braucht "Theorie" (warum soll sich ein Investitionsgut wie entwickeln?) und "Praxis" (wie hat es sich dann tatsächlich auch entwickelt?) gleichermaßen, welche beide eine gewisse Überzeugungsgrenze (die bei unterschiedlichen Personen auch unterschiedlich sein darf und ist) überschreiten müssen.

Ich kann ja die noch so tollste und schlüssigste Theorie haben, warum ein Asset X nun steigen oder fallen müsste (oder besser/schlechter rentieren sollte als Asset Y oder Z, etc.), also irgendwelche wirtschaftlichen Hintergründe und "Wirkmechanismen" vermeint entdeckt zu haben, aber man sollte dabei halt auch immer mal die Realität überprüfen, ob sich das Asset wenigstens auch bisher einigermaßen konform mit meiner Theorie dazu entwickelt hat (dass dann wieder auf die Zukunft übertragen zu wollen, ist natürlich auch mit seinen eigenen Problemen verbunden, aber hey deshalb reden wir ja auch "nur" von "Erwartungen" und nicht etwa von "Garantien" oder so), denn ab nem gewissen Punkt (auch wieder, der wird für unterschiedliche Leute verschieden sein) in der Abweichung von Theorie und Praxis (also das Asset hatte sich in der Realität eigentlich doch nicht so entwickelt wie noch in der Theorie geglaubt) müsste man ehrlicherweise doch eher zugeben, dass die ursprüngliche Theorie doch nicht so gestimmt hat wie gedacht. (und wenn Theorie und Realität sich widersprechen, ist es ja auch meist eher die Theorie, die dabei "falsch" ist, und nicht die Realität :-D)

Und genauso natürlich auf der anderen Seite, nur weil sich ein Asset besonders gut/schlecht entwickelt hat, ist das allein eigentlich noch keine vernünftig ausreichende Investitionsgrundlage, denn man sollte (vor allem halt sich selbst gegenüber, schließlich wird ja hier eigenes Geld investiert) dann auch wieder irgendeine Theorie dazu haben, warum das so war, um damit eine (persönliche!) Einschätzung treffen zu können, ob diese Entwicklung "systemisch" (dauerhaft, signifikant, etc.) genug ist, dass ich glaube dass die auch noch für meinen zukünftigen Investitionszeitraum (wir können ja nicht in Vergangenheitswertentwicklungen investieren) bestand haben wird, es also Sinn machen würde meine weiteren langfristigen B&H-Anlageentscheidungen danach auszurichten.

(wie gesagt, mit "im Kreis drehen" meine ich dass wir uns wahrscheinlich bei solchen ganz primitiven Grundlagengeschichten wohl nicht großartig widersprechen würden, weswegen es mich halt ein bischen langweilt das extra nochmal ausklamüsern zu wollen :-D Wenn du das, vor allem halt für dich selbst gegenüber, nochmal machen willst, werd ich dir nicht im Weg stehen (das meine ich mit "Monolog"), aber großartig nützliches extra noch selber dazu beitragen werd ich auch nicht können :-)

Und nur, weil die Wertpapiere unterschiedliche Namen haben (Anleihe bzw. Aktie) lassen sich daraus keine fundamentalen Unterschiede ableiten.

Die Anlageklassen Aktien und Anleihen unterscheiden sich schon in mehr als einfach "nur dem Namen". Die unterschiedlichen Risiko- (und daraus zwangsläufig abgeleiteten Rendite-) Erwartungen ergeben sich z.B. schon aus ihrer rechtlichen Stellung in der "Rangfolge" ihrer Zahlungsansprüche. Hier und hier wird das ganze mal beispielhaft auch laientauglich erklärt.

Natürlich reden wir hier auch nur von ganz allgemeinen Generalgruppen, es ist also kein durchschlagendes KO-Argument, wenn man dagegen mal mit so "Grenzfällen" ankommt wie z.B. dass eine "risikoreiche" (z.B.. schlechte Bonität, Fremdwährungen, lange Laufzeit, etc.). Anleihe auch mal eine höhere Volatilität haben kann als eine "sichere" Aktie (z.B. solides Unternehmen in einer konjunkturunabhängigen Branche, etc.), da bestätigt halt auch nur die "Ausnahme" die eigentliche "Regel" :-D

Und auch wenn man sich ganz fundamentalphilosophisch darauf zurückziehen will, dass doch irgendwie "alle Erträge (egal ob Aktienerträge, Staatsanleihenzinsen, Immobilien, Oldtimer oder was auch immer) am Ende immer irgendwie aus wirtschaftlicher Tätigkeit stammen", muss daraus nicht die Schlussfolgerung kommen, dass sich die einzelnen Arten auch nicht in Risiko- und damit Renditeerwartungen unterscheiden müssen. Denn es kommt eben wie im Link auch gezeigt auch immer noch ein bischen mit darauf an, an welcher "Stelle" das Zugriffsrecht/macht liegt, diese Erträge wirtschaftlicher Tätigkeiten abschöpfen zu können. Der Staat zum Beispiel steht da ja meist relativ weit oben, da sein Zugriffsrecht/macht über Steuern seinen Teil des Ertrages vom wirtschaftlichen Erfolg abschöpfen zu können (und damit z.B. seine Staatsanleihen zu bedienen) ziemlich primär ist (ja, hihi auch wenn das heutzutage manchmal mit den Steuervermeidungsstrategien großer internationaler Multikonzerne nicht so aussieht, tja dann holt sich der Staat sein nötiges Geld eben vom Rest von uns :-D). Deshalb sind Staatsanleihen auch (wie gesagt, allgemein gesprochen, nicht jeden Einzelfall) als "risikoärmer" angesehen, als z.B. Unternehmensanleihen, denn deren Anleihegläubiger stehen in der Zugriffsrangfolge auf die Unternehmenserträge an hinterer stelle, und da sie gemäß der Lehrbuchtheorie als Kompensation dieses höhere Risiko nur eingehen wenn es demgegenüber auch eine höhere Renditeerwartung als Kompensation gibt, schlägt sich das auch auf die praktischen Assetperformances so durch (wie gesagt, generell gesprochen, nicht in jedem Einzelfall).

Das Schlusslicht der Kette bildet dann der Eigenkapitalgeber, also der olle Aktionär. Dessen "Ansprüche" auf den Unternehmensertrag (z.B. Ausschüttung einer Dividende) werden erst bedient wenn alle anderen (z.B. Staat mit seinen Steuern, Fremdkapitalgeber (Anleihegläubiger) mit ihren Zinsforderungen, etc.) ihren Zugriff abgeschöpft haben, und ob/was dann noch übrigt bleibt ist halt viel "unsicherer" als die Ansprüche der vorderen Eingeordneten. Deshalb ist auch, aus der gleichen Kompensationstheorie die für dieses Risiko "geforderte" (und dann muss man halt hinterher immer nachschauen, ob das auch so "geliefert" wurde) Renditeerwartung viel höher, bzw. wird als Erklärungsansatz herangezogen, wenn man verstehen will warum eigentlich Aktien bisher auch langfristig eine höhere Rendite gebracht hatten (als z.B. Staats- u. Unternehmensanleihen), wie gesagt generell gesprochen, und warum man daher vernünftigerweise auch für die Zukunft davon ausgehen kann das Aktien langfristig eine höhere erwartete Rendite als Anleihen haben, solange sich eben an diesem fundamentalen Prinzip der Cashflow-Kaskade nichts ändert, und nur zur Verdeutlichung nochmal gesagt, dass das allgemein gesprochen ist, also natürlich ist damit nicht gemeint dass jede beliebige Aktie auch immer automatisch zwangsweise besser als jede beliebige Anleihe rentiert, genausowenig wie mit "langfristig" gemeint ist, dass auch immer automatisch in jedem Jahr die Aktienrenditen höher seien als die Anleihenrenditen, genausowenig wie es nicht auch mittelfristige längere Durchhängerphasen geben kann, sondern haja das ist erstmal nur sehr aus der allgemeinen Vogelperspektive so gemeint.

Ich glaube eigentlich da sollten wir uns alle einig sein, ich erwähns halt nur nochmal falls doch noch irgendein Korinthenkacker mit einzeln herausgepickten "ja, aber..."-Beispielen um die Ecke kommen will die dadurch schon das ganze grobe Prinzip überhaupt widerlegen sollen ;-)

Wir können z.B. auch die Rohstoffmärkte wegen ihrer geringen Renditen gegenüber Aktien nicht ausschließen. Weil wir ohne empirische Daten nicht wissen können, daß Rohstoffe als Geldanlage ein schlechtes Rendite/Risiko Profil haben. Sind denn nicht Rohstoffe begrenzt und müßten bei steigender Weltbevölkerung immer teurer werden? Logisch wäre das, aber epirisch war es bisher einfach nicht so.

Haja, auch bei der "Rohstoff-Logik" muss man halt aufpassen, es sich nicht zu einfach machen. Da muss man noch nicht erstmal so "Praxiseinschränkungen" geben wie z.B. dass bei der Abbildung in einfachen long&only B&H-ETFs auch noch viel am spezifischen Instrument Futures hängt (z.B. pos/neg. Rollrendite, Collateral-Zinsen, etc.), wodurch der ETF-Kurs vom eigentlichen Rohstoff-Spotkurs immer etwas abweicht, aber selbst wenn wir solche Realitätsgeschichten mal ausser acht lassen, muss man auch die "einfache Logik" mal weiterdenken.

Klar, aufs primitivste runtergebrochen klingt das ja "zwingend" - Rohstoffe sind ein begrenztes Gut, und die Nachfrage (steigend, oder angebotsverknappend, kommt aufs selbe hinaus) müsste ja fast "unvermeidlich" eine Preissteigerung erzeugen. In der Praxis ist der Markt dafür dann aber auch wieder etwas schwieriger, aufgrund seiner Selbstreflexion. Da gibt es so schöne Begriffe wie den Schweinebauchzyklus, also das Anziehen neuer Produktionskapazitäten (mal am Beispiel Öl durchexerziert, wenn Öl durch Knappheit teurer wird, wird es wiederum auch lohnenswerter, neue Quellen zu erschließen die bisher zu unwirtschaftlich waren (z.B. Tiefseebohrungen, Fracking, etc.), wodurch wieder neue Mengen auf den Markt kommen, was den Preis wieder senken kann - klar irgendwann in weiterer Ferne is damit auch mal wirklich schluss, aber das ist ein wirklich längerdauernder Prozess als wie er uns in den simplen "Peak Oil / Grenzen des Wachstums"-Beschreibungen der 70er Jahre bspw. populär wurde).

Was auch noch interessant ist, sind so eher "spieltheoretische" Gedanken wie das Prisoners Dilemma , mal auch wieder am Beispiel Öl durchexerziert. Wenn z.B. der Ölpreis sinkt, wäre es ja für die OPEC am "rationalsten", dies durch eine Begrenzung der Fördermenge angebotstechnisch wieder zu "kompensieren" (ie. den Preis dadurch wieder hochzutreiben). Das hat z.B. in der "Ölkrise" der 70er noch so geklappt. Aktuell ist es aber eher so, dass die OPEC Länder (deren Staatshaushalte ja wesentlich von Öleinnahmen abhängig sind) sich nicht darauf einigen können, sondern jeder im Gegensatz dazu nur noch mehr Öl auf den Markt schmeißt um seine eigene Position durch Mehrverkäufe halten zu können (also der kurzfristige eigene Vorteil ggü dem langfristigen gemeinsamen Nachteil), was wiederum den Preis weiter drückt.

Es kommt also bei der allgemeinen "Knappheits-Logik" auch immer noch ein bischen darauf an, in welcher Position sich Käufer und Verkäufer befinden - wenn der Käufer (z.B. weil er keine andere Wirtschaft hat) quasi "gezwungen" ist, verkaufen zu "müssen", ist das natürlich ein Vorteil für die Nachfrageseite, welche damit auch günstigere Preise raushandeln kann. Und schließlich gibt es auch noch "Substitutionseffekte", steigende Preise sorgen dafür, dass sich die Nachfrageseite auch nach möglichen Alternativen zu bestimmten Gütern umsieht, bzw. vorher zu unwirtschaftliche Alternativen auf einmal sinnvoll werden und der ursprüngliche Rohstoff dadurch ersetzt werden kann (dessen Nachfrage nun sinkt, entweder kompensiert er das mit Preissenkungen so dass die Käufer wieder zurückgeht, oder er wird irgendwann mal so vollständig zu ersetzen sein können, dass ihn niemand jemals mehr braucht).

Auch hier wieder am Öl durchgespielt, man kann sich ja denken wie z.B. ein steigender/fallender Benzinpreis mit einem steigenden/fallenden Interesse an Elektroautos etc. zusammenhängt. Und sollte es irgendwann mal möglich sein (z.B. wenn durch Knappheit das Öl so teuer geworden ist, dass die Anstrengungen Alternativen zu entwickeln intensiviert werden, bzw. diese dadurch an relativer Wirtschaftlichkeit gewinnen), Öl komplett zu substituieren, also wir z.B. Kraftstoffe und Kunststoffe (die beiden Haupterzeugnisse daraus) aus alternativen/nachhaltigen Quellen generieren können, tja dann wird da auch der sprichwörtliche Ofen ausgemacht :-D
Aber wie gesagt, das nur so als beigefügte persönliche Gedankenspiele, ist nicht dazu gedacht, dass jetzt hier auch noch eine Diskussion über Rohstoffe im speziellen damit angezettelt werden soll :-D

In letzter Kosequenz bedeutet das, dass selbst der MSCI-ACWI + Tagesgeld Investor von der Existenz und Persistenz gewissen empirischer Faktoren ausgeht. Denn sonst würde sein Portfolio wie oben beschrieben gleichgewichtet in alle Märkte aussehen.

Wie oben beschrieben gibt es auch, wenn du das Wort so verwenden willst, "sachlogische" Theorieansätze, mit denen man zu Überzeugungen bzgl. der unterschiedlichen Renditeerwartung von unterschiedlichen Anlageklassen (z.B. Aktien vs Anleihen) kommen kann.
Die "Empirie" (ie. Blick in die Vergangenheit) kann dabei dann noch helfen, zu überprüfen, ob die grobe Richtung der Theorie dann auch ungefähr so stimmt (ie.ob die theoretisch postulierten Erwartungen (bspw. Aktien rentieren langfristig höher als Anleihen) auch eingetreten sind (ja, im allgemeinen sind sie das)). Klar, wie das mit Theorien so ist, soll mans sich damit nicht zu einfach machen (weißt schon, Kausalität und Korrelation und so), aber es ist zumindest schonmal besser wenn man sieht dass eine Theorie die man hat "noch nicht widerlegt" ist, anstatt dass die theoretische Erwartung eigentlich in der Praxis noch garnicht eingetreten ist sondern, wenn überhaupt eher nur das Gegenteil (dann ist es ja meistens so, dass mit der Theorie was nicht stimmt, lol anstatt mit der Realität).

Eigentlich ist das ja auch kein so gegensätzliches Entweder-Oder, sondern man betreibt beides, je nachdem ob man induktiv oder deduktiv an die Sache herangeht. Also ich kann zB. "empirisch" feststellen, das Aktien allgemein gesprochen eine höhere langfristige Rendite brachten als Anleihen, und mir dann hinterher versuchen eine "Sachlogik" (theoretischer Erklärungsansatz) zu formulieren, die beschreibt, warum das so war (und damit eben die Erwartung ableite, dass solang sich an den Theoriegrundlagen nichts ändert, es diese höhere Rendite auch zukünftig/langfristig im allgemeinen weiter so geben können wird, was mir im Endeffekt dabei hilft meine langfristigen B&H-Allokationsentscheidungen danach auszurichten). Oder ich hab halt zuerst die Theorie und schau halt hinterher was die Empirie dazu sagt, also inwiefern sie "bestätigt/widerlegt", und nehme das als Investitionsbegründung, das sind beides die Seiten derselben Medaille, der man sich nur auf unterschiedlichen Wegen angenähert hat.

Der rein empirische Ansatz schreibt einfach die Vergangenheit in die Zukunft fort.

Naja, ich würde, so zumindest sind meine Ableitungen aus der Empirie, das lieber noch ein bischen eingeschränkter formulieren. Die Empirie kann zeigen was gewesen ist, mit eh schon gehörigen Einschränkungen, aber um daraus fortschreiben zu können was das für die Zukunft zu erwarten lässt, muss man auch immer noch eine (persönlich für überzeugend genügend gehaltene) Erklärtheorie haben, die identifizieren kann warum die Vergangenheitsentwicklung so war wie sie war, damit man eben eine Grundlage hat um vernünftig annehmen zu können, dass das auch in Zukunft so zu erwarten ist. "Unvernünftig" wäre es ja, ohne Theorie und einfach nur auf total naivem "ja...weils halt so gewesen ist.. keine Ahnung...weiß auch nicht warum... wird schon irgendwie deshalb einfach so weitergehen"-Niveau herumzuoperieren.

Ich kann z.B. (für mich persönlich, das soll jeder anders sehen wie er will) aus der empirischen Beobachtung "Aktien haben im allgemeinen langfristig besser rentiert als Anleihen" und dem dazugehörigen, für mich überzeugenden, theoretischen Erklärungsansatz dafür (der "Sachlogik" der Risiko-Rangordnung-Kaskade, wie oben beschrieben), eine persönliche Erwartung ableiten, dass die Aktien im allgemeinen auch in Zukunft (solang sich eben nichts grundlegend an dieser fundamentalen Risikoordnungs-Systematik ändert) weiter eine langfristig höhere Rendite als Anleihen abwerfen (und ich deshalb, denn am Ende muss ja auch was konkret mit diesen Überzeugungen gemacht werden, Aktien eben in meiner persönlichen Vermögensstruktur als eher zielführend ggü Anleihen übergewichte).

Die Empirie wird auch umso hilfreicher, je weniger man sie nur auf einen einfachen Durchschnittswert reduziert (z.B. nur die "langfristige Durchschnittsrendite des Aktienmarktes" allgemein, was z.B. oft so in den rumgereichten 5-8%-Größen mündet), sondern auch vollumfänglicher gerade die Abweichungen vom Durchschnitt betrachtet. Denn bei der Bildung von Erwartungswerten sollte man es nicht einfach nur bei der bloßen "Rendite" belassen, sondern sich idealerweise auch informieren, was für zwischenzeitliche Drawdowns man aushalten musste und wie lange man manchmal auch auf diese "Durchschnittsrendite" warten musste. Die Kenntnis vergangener Schwankungen kann helfen, auch zukünftig ja immer unvermeidlich wieder auftretende Schwankungen zu überstehen, also besser als wenn man sich damit nicht vorher auseinandergesetzt hat und dadurch nun "überrascht" und "enttäuscht" wird (und dadurch eher Fehlhandlungen produziert).

Naja, wie gesagt, ich will das mal nicht zu lang machen, da ich das Gefühl habe, der Großteil der Sachen sind eigentlich Dinge die wir im Prinzip eh schon ähnlich sehen und uns nicht widersprechen, sondern nur halt unterschiedlich formulieren, und der kleine Rest der Sachen wo man vllt wirklich mal unterschiedlicher Meinung ist, sind mir auch nicht sooo wichtig, dass ich darüber ein Streitgespräch (also ich dich von meiner Meinung dazu überzeugen) führen müsste.

Glaubst du z.B. wirklich, dass Aktien allgemein und Anleihen allgemein die gleiche (empirische/theoretische) Renditeerwartung haben, und investierst also sokratisch in gleichen Teilen in sie?

Wenn das tatsächlich deine Einstellung ist, dann okay - ich hab dazu halt erklärt warum ich persönlich das nicht so sehe und wo da für mich die Unterscheidungen sind, aber hey, ich habe nicht den Anspruch dich davon zu überzeugen, dass du das genauso sehen musst (genauso wie du mich ja auch nicht damit überzeugt hast), und das ist auch völlig okay so, da brauch man dann auch nicht mehr drüber reden, sondern jeder soll halt sein eigenes Depot so aufbauen wie es seinen eigenen Erwartungen entspricht.

Und wenn du das eigentlich doch nicht wirklich so siehst, also selbst auch schon unterschiedliche Renditeerwartungen an Aktien und Anleihen hast - das ganze also eher nur ein "rhetorisches" Scheinargument war, mit demfür dein eigentliches Anliegen (also "pro Faktoren" zu sein) zu werben versucht werden sollte - fänd ich diese Methode nicht so cool. Erstens mal natürlich weil ich, auch wenns sicher manchmal anders erscheint, meine Zeit nicht unbedingt gern damit verbringe, bereits bekanntes unnötig nochmal zu wiederholen, die Exkurse über Aktien/Anleihen-Grundlagen also eigentlich müßig waren (na wenigstens wird vielleicht irgendein dritter Leser daraus noch neuen Erkenntniswert gewonnen haben, damit es nicht völlig umsonst war), und zweitens mal weil es für mich keine besonders überzeugende Argumentation ist: "Also wenn du nicht an die höhere Renditeerwartung von Faktor-Aktien ggü nicht-Faktor-Aktien glaubst, kannst du doch im Endeffekt auch genausowenig nicht an eine höhere Renditeerwartung von Aktien allgemein ggü Anleihen glauben (implizite Unterstellung also, entweder müssten dann alle Anlagen gleichgegewichtet werden, oder halt man "akzeptiert" diese Argumentation und müsste auch speziell an Faktoren-Aktien glauben).
Falls ich deiner Position unrecht tue, kannst du das gern richtigstellend besser formulieren, aber wie gesagt so wirkt das halt erstmal auf mich.

Wie gesagt, für mich gibt es schon noch grundlegende Unterschiede zwischen Aktien und Anleihen. Du kannst das gerne anders sehen, ich habe nicht den Anspruch dich davon zu überzeugen, genausowenig wie du mich ja davon überzeugen wirst dass die keine Unterschiede hätten. Wenn das, wie gesagt, überhaupt deine Ansicht ist und nicht nur so als Strohmann herhalten sollte.

Und wenn darüber hinaus eben deine Meinung ist, dass du in Faktor-ETFs investierst, weil du an diese eine bestimmte Renditeerwartung hast, also von der Theorie dahinter so überzeugt bist dass du davon ausgehst dass auch die Empirie in Zukunft noch mitspielen wird, ja wie gesagt... dann mach das einfach :-)

Nur weil ich das noch nicht teile, will ich es dir auf der anderen Seite auch nicht gleich ausreden. Du musst das also nicht mir gegenüber "rechtfertigen", weil ich diesen Anspruch nie erhoben hab (deswegen sag ich ja auch, die Ausführungen dazu sind eher ein "Monolog" (ie. du willst deine Ansichten vor allem dir selbst gegenüber rechtfertigen, anstatt jetzt z.B. direkt mir gegenüber in einem "Streitgespräch", weil ich das ja nie verlangt habe und darüber auch nicht streiten müsste)). :-)

Wir sind uns glaube ich einig, daß der Erwartungswert der Performance eines Faktorfonds selbst im schlechtesten Fall fast an die eines breiten Marktfonds herankommen würde

Sind wir das?
Mir ist das immer noch ein bischen "zu schön um wahr zu sein". Man kann also eigentlich auf der Upside nur gewinnen, während man auf der Downside eigentlich nichts verlieren kann. Wie gesagt, wenn das deine Ansichten sind, lass ich sie dir, aber du wirst es mir auch lassen und brauchst mich nicht davon überzeugen zu müssen wenn ich da noch nicht mitgehen kann :-D

Aber auch der MSCI-ACWI hat ein paar Umsetzungsrisiken, z.B. weil er ja nur 85% (oder von mir aus auch 87%) des weltweiten Aktienmarkts abdeckt und damit gegen Small-Caps positioniert ist.

Nur als by-the-way, zu Smallcaps und was das "Risiko" angeht, diese 15 % nicht unbedingt auch mit abgedeckt zu haben, hatte ich hier mal ein bischen was geschrieben.

Ich sehe sachlogisch keinen wirklich schlagenden Grund, nicht in Faktorfonds zu investieren.

Natürlich gibt es Gründe, nämlich wenn man von den theoretischen Erkläransätzen, warum die Faktoren wirken (und vor allem, weiter wirken sollen) noch nicht so überzeugt ist. Wie gesagt, wichtig, damit ist nichtmal unbedingt gemeint das man sie direkt "ablehnt" (dann würde man ja, wenn man das wirklich so ernst nimmt, eher direkt in "Anti-Faktoren" investieren wollen), sondern einfach nur dass man noch sie noch nicht für so überzeugend hält dass man selber auch seine eigenen langfristigen Allokationsentscheidungen speziell danach ausrichtet sondern erstmal einfach weiter beim "neutralen" Breitmarkt bleibt. Und tja, das "man" ist dabei allgemein formuliert, das heißt da können und werden sich verschiedene Leute auch unterscheiden. Also jeder soll da ruhig gern nach seinen eigenen Überzeugungen handeln. :-)

Wenig Downside, einiges an Upside. Was hat der geneigte Anleger also groß zu verlieren?

Ach jetzt fällt mir wieder ein woran mich das die ganze Zeit eigentlich erinnert: Pascals Wette

Entweder man glaubt dran (an Gott / an Faktoren) und macht es - dann gibt es viel zu gewinnen (Himmelsreich / Outperformance) und wenig bis nichts zu verlieren (man kommt auch nicht in die Hölle / man erreicht einfach nur die Marktrendite).
Aber wenn man nicht dran glaubt und es nicht macht - dann gibt es viel zu verlieren (man kommt in die Hölle / verpasst Rendite ggü den Outperformancefaktoren) und nichts zu gewinnen (keine Aussicht auf Himmelreich / keine Outperformance gegenüber der Marktrendite).

Demnach wäre es, schon rein spieltheoretisch-erwartungsgewichtet, vernünftiger daran zu glauben (an Gott / an Faktoren), egal ob es eigentlich an sich stimmt oder nicht, denn einfach nur die Ergebnisverteilung (viel zu gewinnen / wenig zu verlieren wenn man es macht, ggü viel zu verlieren / wenig zu gewinnen wenn man es nicht macht) ist fürs "machen/glauben" immer vorteilhafter.

Das hat mich schon damals in der Sonntagsschule nicht hinterm Ofen vorgeholt :-D Wie gesagt, ich für das mal nicht weiter hier aus da es mir eh schon zu kreisdrehend wird ohne das jetzt noch ein Nebenkriegsschauplatz über Religionstheorie aufgemacht werden muss, also lass ich das mal so stehen und hake den Rest der Meinungsunterschiede (was z.B. die persönlichen Überzeugungen bzgl. Faktoren angeht) als Geschmacksfragen ab, die jeder für sich selbst entscheiden soll weshalb eine Diskussion darüber mir auch irgendwie zu müßig wird :-D

Vielleicht findet sich ja nochmal ein weiterer Kommentator hier, der dazu ne gefestigte Contra-Meinung hat und mit dem du das dann gegenseitig durchdeklinieren kannst, ich klink' mich aber jetzt soweit erstmal aus weil ich wirklich nichts sinnvolles mehr beizutragen hab :-D


Geduld+Spucke sagt am 21. Juli 2020

@ChrisS

Tut mir leid, wenn mein Post als Monolog erscheint und versuche zu erklären, wo ich hin will. Ich habe eine sehr grundlegende Argumentation pro Faktorfonds dargelegt in der Hoffnung, daß jemand hier in diesem Forum, insbesondere du, argumentative Einwände erheben würdest. Mein Ziel ist es im Sinne einer klassischen Hyptothesenbildung die These (man solle in Faktorfonds investieren) entweder zu verwerfen oder, falls das trotz Prüfung nicht gelingt, diese als gefestigt zu erachten.

Ausgangspunkt der gesamten Diskussion war für mich folgender Abschnitt:

Du scheinst, so klingts für mich wenigstens, da irgendwie noch einem gewissen Missverständnis anzuhängen. "Eventuell höhere Renditen. Falls nicht, dann wenigstens nicht mehr Kosten." So als ob auf der "Upside" es ja quasi nur höhere Renditen geben kann (World-Rendite plus X), während die "Downside" nur auf die Rendite des einfachen MSCI Worlds, abzüglich der paar Basispunkte höheren Faktor-ETF Kosten, begrenzt wäre. Das ist aber ein fataler Trugschluss.

Das "Kosten"-Argument "gegen" Faktor-ETFs war nie das entscheidende dabei. Die reinen Produktkosten von Faktor-ETFs sind tatsächlich nur irrelevant höher bzw. nicht das Problem dabei, sondern die ganze Diskussion dreht sich viel mehr schon um die Sinnhaftigkeit bzw. das Für/Wider vom Investieren in Faktoren generell.

Du sagst nun zwar, daß Du niemanden Überzeugen möchtest, aber mal ehrlich, "fataler Trugschluß" klingt für mich doch zumindest so, als hättest du für dich selbst in dieser Sache eine sagen wir gefestigte Meinung. Ich möchte herausfinden, warum und zwar aus den oben genannten Gründen. Und, es gibt einen Faktorfonds x, der in der Periode y den Markt unterperformt hat, ist nicht dieser Grund. Darüber hinaus hoffe ich, daß auch andere Teilnehmer des Forums daraus etwas mitnehmen können. Selbstverständlich kann und möchte ich dich dazu nicht zwingen und respektiere es, wenn du dazu keine Lust hast.

Im Einzelnen:

Also wenn du nicht an die höhere Renditeerwartung von Faktor-Aktien ggü nicht-Faktor-Aktien glaubst, kannst du doch im Endeffekt auch genausowenig nicht an eine höhere Renditeerwartung von Aktien allgemein ggü Anleihen glauben (implizite Unterstellung also, entweder müssten dann alle Anlagen gleichgegewichtet werden, oder halt man "akzeptiert" diese Argumentation und müsste auch speziell an Faktoren-Aktien glauben).

Im Wesentlichen wollte ich das ausdrücken. Jedoch etwas schwächer formuliert im Sinne: Wer an das eine glaubt sollte auch das andere prinzipiell für möglich halten und sollte sich selbst sorgfältig fragen, warum er das eine praktiziert, aber das andere nicht. Statt diese Entscheidung für selbstverständlich zu erachten, wie das z.B. Jörg zu tun scheint.

Insbesondere möchte ich ausdrücken, daß ACWI + Tagesgeld nicht die agnostischste denkbare Geldanlage ist und damit irgendwie eine Sonderstellung inne hat im Sinne von: Noch puristischer geht es nicht und alles andere ist schon Firlefanz. Sondern, daß auch diese Form nur ein Punkt auf einer Skala von agnostisch bis prognostisch ist.

Anstatt das wir dir erklären sollen, warum der spezielle JPM-ETF nun gut oder schlecht wäre, müsstest du doch erstmal in Vorleistung gehen und uns erklären warum du den ETF so interessant findest

Insofern ist das auch ein Perspektivwechsel, der die Beweislast verschiebt. Und wenn du selbst es auch für möglich hälst, daß Faktorfonds funktionieren können, warum dann nicht Pascals Wette eingehen? Was befürchtest du? Falls diese Frage nicht zu persönlich ist.

Das Schlusslicht der Kette bildet dann der Eigenkapitalgeber, also der olle Aktionär

Und gilt das Risiko-Argument Fremdkapital vs. Eigenkaptital nicht auch abgeschwächt für Blue-Chip vs. Small Cap? Soll heißen Air Berlin wird im Zweifel insolvent gehen während die Lufthansa einen Rettungsfallschirm vom Steuerzahler erhält? Oder die kleine Softwareschmiede, die einen Knüller nach dem anderen braucht, während ein Branchenriese wie Microsoft dank seiner Marktdurchdringung auch mal einen Rohrkrepierer überlebt?

Wir sind uns glaube ich einig, daß der Erwartungswert der Performance eines Faktorfonds selbst im schlechtesten Fall fast an die eines breiten Marktfonds herankommen würde

Sind wir das?

Das war zumindest mein Eindruck. Ich hatte dargelegt, daß gemäß Sharpe vor Kosten die Renditen der überperformenden aktiven Fonds in etwa die der unterperformenden Fonds zu null ergänzen müßten. Darauf hast du entgegnet, daß empirisch auch vor Kosten die Summe unter null liegt. Darauf habe ich eingewandt, daß man dann eine schlüssige Erklärung für die fehlende Rendite finden müsse. Darauf hast du geantwortet, daß die Kosten ja schon den Löwenanteil der Unterperformance der gesamten aktiven Branche ausmachen würde. Daraus habe ich nun geschlossen, daß wir uns im Wesentlichen einig sind, abgesehen von ein paar Klickerbeträgen.

Pascals Wette

Richtig, dasselbe Prinzip. Aber wo ist konkret der Fehler? Der Satz "zu schön um wahr zu sein" reicht mir nicht. Warum nicht wetten, wenn man (im Mittel) nur gewinnen kann?


Joerg sagt am 21. Juli 2020

@G&S

Wir sind uns glaube ich einig, daß der Erwartungswert der Performance eines Faktorfonds selbst im schlechtesten Fall fast an die eines breiten Marktfonds herankommen würde

Nee, nee. Vielleicht wenn man es so formuliert:

Das Aggregat ALLER Faktor-Aufspaltungen im Aktienmarkt könnte im besten Fall fast an die eines breiten Marktfonds herankommen" (weil höhere Kosten per se, Fonds-Schliessungs-Risiko mit Steuer-Unglück während der Ansparphase -> kein langfristiges B&H möglich, Risiko einer falschen Schwerpunktsetzung/Fehlallokation).

Für einzelne Faktor-Fonds stimmt der Satz von G&S überhaupt nicht. Wir können nicht wissen, wie die Zukunft für einzelne Faktoren aussieht und die kann bleibend düster sein.

Bsp: in einer Situation erheblicher Benachteiligung der Dividenden-Ausschüttung auf Unternehmerseite (Verbot/Begrenzung, Hochbesteuerung) könnte weiterhin der ganze Misch-Faktor "Dividenden-Rendite" schlechter performen?!

Political Risk als Risikoprämie vieler Emerging Markets kann dauerhaft unterperformen (Blockbildung West/Ost) oder in staatl. Enteignung verbliebener freier Unternehmen münden.
Für Momentum ist allerdings kaum vorstellbar, wie der "behindert" werden könnte (vielleicht durch Verteuerung/Besteuerung von Aktien-Handel/Umschichtungen)?

@ChrisS

Danke für die Steilvorlage
Pascals Spieltheorie-Vergleich ist ein lustiges Gimmick, um die Gott-Kritiker herauszufordern ;-)?

Der Glaube an Gott kommt jedoch aus der liebevollen Beziehung zu unserem Schöpfer und nicht aus der Angst vor der Hölle (=Niveau "Kinderglaube"). Dabei spielt Überzeugtsein von der Wahrheit aus dieser Beziehungserfahrung mit Jesus Christus eine Haupt-Rolle, nicht etwaige Vor- oder Nachteile als Gläubiger ("was hab' ich davon?"). In der Geschichte der Christenheit gibt's nämlich meistens Nachteile, keine Vorteile für gläubige Christen (Religionsfreiheit - wie in D zZ - ist eine geschichtl. Ausnahmesituation).

Sonst dürften unter Verfolgung (totalitaere Regime wie Nord Korea oder streng muslimische Länder, siehe opendoors.de) keine wahren Christen mehr existieren? Hier ein lehrreicher, unterhaltsamer Schwenk dazu (gratis) durch die Geschichte der Christenheit im Schweinsgalopp von Johannes Hartl: https://shop.gebetshaus.org/einzelteile-vortraege/5206/teil-1-die-ganze-kirchengeschichte-in-60-minuten

In der Übertragung auf Anlagevehikel scheint mir: "Glaube an Gott in Betracht ziehen" entspricht vielleicht "sich überhaupt mit Altersvorsorge zu beschäftigen"?

Nicht-Glaube oder Desinteresse oder Falsche-Hoffnung (der Staat füllt meine Rentenlücke iwie auf) entspricht vielleicht nix-tun oder ignorieren oder hoffen"?

Natürlich überlebt man auch ohne priv. Altersvorsorge. Genauso ist ein Leben ohne Glaube an Gott möglich. Aber wozu, wenn es doch stimmt ... (ewig ein bockiges Kind bleiben?) ;-)

LG
Joerg


Joerg sagt am 21. Juli 2020

@G&S

Vielleicht ein paar Ergänzungen, weshalb ich denke, dass Faktorprämien nicht nachhaltig (also für die Altersvorsorge) von uns als Privatanlegern ausbeutbar sind:

Deine Abhandlungen sind ja etwas abstrakt, wie wäre es mit einer einfachen Geschichte?

Es war einmal ein Apfel-Käufer, der wollte die gekauften Äpfel später mal möglichst mit Gewinn wieder verkaufen.
Nun sind da die einen, die sagen: "Kaufe einfach alle Apfelsorten, denn wir wissen nicht, welche Äpfel in 20 Jahren die beliebtesten sind (beste Preiserwartung)".
Die anderen sagen "Ist doch klar, PinkLady (https://de.wikipedia.org/wiki/Cripps_Pink) ist gerade en vogue, das wird sich nie ändern und wenn doch, dann warten wir einfach etwas ab und dann werden sie es ein bisschen später wieder".

Wir wissen aber, dass über die Zeit die Moden und Vorlieben sich ändern. Es geht nicht darum jetzt die EINE Sorte auszuwählen, damit man später nicht mit einer Loser-Sorte da steht.
Jedem ist klar, dass es eine schlechte Idee in dieser Geschichte wäre, nur auf eine oder wenige der Apfelsorten zu setzen?!
Am allerbesten wäre es, in einen Apfel-Beliebtheits-Index zu investieren, denn der verändert sich über die Zeit und passt sich den Moden und Entwicklungen am Apfelmarkt an. Damit hätte man die grösste Sicherheit nicht in 20 Jahren auf den Apfelsorten, die heute hip sind, sitzen zu bleiben?!

Ausser, du bist Hellseher und glaubst, dass sich weder der Markt noch die Äpfel ändern noch neue Sorten hinzukommen, dann kaufe nur PinkLady.

So, alle die von Geschichten genervt sind: Die Annahme von G&S, die ich nicht teile, ist, das Faktorprämien so etwas wie geheime Naturgesetze wären. Diese Sicht ist falsch. Faktorprämien kommen und gehen, weil es an der Börse ein Markt von und für Menschen ist (zyklisch, reflexiv, bunt, emotional).

Die wissenschaftliche Auswertung der Vergangenheit bringt Faktorprämien als statistisch signifikant hervor. Und? Was nützt das für die Zukunft? Die Empirie zeigt, dass kurz nach Auflegung entsprechender, allgemein zugänglicher Anlagevehikel eine Faktorprämie weitgehend verschwunden ist. Also haben beide recht: Der Faktorprämien-Investor für die Vergangenheit und der Weltportfolio-Halter für die Zukunft!? - wir werden sehen ... meld' dich mal in 5 Jahren oder so.

Wem das nicht reicht, Frage: "Angenommen, deine Faktor-Auswahl unterperformt, wann änderst du deine Strategie? Nach 5, 10, 15 Jahren? Nie?" Das Problem ist nämlich: die Uhr tickt, die Zeit geht dir aus, Fehler in der Gegenwart beeinflussen deine Zukunft / dein Entsparvermögen.

Faktor-ETFs sind m.E. ein Produkt welches das "Ich-bin-schlauer-als-der-Markt"-Bedürfnis befriedigt; insofern ein ganz normales Phänomen einer gesunden Marktwirtschaft ;-)

LG
Joerg


ChrisS sagt am 21. Juli 2020

@ Joerg

Ha, hätte mir schon fast denken können, dass du darauf einsteigst ;-) Aber hey, auch wenn ich sagte dass ich damit eigentlich nicht noch in Religionsdiskussionen abschweifen wollte, na gut warum nicht, ist vielleicht unterhaltsamer als die ewigen zähen ausgelutschten Investmentdiskussionen :-D

Pascals Spieltheorie-Vergleich ist ein lustiges Gimmick, um die Gott-Kritiker herauszufordern

Eigentlich nicht, denn damit Pascals Wette überhaupt "funktioniert", muss man dabei erstmal einen ganzen Rattenschwanz an ungesagten weiteren Annahmen vorher schon mit akzeptieren, ohne die das ganze als reine Sophisterei zusammenbricht. Das geht schon los mit der Unterstellung, es gäbe nur den einen Gott (was natürlich auch immer zufällig gerade nur der des Wettbehaupters ist, tjaja... vielleicht wäre ansonsten ja auch das "vernünftigste" eher, über möglichst viele Götter zu "diversifizieren", wenn da nicht leider die Religionen meist auch so einen sich gegenseitig ausschließenden Alleinvertretungsanspruch hätten :-D), desweiteren, dass er sich überhaupt dafür interessiert ob man an ihn glaubt oder nicht (so eine "Bedürftigkeit" kam mir bei einem Wesen, das uns noch als "allmächtig" dargestellt wird, eigentlich immer etwas komisch vor, am ende ist es doch eher eine höchst "menschliche" Eigenschaft, solche Konformität zu fordern, z.B. damit sich die Religionsvorsteher ihre eigene Macht forterhalten können), dann dass er auch danach selektiert (also "belohnt/bestraft", ob es überhaupt auch einen Himmel/Hölle gibt), etc.

Ich könnte ansonsten noch weiter den Paragraph "Kritik" des Wikipedia-Links dazu wiederholen, aber da steht im wesentlichen schon alles drin, und wie gesagt das sind Gegenargumente die uns schon als kleine Knirpse im Religionsunterricht aufgefallen sind, also wenn selbst die das durchschauen können, darauf hatte dann auch unser Lehrer, ein gestandener Pfarrer, auch keine wirkliche "Antwort" mehr als nur ein entschuldigendes Schulterzucken "Ja äh ihr habt natürlich schon recht, aber man soll das ganze ja auch nicht so ernst nehmen, sondern das sollte auch nur ein Beispiel für historische Versuche einer rationalen Apologetik sein, aber natürlich benutzen wir in der Kirche eigentlich eher ganz andere Zugänge zum Glauben..." und damit war die Sache dann eigentlich gegessen. :-D

Sonst dürften unter Verfolgung keine wahren Christen mehr existieren? In der Geschichte der Christenheit gibt's nämlich meistens Nachteile, keine Vorteile für gläubige Christen.

Sicher, allerdings ist das auch kein "Privileg", was allein die Christen für sich beanspruchen könnten, sondern etwas was mehr oder weniger eigentlich jeder Minderheitengruppe gegenüber einer Mehrheitsgesellschaft passieren kann, je nachdem wie halt die Machtverhältnisse verteilt sind und wie sehr diese Mehrheit darauf besteht, ihren Konformismus durchzudrücken. Das Judentum beispielsweise hat seine eigene lange/längere "Nachteiligkeits"-Geschichte (nicht zuletzt auch in vielen christlichen Gesellschaften historisch, tjaja, so kanns halt gehen, wenn man nur endlich selbst mal am längeren Hebel sitzt...), und es gibt sie immer noch, dass schafften sie also ohne sich Pascals Wette im allgemeinen oder der christlichen "Beziehung zu Jesus" im speziellen dafür bedienen zu müssen. Oder selbst wenn wir mal das Feld der Religion (und damit den "Geltungsbereich" dieser "Wette") verlassen, lassen sich endlose Beispiele für "Nachteile" von Minderheitengruppen in Mehrheitsgesellschaften finden, sei es zB. der Status von Homosexuellen in weiten Teilen der Geschichte.

Hier ein lehrreicher, unterhaltsamer Schwenk dazu (gratis) durch die Geschichte der Christenheit im Schweinsgalopp von Johannes Hartl

Danke, keine Sorge ich bin selbst schon recht "firm" (hihi) was Kirchengeschichte angeht, was sich schon als Ausläufer meines allgemeinen Interesses an römischer Antike ff. so ergab. Ich packs mir aber gern in die Podcast-Playlist, falls mal wieder die nächste lange Zugfahrt ansteht :-D Kulturell komme ich dazu zwar lokal bedingt aus einem eher evangelischen Hintergrund, aber das wirst du mir vllt verzeihen ;-)

In der Übertragung auf Anlagevehikel scheint mir: Glaube an Gott in Betracht ziehen entspricht vielleicht sich überhaupt mit Altersvorsorge zu beschäftigen? Nicht-Glaube oder Desinteresse oder Falsche-Hoffnung (der Staat füllt meine Rentenlücke iwie auf) entspricht vielleicht nix-tun oder ignorieren oder hoffen?

Naja, das schöne, und wohl auch gleichzeitig schwierige, an diesen ganzen Übertragungsbeispielen ist wohl auch, dass man sie sich jeweils so zurechtlegen kann, damit gerade das "bewiesen" werden soll für was man eigentlich argumentieren will. Man könnte genausogut sagen, dass der "Staat" in diesem Beispiel der "Gott" ist, an den man dabei (Rentenversprechen) "glaubt", und private Altersvorsorge der "nicht-Glaube" daran. Wie oben bereits gesagt, die Pascal-Wette hat schon selbst genügend Probleme, ohne dass man sie noch auf weitere "artfremde" Analogien überträgt, wo sie dann vollends verheddert und (noch unbrauchbar(er) wird als sie eh schon ist. Als rein rhetorisches Stilmittel kann man das ja vielleicht zur Textauflockerung noch durchgehen lassen, aber als wirklich ernsthaftes Argument benutzt es hoffentlich niemand :-D

Genauso ist ein Leben ohne Glaube an Gott möglich. Aber wozu, wenn es doch stimmt ... (ewig ein bockiges Kind bleiben?) ;-)

Och, vielleicht glaube ich ja an "Gott" - aber vielleicht ist es ein anderer? Tja, und wie lösen wir nun? Ab diesem Schritt hilft dann die einfache Pascal-"Logik" auch nicht mehr weiter, dann müsste man sich darüber hinaus noch vieler weiterer exogener "Beweise" bedienen, mit denen man nun (sich selbst / sein gegenüber) davon überzeugt, dass eben nicht einfach nur "Gott" existieren mag, sondern es auch genau der Gott X, von der Religion Y, und in deren Auslegungsströmung Z ist (worin meist eben auch gefordert wird, dass man ja nicht einfach nur "an ihn glauben" soll, sondern worin auch noch ganz konkrete vielfältige weitere Handlungsanweisungen wie Lebensvorschrift A, B, C... umzusetzen verlangt werden, damit man später auch wirklich die versprochene "Belohnung" mal erhält). Oder was heißt überzeugen, in den meisten Zeiten der Geschichte / Ländern der Welt wurde das ja nicht über geistreiche Gespräche gelöst, sondern da fand die "Überzeugung" einfach mehr oder weniger mittels Gewalt (entweder direkt oder systemisch durch soziale Bevorzugung/Benachteiligung) statt (spiegelte also auch nicht das "bessere Argument" dar, sondern ganz "profan" gesprochen einfach die Mehrheitsmachtverhältnisse einer Gesellschaft). Wir können in der Tat froh drüber sein, das wir in der "glücklichen" Ausnahmesituation hier in einem Land und in einer Zeit leben, in der es eine relativ geringe Rolle spielt, wer an welchen Gott, oder wer überhaupt nicht, glaubt, und wünschen wir uns dass das so bleibt :-)

@ G&S

Kein Problem :-)
Wenn du meine Argumente nicht "überzeugend" findest (würde mich nicht wundern, da wie gesagt garnicht mein Interesse darin besteht, dich von irgendetwas zu "überzeugen"), würde ich dir nicht dabei im Weg stehen wollen, wenn du eben, weil du es nicht als genug widerlegt ansiehst, deshalb in Faktorprodukte investieren willst. Warum sollte ich auch? Ich hab ja so oder so nichts davon, egal in was du nun investierst, von daher tangiert es mich auch eh nicht so sehr, dass ich darüber eine großartige Diskussion führen wollen müsste.

Oder sagen wir mal andersrum - "diskutieren" tu ich lieber mit so den typischen Anfängern und Einsteigern, bei denen es noch darum geht, den ersten Schritt hinaus über Sparbuch überhaupt mal in den Aktienmarkt allgemein zu machen. Da sind dann nämlich noch die wirklich relevanten langfristigen Renditedeltas zu heben, also z.B. der Unterschied zwischen 0 % Sparbuchrendite und 6 % MSCI World Rendite. Demgegenüber interessieren mich "Fortgeschrittene", wenn sie dann vielleicht darüber hinaus noch daran glauben, dass sie mit einem MSCI World Multifaktor o.ä. noch ein weiteres 1 % an Outperformance ggü dem Breitmarkt rausholen können, eigentlich viel weniger.

Da halt' ichs dann einfach eher nur noch mit finanzwesir'scher Gelassenheit und Toleranz, denn die Hauptsache "arm sterben" werden beide schon nicht, weder der Breitmarktanleger mit seinen 6 %, noch der Faktoranleger wenn sich statt der erhofften 7 % vielleicht auch mal "nur" 5 % oder so für ihn spezifisch einstellen werden, dass ist mir dann auch noch kein genügender "Schaden" der mich dazu bringen würde das irgendjemandem zwingend ausreden zu wollen - gerade wenn derjenige ja selbst schon genügend Überzeugung in der Erwartung auf die 7 % hat, dass er auch die langfristige Durchaltefähigkeit schon selbst mitbringt (das ist ja auch, wie gesagt, eher meine Haupt"warnung" die ich wenn überhaupt mitgeben will, nicht so sehr ob Faktoren nun an sich funktionieren oder nicht, sondern vor allem der psychologische Aspekt dabei, also dass die Leute die es tun dann wenigstens mit genügender langfristiger Ausdauer durchziehen müssen damit sich die erhofften Vorteile, wenn es sie gibt, auch wirklich einstellen können. Wer das kann, brauch sich bei alldem nicht angesprochen fühlen und soll das gerne versuchen).

Du sagst nun zwar, daß Du niemanden Überzeugen möchtest, aber mal ehrlich, fataler Trugschluß klingt für mich doch zumindest so, als hättest du für dich selbst in dieser Sache eine sagen wir gefestigte Meinung.

Och mit dem "Trugschluss" meinte ich eher allgemein gesprochen, also nichtmal nur auf Faktoren speziell bezogen, sondern dass (für mir persönlich) man nicht zu sehr die gesunde Grundskepsis ggü allen möglichen Vorstellungen von "man kann eigentlich nur gewinnen, man hat dabei eigentlich garnichts zu verlieren" -Szenarien ausser acht lassen sollte. In der Welt ist meistens alles, was "zu schön um wahr zu sein" erscheint, am Ende auch irgendwie oft genug nicht so richtig wahr, oder nur mit sehr gehörigen Einschränkungen die man zum potentiellen Erfolg auch noch zwingend mit beachten muss, und diese Haltung hat mich im Leben schon eher vor mehr "Schaden bewahrt" als dass ich dadurch an vermeintlichen "Gewinn verpasst" hätte.

Wenn du von mir erwartet hast, dass ich dabei nun gleich "das durchschlagende Argument liefern könnte, welches Faktorinvesting ein für alle mal widerlegt" oder so und damit deine eigenen Investitionsüberzeugungen umwerfe, tuts mir leid dass ich damit nicht nicht dienen kann, weil das nicht meine Absicht wäre.

Wer an das eine glaubt sollte auch das andere prinzipiell für möglich halten und sollte sich selbst sorgfältig fragen, warum er das eine praktiziert, aber das andere nicht.

Ich habe hoffentlich verständlich genug erklärt, warum ich "das eine" (wenn wir hier immer noch von so Allgemeinheiten wie "höhere langfristige Renditeerwartung von Aktien allg. ggü. Anleihen allg." reden) für überzeugend genug halte (fundamentale Risiko-Kaskade, etc.), während ich "das andere" (also wenn es jetzt schon "ins speziellere" geht wie z.B. "höhere Renditeerwartung von bestimmten Aktiengruppen ggü anderen Aktiengruppen") noch nicht auf die gleiche Überzeugungsebene gehoben habe, als dass ich es (bei mir!) als ebenso gefestigte Investitionsgrundlage für eine langfristige B&H-Allokation einsetzen könnte.

Es mag durchaus mögliche Erklärungsansätze geben (z.B. höhere Rendite von Smallcaps ggü Large weil auch hier vermeintlich höheres Risiko vorliegt), aber die haben für mich noch nicht den gleichen fundamentalen Stellenwert (am Ende geht es bei allen unterschiedlichen Aktien ja immer noch um die Anlageklasse innerhalb der Aktien allgemein) wie der Assetklassenunterschied von Aktien zu Anleihen allgemein, also dass dann das was du "abgeschwächte Form" nennst für mich schon "insignifikant" ist (gemeint, nicht signifikant genug dass ich langfristige B&H-Allokationsentscheidungen, wie z.B. deutliche Übergewichtung von Smallcaps, mir selbst gegenüber damit rechtfertigen könnte, wie ich es eben mit der allgemeinen Signifikanz von Aktien generell vs Anleihen generell noch kann).

Ansonsten, was zB. Smallcaps speziell noch angeht, kannst du ja schauen ob du in diesem Paper von AQR bestimmte Gedankenanstöße findest.

Das war zumindest mein Eindruck. Ich hatte dargelegt, daß gemäß Sharpe vor Kosten die Renditen der überperformenden aktiven Fonds in etwa die der unterperformenden Fonds zu null ergänzen müßten. Darauf hast du entgegnet, daß empirisch auch vor Kosten die Summe unter null liegt. Darauf habe ich eingewandt, daß man dann eine schlüssige Erklärung für die fehlende Rendite finden müsse. Darauf hast du geantwortet, daß die Kosten ja schon den Löwenanteil der Unterperformance der gesamten aktiven Branche ausmachen würde. Daraus habe ich nun geschlossen, daß wir uns im Wesentlichen einig sind, abgesehen von ein paar Klickerbeträgen.

Da war ich wohl ein bischen zu missverständlich, auf welchen Absatz sich genau dass bezieht. Ich hatte ja einmal auch von einem fiktiven Beispielmarkt geredet, in dem nur aktive Fonds die Teilnehmer wären - dann in diesem Fall ist es so dass die aggregierte Performance der gesamten Fondsbranche als solches auf Marktebene die Marktrendite im geldgewichteten Mittel ergibt, oder andersrum gesagt, die Performancedifferenz aller Fonds zusammen vs dem Markt läge in ihrem zusätzlichen Kostenabzug.

Die darüber hinaus noch "fehlende Rendite" im "echten" Fondsbereich in der Realität kann natürlich noch daher kommen, dass es demgegenüber eben noch andere darin nicht beachtete Outperformer gibt (im echten Leben sind ja die aktiven Fonds allein nicht die einzigen Marktteilnehmer), und jeder der vermeint die ausgemacht zu haben (z.B. dass das eben die Faktor-ETFs sein könnten, wenn man halt davon überzeugt ist, dass die weiter langfristig outperformen), soll gerne bei denen investieren. ;-)

Der Satz zu schön um wahr zu sein reicht mir nicht. Warum nicht wetten, wenn man (im Mittel) nur gewinnen kann?

Och, das ist das ja schöne, der Satz muss auch nur mir "reichen" für meine Investitionsentscheidungen. Wenn wir uns da unterscheiden, und deine Überzeugungen anders gestrickt sind, kann jeder weiter jeweils seins machen, ohne dass der andere dadurch irgendwie gestört oder geschädigt wird. :-)

Wer diese "Pascalsche Wette" sich selbst gegenüber für überzeugend hält, kann sie gern eingehen, aber im Gegensatz zur Religion leider viel zu oft sollte es dann vielleicht auch wenigstens mit weniger Bekehrungslust auch auf andere übertragen werden. Ansonsten hört ja auch da das "Umsetzungsproblem" noch lange nicht auf - wie es eben bei Pascal nicht einfach so geklärt ist mit "okay na dann 'glaube' ich halt mal an 'Gott' (und sei's nur aus spieltheoretischer Vorteilssicht), und nu weiter? Was für konkrete Handlungsanweisungen (welcher Gott, welche Religion eigentlich konkret genau, das unterscheidet sich ja doch wieder stark?) leite ich daraus nun ab?". Also "okay ich 'glaube' nun an 'Faktoren' (und sei's nur aus Spieltheorie), und weiter? Wie investiere ich nun ganz konkret?" usw.

Denn wie's auch bei den Göttern so ist, können sich auch die Faktoren ein bischen gegenseitig auscanceln. Wie will ich die gewichten? Welche hebe ich hervor, welche eher weniger? Und von welchem konkreten Indexkonzept der verschiedenen Anbieter verspreche ich mir die beste Abbildung des Faktors, und warum? Oder auch, wenn ich die Zusammensetzung der Faktoren delegieren will, von welchem Multifaktor-Konzept bin ich am meisten überzeugt? Und selbst wenn ich dann mal den 'besten' Index meine gefunden zu haben, wie sieht es überhaupt mit dem konkreten ETF dazu aus?

Hat der auch schon genügend Volumen und Verfügbarkeit, oder muss ich wegen realpraktischer Einschränkungen (und wie wäge ich da ab, ideales Theorieprodukt vs Praxisumsetzungsschwierigkeiten) welche Kompromisse eingehen und lieber doch einen eigentlich 'suboptimaleren' Faktor-ETF mit 'schlechterem Index' kaufen, der dafür aber wenigstens konkret größer und verfügbarer ist?...usw.".

Dass sind dann eher die Detailfragen, die rein über die bloße Allgemeintheorie "glaube ich überhaupt an Faktoren generell oder nicht" schon weit hinausgehen, aber in der Praxis oft die entscheidenderen sind, oder sagen wir mal wichtiger sein könnten als es sich viele Laien-Faktor-Anleger dabei vielleicht oft machen (also das von mir überspitzt dargestellte "sich einfach nur ungesehen das erstbeste/"günstigste" Produkt kaufen wo nur irgendwie "Faktor" draufsteht, wird ja schon eh alles irgendwie gleich sein, also von daher ist ja eine nähere Beschäftigung mit dem konkreten Produkt jeweils irgendwie egal, juhu versprochene Faktorrendite ich komme!") womit man sie dann oft erst mal konfrontieren muss (deswegen, wie gesagt, um wieder den Zirkel zum Eingang zu kriegen, die eigentlich wichtigste Frage für mich an die Anlegerin Eva war ja nicht "warum Faktoren überhaupt?", nein da gehe ich schonmal davon aus, dass die Überzeugungen dahingehend bestehen und nicht noch erst grundlegend wieder durchdiskutiert werden müssen, sondern eher "warum gerade der spezielle ETF XYZ, was erhoffst du dir von dem genau, was der besser als andere Mitbewerber ABC machen soll? usw." um zu schauen wie intensiv die bereits geleistete eigene Auseinandersetzung damit schon war, also ob sie nur auf der allgemeinen Ebene (warum sind Faktoren gut?) gemacht wurde sondern auch speziell schon auf der spezifischen Produkt- und Umsetzungsebene (warum ist gerade dieser ETF für den Faktor der beste?) geleistet wurde, damit man dann auch gerade diesen ETF schön lange durchhalten kann (denn selbst wenn Faktoren "funktionieren", brauchen sie dazu auch immer noch erst genügend Zeit) und nicht z.B. ungefestigt irgendwann unvermeidlich mal wieder zu vorschnell auf das nächste dahergelaufene besser erscheinende Trend-Produkt (z.B. weils einfach "nur günstiger" ist, wenn es sonst keine weiteren tieferen Auswahlkriterien gibt) umschwenkt und dadurch langfristig eigentlich doch nichts vom eigentlich erhofften Faktorpremium abbekommt. Wie gesagt, wer diese Fragen - für sich, nicht mal so sehr direkt mir gegenüber natürlich - beantworten kann, der brauch sich dabei nicht angesprochen zu fühlen. :-)

Wie gesagt, ich trete nicht mit dem Anspruch auf dass du dir meine Zurückhaltung bei Faktoren auch zueigen machen müsste, ich "lehne" sie ja auch noch nichtmal so sehr ab, dass ich jedem anderen ausraten würde der darin anlegen will (diesen Eifer heb ich mir lieber für die wenigen paar wirklich "schlechten" Investitionsideen auf, da sind "Faktor-ETFs" mit ihrer relativen Harmlosigkeit demgegenüber noch viel weiter unten in der "Warn"-Prioritätenrangliste), weshalb ich andersrum auch von niemandem verlangen würde, mich überzeugen zu müssen oder seine Faktorinvestitionen mir gegenüber zu rechtfertigen. Das kann man ja trotzdem machen wollen, aber das wär dann eben wie gesagt eher vor allem ein "Selbstgespräch" weil ich keinen "Gegner" in der Debatte darstelle ;-)


ETFischer sagt am 21. Juli 2020

@Geduld+Spucke

Aber wenn man nicht dran glaubt und es nicht macht - dann gibt es viel zu verlieren (man kommt in die Hölle / verpasst Rendite ggü den Outperformancefaktoren) und nichts zu gewinnen (keine Aussicht auf Himmelreich / keine Outperformance gegenüber der Marktrendite).

Ich hoffe, ich verlängere die Diskussion hier nicht unnötig, aber vielleicht mal als Feedback von jemand anderem als ChrisS: Ich habe nach wie vor (trotz mehrmaligem Durchlesens) nicht verstanden, warum du als "schlechtestmöglichen Fall" "keine Outperformance gegenüber der Marktrendite" ansiehst.

Ich schätze es eher so ein, dass ein Faktor-Investing durchaus sehr erheblich unterhalb der Marktrendite liegen kann. Ansonsten ergibt sich für mich sachlogisch nicht, warum man mit Faktoren den Markt schlagen können sollte. Im besten Fall lässt man ja die "schlechter performenden Unternehmen" aufgrund des Faktor-Fokus weg. Natürlich könnte man einfach alle Faktoren kaufen, dann erhielte man aber nur wieder die Marktrendite zu (meistens) höheren Kosten.

Zudem wäre noch die Aussagekraft von Backtests für reale ETF-Konstruktionen zu bedenken. Siehe dazu "The Smart Beta Mirage" (verlinkt von ChrisS).

Von einem anderen Blickwinkel aus gesehen: Wie Gerd Kommer ja auch vor einigen Wochen im Podcast sagte, ist Faktor-Investing (bzw. die Auswahl der vielversprechenden Faktoren) letztlich aktives Investieren. Ich persönlich sehe da eben genau das Problem: Ist es in den heutigen Aktienmärkten möglich, systematisch und dauerhaft die zukünftigen "Gewinner" zu identifizieren und zu handeln?


CarstenP sagt am 22. Juli 2020

@Geduld+Spucke

Der Fehler liegt darin, dass Faktormodelle ein nützliches Werkzeug sind um Aktienportfolios zu analysieren, aber daraus folgt nicht, dass man mit Faktoren eine risikolose Überrendite einfahren kann. Z.B. reichen schon 3 Faktoren um ca. 95% der Rendite eines diversifizierten Aktienportfolios zu erklären. Mit einem Faktor (Beta, CAPM) kommt man nur auf ca. 70%. Das sagt aber nichts darüber, dass z.B. Value-Aktien eine höhere Renditeerwartung als Nicht-Value-Aktien haben müssen, sondern nur, dass Value-Aktien sich anders verhalten als Nicht-Value-Aktien.

Sicherlich kann man für bestimmte Faktoren eine höhere Renditeerwartung rationalisieren. Doch falls man sich irrt mit seiner Faktorwette, dann ist der schlimmste Fall nicht nur die gleiche Renditeerwartung wie vom breiten Aktienmarkt und ein bissel höhere Kosten für den Faktorfonds, sondern man geht ein diversifizierbares Risiko ein.


Joerg sagt am 23. Juli 2020

@ChrisS, Na gut...

Unterstellung, es gäbe nur den einen Gott (was natürlich auch immer zufällig gerade nur der des Wettbehaupters ist,

Liegt vielleicht am damaligen Umfeld? Ausser Judentum und Christentum war nicht viel mehr allgem. Usus? (Gott der Juden und Christen ist gleich).

dass er sich überhaupt dafür interessiert ob man an ihn glaubt oder nicht (so eine "Bedürftigkeit" kam mir bei einem Wesen, das uns noch als "allmächtig" dargestellt wird, eigentlich immer etwas komisch vor,

Naja, stell dir Deine Kinder (gezeugt, nicht geschaffen) vor, du freust dich ja auch, wenn sie deine Liebe nicht verschmähen ("Schleich dich, Alter")? https://www.bibleserver.com/ELB/1.Mose1%2C27

dann dass er auch danach selektiert (also "belohnt/bestraft", ob es überhaupt auch einen Himmel/Hölle gibt

Tja, ohne echte Freiheit (Regeln zu halten oder nicht), gibt's keine echte Entscheidung, gibt's keine echte Liebe (nur Marionettentum).
Auch hier das Bild mit den eigenen Kindern, ganz ohne Konsequenzen geht es nicht, oder?

Naja, passt jetzt hier alles nicht so gut zu der AReRo-Ueberschrift.

Beim Häuptling Schwarzwasser, hatten wir die ein- oder andere Diskussion dazu, falls du dazu stossen willst:
Hauptfäden bei/unter:
https://blackwater.live/2019/11/13/die-10-besten-tipps-der-lebensplanung/
https://blackwater.live/2020/05/04/charity-mehr-als-geld/
https://blackwater.live/2020/05/14/im-anfang-bereshit-%d7%91%d6%b0%d6%bc%d7%a8%d6%b5%d7%90%d7%a9%d6%b4%d7%81%d7%99%d7%aa-%d9%81%d9%8a-%d8%a7%d9%84%d8%a8%d8%af%d8%a7%d9%8a%d8%a9/

LG
Joerg


Geduld+Spucke sagt am 24. Juli 2020

@ChrisS

Ich verstehe dich so, daß du auf die genannten Punkte nicht eingehen möchtest und respektiere das.

@ETFischer

schlechtestmöglichen Fall" "keine Outperformance gegenüber der Marktrendite

Das sind nicht meine Worte. Meine Aussage war, daß man sich nicht systematisch schlechter stellt, als mit einem marktbreiten Fonds. Mit systematisch meine ich im Erwartungswert oder im Mittel betrachtet. Dabei sollte man immer bedenken, daß wir die zukünftige Marktrendite ja auch nicht kennen. Insbesondere haben wir kein Abo auf die inflationsbereinigten historischen 6.5% p.a. des weltweiten oder US-Aktienmarkts.

Rechenbeispiel: Nehmen wir mal an, Faktoren wären eine Fatamorgana. Im Folgenden ignorieren wir alle Kosten. Nehmen wir an, die Marktrendite beträgt die nächsten zehn Jahre 8% p.a. Dann kann ein beliebiger Fonds, nennen wir ihn Fonds X (Faktorfonds oder was auch immer), 2% p.a. drüberliegen, dann wäre die Fondsrendite 10% p.a. Sie könnte aber auch 2% p.a. darunter liegen, dann wäre die Rendite bei 6% p.a. Der Markt könnte die nächsten 10 Jahre aber auch mit 5% p.a. performen und der Fonds 2% drüber liegen, dann wäre die Rendite 7% p.a. Oder sie könnte 2% drunter liegen, dann wäre die Rendite bei 3% p.a. Da wir die Marktrendite nicht kennen ist es eigentlich nicht so wichtig, ob der Fonds drüber oder drunter liegt. Die Erkenntnis, daß Buxtehude (Indexfonds) nahe bei Hamburg (Index) liegt hilft mir nur dann weiter, wenn ich weiß, wo Hamburg liegt. Wenn ich nicht weiß wo Hamburg liegt, weiß ich noch immer nicht, wo Buxtehude liegt.

Wichtig ist nur eine Sache: Daß die Wahrscheinlichkeit darüber zu liegen genauso groß ist, wie die darunter zu liegen. Daß es also keinen systematischen (!) Nachteil gibt. Und das scheint mir der Fall zu sein.

Denn wer nun glaubt, daß Fonds X einen systematischen Nachteil gegenüber dem Markt hat, dem rate ich Fonds X in Fonds Y zu spiegeln, der alle Aktien des MSCI-World-IMI enthält außer alle Aktien in Fonds X. Das Renditemittel dieser beiden Fonds (bei gleicher Marktkapitalisierung) ist dann in jedem Einzelfall (nicht nur im Mittel) gleich der Marktrendite. Immer wenn Fonds X über der Marktrendite liegt, liegt Fonds Y darunter und umgekehrt. D.h. wenn a priori erkennbar wäre, daß der Fonds X den Markt wahrscheinlich eher unterperformen als überperformen würde, dann würde Fonds Y den Markt eher überperformen als unterperformen. Es werden also nicht alle nicht-marktbreiten Fonds den Markt systematisch (!) unterperformen.

Die Faktoren kommen entsprechend ja auch als Pärchen daher. Small Cap überperformt Large Cap, Value überperformt Growth etc. Zudem gibt es zu jedem Paar eine Plausibilisierung, z.B. größeres Risiko, etc. Wenn also in der Vergangenheit Faktoren hinreichend lange den Markt überperformt haben, sehe ich nicht, wie sich das jetzt systematisch (!) genau umdrehen sollte. Vielleicht wenn jetzt die ganze Welt nur noch Faktorfonds kauft und damit aus den Faktoren Antifaktoren macht. Aber so beliebt sind Faktorfonds doch nun wirklich nicht. Zumal man dann für den marktbreiten Indexfonds ein ähnliches (und oft gehörtes) Argument in Erwägung ziehn müßte, nämlicht daß der Markt deshalb nicht mehr effizient sei, weil die ganze Welt nur noch Indexfonds kauft und die Preisbildung deshalb nicht mehr funktioniert. Doch dafür ist der Marktanteil der ETF zu klein (sagt jedenfalls Herr Kommer) und der Marktanteil der Faktorfonds ist ja noch mal deutlich kleiner am Gesamtmarkt.

Und deshalb ist das schlimmste, was passieren kann, daß im Mittel die Faktoren verschwinden und ich im Mittel (!) wieder die Marktrendite erhalte. Im Einzelfall kann die Rendite natürlich darunter liegen. Klar. Aber mit der gleichen Wahrscheinlichkeit auch darüber. Und darauf kommt es an.

@Jörg

Das Problem mit deiner Argumentation ist, daß du den Markt als gegeben betrachtest. Da hast du nun dein diversifiziertes Apfelportfolio. Und nächstes Jahr sind Pfirsiche plötzlich das neue Powerfood. Was ist, wenn der Immobilienmarkt weiter steil nach oben geht und Aktien die nächsten Jahre seitwärts laufen? Oder wenn sich Gold verdreifacht?

Auswertung der Vergangenheit bringt Faktorprämien als statistisch signifikant hervor. Und? Was nützt das für die Zukunft?

Dasselbe gilt für den MSCI-ACWI-IMI. Woher "wissen" wir, daß wir da investieren sollen? Vielleicht gehört die Zukunft ja den Kaurischnecken?

Ich sage, aus der Vergangnheit. In den letzten 200 Jahren haben (US-)Aktien im Mittel inflationsbereinigt 6.5% p.a. Rendite gebracht. Gold hat eine Nullrendite hingelegt und Immobilien liefen die letzten 100 Jahre auch eher schwach. Deshalb Aktien. In der Vergangenheit haben Faktoren noch mehr Rendite gebracht, als der Marktdurchschnitt. Warum dann nicht den Turbo einschalten?

Wenn mich jemand nachts wecken würde und micht fragte, was die beste Geldanlage sei, dann würde ich vermutlich noch im Halbschlaf antworten: Eine Zeile im Depot reicht, ACWI + Tagesgeld, das läuft. Ich glaube, viele in diesem Forum wissen, was ich meine. So vernünftig ich das auch finde, (Einsteiger bitte mal kurz weghören) halte ich es für nicht ganz ungefährlich, solche Grundpfeiler nicht auch gelegentlich mal zu hinterfragen. Das scheint mir auch der Sinn dieser Podcast Folge zu sein. (ab hier können Einsteiger wieder zuhören) Nee wirklich, macht das mit dem ACWI + Tagesgeld. Das ist super.

@CarstenP

Faktormodelle ein nützliches Werkzeug sind um Aktienportfolios zu analysieren, aber daraus folgt nicht, dass man mit Faktoren eine risikolose Überrendite einfahren kann

Von risikolos bin ich auch nicht ausgegangen. Im Gegenteil, mehr Risiko würde ich sogar erwarten, weil es eine gute Erklärung für ihre Existenz und eine gute Begründung für ihren Fortbestand sind.

Ich verstehe nicht, wo du den Unterschied zwischen Analysewerkzeug und Erzeugung von Überrendite siehst? Willst du auf den Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität hinaus?


CarstenP sagt am 26. Juli 2020

@Geduld+Spucke

Faktormodelle sagen nichts über Faktorprämien aus. Im Wesentlichen sind sie Resultat einer Hauptkomponentenanalyse. Die Modelle werden so gewählt, dass sie die Vergangenheit möglichst gut beschreiben (Datamining). Daraus folgt nicht, dass sie auch in der Zukunft genauso gut funktionieren müssen. Der Markt ändert sich, neue Faktoren könnten wichtiger werden oder alte Faktoren könnten ihre Gestalt ändern. Die Erklärversuche weshalb z.B. der Value-Faktor mit einer zusätzlichen Risikoprämie belohnt werden sollte, finde ich persönlich nicht sonderlich überzeugend. Nicht-Value-Aktien scheinen mir mindestens genauso riskant zu sein wie Value-Aktien, also könnte man denen widersprüchlicherweise auch eine Risikoprämie andichten. Außerdem kann man auch ein Faktormodell völlig ohne Value-Faktor konstruieren.

Letztendlich ist Faktorinvesting nur eine Trading-Strategie, aktives Investieren, eine Wette auf das vermeintliche zukünftige Gewinner-Teilgebiet des Marktes. Das kann gut gehen, muss aber nicht. Vielleicht setzt du auf den falschen Faktor oder der Faktorfonds deiner Wahl stellt sich zu dumm an oder nach Kosten bleibt von irgendwelchen Faktorprämien nichts übrig, dann bist du nur mehr Risiko eingegangen ohne höhere Renditeerwartung. Doch wenn dir das höhere Risiko von Faktoren bewusst ist und du gar keine risikolose Überrendite anstrebst bzw. du gar nicht den Markt schlagen möchtest, sondern nur die Risiko-/Renditeerwartung erhöhen möchtest, dann kannst du dir doch die ganzen gestelzten Faktorprämien-Erklärversuche sparen und einfach deine Aktienquote erhöhen. Dabei erhöhst du auf jeden Fall die Renditeerwartung aus rein ökonomischen Gründen (Eigenkapital vs. Fremdkapital) ohne die zusätzliche Unsicherheit der Faktormodelle und deren Implementierung oder dass sie sich in der Zukunft als Luftnummer herausstellen.
Ist ja auch egal, wer bestimmte Einzelaktien, Sektoren, Regionen oder Faktoren überzeugend findet, soll natürlich viel Spaß damit haben!


Geduld+Spucke sagt am 28. Juli 2020

@CarstenP

Verstehe, du siehst in den Faktoren eine reine Backtesting Fata Morgana.

einfach deine Aktienquote erhöhen

Ja, kann man auch machen, wenn man noch nicht am Anschlag ist.

Dabei erhöhst du auf jeden Fall die Renditeerwartung aus rein ökonomischen Gründen (Eigenkapital vs. Fremdkapital)

Die Unterscheidung Eigenkapital / Fremdkapital finde ich nun wenig überzeugend. Das scheint mir eine eher technische bzw. juristische Unterscheidung zu sein. Zumal wir ja üblicherweise über Staatsanleihen reden, wo diese Unterscheidung wenig Sinn ergibt.

Ist ja auch egal, wer bestimmte Einzelaktien, Sektoren, Regionen oder Faktoren überzeugend findet, soll natürlich viel Spaß damit haben!

Nein, egal finde ich das nicht. Klar kann jeder mit seinem Geld machen, was er will. ACWI, Faktoren, aktive Fonds, Stock Picking, Managed Futures oder Kristallkugel + Pendel. Das ist nicht der Punkt. Die Frage ist, was davon ist vernünftig begründbar und von welchen Annahmen muß man ausgehen, damit das Vorgehen vernünftig und logisch konsequent ist.

Beispiel: Wer glaubt, er könne zwar die zükünftigen Gewinneraktien nicht selbst ausswählen, glaubt aber, er könne den aktiven Topfondsmanager unter den vielen schlechten finden, der sollte sich selbst fragen, was genau der Unterschied in diesen Auswahlprozessen ist. Gelingt das nicht, sollte man sich fragen, wie vernünftig diese Strategie ist. Ein Stück subjektive Einschätzung wird am Ende natürlich immer bleiben. Aber man reduziert möglicherweise die Zahl der erwägenswerten Handlungoptionen.

Kommen wir noch einmal auf diese Podcastfolge zurück. Das Faktorinvestment wird von Gerd Kommer befürwortet, der sich in den letzten fünfzehn bis zwanzig Jahren zweifelsohne zumindest im deutschsprachigen Raum einen Ruf erworben hat beim Vorantreiben von Indexinvestments. Etwas allgemeiner vielleicht noch formmuliert betont er in seinen Vorträgen und Büchern das in seinen eigenen Worten "rationale investieren" oder "prognosefreie" investieren sehr. Generell habe ich auch den Eindruck, daß Herr Kommer sich oft um eine gewisse Sorgfalt in der Darstellung, z.B. in Begriffsdefinitionen, bemüht. Leider gilt das nicht durchgängig, aber im Vergleich zu vielen anderen kann man da noch ganz zufrieden sein.

Insofern hat Gerd Kommer sicher auch einen Ruf zu verlieren und eine gewisse Fallhöhe. Dennoch stellt er das Faktorinvestment, insbesondere das Multifaktorinvestment, als wichtige Option in seinen Büchern dar. Damit nicht genug, der Kommer Roboadvisor soll, soweit bis jetzt bekannt, dem Kunden zwar eine Auswahl in der Aktienquote geben, der Aktienteil soll jedoch Faktoren übergewichten. Und das ist schon eine klare (und aktuelle) Positionierung, die nicht nur irgendwo mal in einem (bzw. inzwischen ja in mehreren) Buch steht. Und sie hat gewisse Risiken für die eigene Reputation, wenn das schief geht. Das ist also keine rein akademische Orchideenfrage nach dem Muster, wieviele Engel passen auf eine Nadelspitze? Alleine dieser Hintergrund wäre schon ein guter Grund, sich mit dem Konzept Faktorinvestments auseinanderzusetzten und eine eigne, für sich selbst begründete, Positionierung zu finden.

Nun könnte man natürlich unken, bis wir festgestellt haben, daß Faktorinvestments nix taugen sind zehn Jahre rum und Herr Kommer schlürft dann mit unserem Geld Cocktails in der Karibik. Aber ich möchte hier weder böse Absichten noch komplette Unkenntnis erkennen.


CarstenP sagt am 29. Juli 2020

@Geduld+Spucke

Verstehe, du siehst in den Faktoren eine reine Backtesting Fata Morgana.

Nein, das habe ich so nicht gesagt. Ich halte die Faktormodelle schon für schlüssig, das ist reine Mathematik. Ich halte nur die Schlußfolgerung, dass man deswegen Faktorinvesting betreiben sollte für einen Trugschluss. Es wird dabei suggeriert, dass Faktorinvesting irgendwie besser ist als der langweilige Breitmarkt, das halte ich für Quatsch. Und ja, man sollte die Möglichkeit, dass sich die Faktoren als Backtesting Fata Morgana herausstellen, nicht kategorisch ausschließen, das ist einfach ein zusätzliches Risiko.

Außerdem unterstelle ich dem Kommer keine bösen Absichten. Er vertritt nur den aktuellen Stand der Finanzmarktforschung. Das Problem ist nur, dass die Finanzwissenschaft eben keine Naturwissenschaft ist, das vergessen Finanzwissenschaftler leider immer mal wieder.

Die Unterscheidung Eigenkapital / Fremdkapital finde ich nun wenig überzeugend.

Eigenkapital (Aktien) ist Risiko-/Renditereicher als Fremdkapital (Anleihen), wer das nicht glaubt, sollte nicht in Aktien investieren. Die Renditeerwartung ist normalerweise höher bei Aktien als bei Anleihen, das hat nichts mit Faktoren oder Backtests zu tun. Das heißt aber nicht, dass die realisierte Rendite höher sein wird, darin liegt das Risiko. Eine Aktie wird auch nicht urplötzlich zu einer Anleihe, aber eine Value-Aktie kann sehr wohl zu einer Nicht-Value-Aktie werden, d.h. Faktorinvesting erfordert Trading und die zusätzliche Überzeugung, dass dieses Trading einen Mehrwert bringt. Außerdem kann man sein Risikolevel auch über 100% Aktien hinaus erhöhen, wenn man denn meint das aushalten zu können, dafür braucht man auch keine Faktoren.

Insofern halte ich Faktorinvesting für ein Gimmick, akademisch interessant als Analysewerkzeug, aber praktisch für Privatanleger überflüssig.


Joerg sagt am 29. Juli 2020

@Geduld&S

Drehst du dich jetzt nicht im Kreis?

Du könntest eine Argument-Tabelle für/gegen/neutral an Hand all der Artikel und Kommentare für dich aufstellen und uns dann schreiben, weshalb du was machst?

Nur mit der schieren Person zu argumentieren (der Papst hat aber gesagt ...) überzeugt nicht! Also sind wir am Ende mit Argumenten?

ENTWEDER rationale Gründe ODER, wenn nix anderes bleibt, Glauben ... oder Hoffen ... dann aber lieber auf Jesus als auf GerdK ;-)

LG und viel Erfolg
Joerg


Timo sagt am 29. Juli 2020

einfach deine Aktienquote erhöhen

Ja, kann man auch machen, wenn man noch nicht am Anschlag ist.

naja, wenn du schon am Anschag bist und noch mehr möchtest, dann heißt das Zauberwort wohl Wertpapierkredit. Wenn man ansonsten finanziell solide aufgestellt ist, dann sollte die Renditeerwartung von 110% Aktienquote besser sein, als auf den zukünftigen Erfolg von Faktor-ETF zu hoffen.

Das Faktorinvestment wird von Gerd Kommer befürwortet, der sich in den letzten fünfzehn bis zwanzig Jahren zweifelsohne zumindest im deutschsprachigen Raum einen Ruf erworben hat beim Vorantreiben von Indexinvestments.

dazu muss man aber auch sagen, dass Herr Kommer in der vorletzten Ausgabe auch noch Rohstoffe als Diversifikator empfohlen hat, wovon er jetzt ja auch wieder Abstand nimmt. Und jeder von Finanztip bis zu gefühlt 80% der Finanzblogger sprechen sich für ETF aus. Da braucht es halt ein Alleinstellungsmerkmal. Und das ist bei Herrn Kommer nunmal das Faktorinvesting. Dieses begründet er (so wie passives Investieren allgemein) über sehr langfristiges Backtesting. Für statistisch solide Aussagen bräuchte man ca 625 Jahre Historie, dann kann man mit einiger Gewissheit sagen, ob es die Faktoren wirklich gab, oder ob es einfach nur zufällige Cluster waren. Und selbst dann ist noch nicht gesagt, dass diese auch in Zukunft bestehen bleiben oder eben (weil alle sich drauf stürzen) dadurch ihren Vorteil verlieren.


Max Alpha sagt am 30. Juli 2020

Passt thematisch nicht zu 100% hier her, ist aber trotzdem interessant, da es um unsere Anlegerqualitäten im Allgemeinen geht:
https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/kiel-focus/2019/kapitalexport-ist-ein-milliardengrab-0/

Bein Ifo findet man zu diesem Themenbereich einen sehr interessanten Vortrag (Video).

Gruß
Max Alpha


Timo sagt am 31. Juli 2020

Hallo Max Alpha,

ich glaube ich habe ein Verständnisproblem mit dem Artikel des IFW. Um welche Zielgruppe geht es hier? Privatanleger, Institutionelle Anleger oder Zukäufe deutscher Firmen?
Vielfach ist die Rede in Investoren und Aktien-/Anleiherenditen, dann werfen die aber auch die Bayer Übernahme von Monsanto in den Raum.

Auch die Schlussfolgerung mehr in Deutschland zu investieren, ist nicht wirklich nachvollziehbar. In den letzten zehn Jahren hat ein ETF auf den DAX nur halb soviel Rendite (pro Jahr) gemacht wie einer auf den S&P 500. Selbst dem MSCI World lief der DAX in diesem Zeitraum pro Jahr um 3% hinterher.


Max Alpha sagt am 01. August 2020

@Timo

Ich glaube, dass man als Anleger mit breit aufgestelltem ETF Depot nicht angesprochen ist. Es geht (hoffentlich) um die überwältigende Mehrheit bestehend aus Firmen die exportieren und allen, die finanziell damit in Zusammenhang stehen (Zulieferer, Mitarbeiter, betriebliche Altersvorsorge, private Lebensversicherungen u.ä. Von Mitarbeitern). Also alle, die etwas vom Exportkuchen abbekommen und diese Summen anlegen. Und die eben nicht in der Lage sind, langfristig von den Erfolgen im Export zu profitieren. Beispielsweise, weil die Firmen selbst das im Ausland verdiente Geld versenken (Beispiel Monsanto) oder weil Mitarbeiter /Versicherer usw. irgendeinen Schwachsinn mit dem Geld machen, z.B. die eingangs erwähnten nach Düsseldorf verkauften Papiere.

Ich glaube nicht, dass mit „legt in Deutschland an“ gemeint ist, dass wir alle DAX ETF kaufen sollen. Es wird eher darum gehen, dass wir auf kluge Weise - wie auch immer das funktionieren mag - in die Dinge im Inland investieren, die uns langfristig weiter bringen.
Mich erinnert der Artikel an „Deutschland wirtschaftet wie ein Eichhörnchen“ von Daniel Stelter.
Einfach zu verstehen finde ich das auch nicht, da fehlen mir die volkswirtschaftlichen Kenntnisse.

Gibts hier einen Volkswirt, der uns das näher erläutern kann?

Gruß
Max Alpha


Peter sagt am 01. August 2020

@Timo

Hier schlägt bei Dir wohl der Recently Bias zu, was in letzter Zeit am besten gelaufen ist (S&P500) und jetzt vom KGV teuer ist wird gekauft, was in letzter Zeit schlechter gelaufen ist und billig ist, das wird nicht angefasst. Aber das ist ein großer Fehler. Die Renditen aus der Vergangenheit sagen nichts über die in der Zukunft aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das DAX in den nächsten 10 Jahren besser entwickelt als der S&P500 ist mind. genau so groß wie das Gegenteil. Eher tritt das Gegenteil zu (Regression zur Mitte).


Geduld+Spucke sagt am 02. August 2020

@CarstenP

Nein, das habe ich so nicht gesagt. Ich halte die Faktormodelle schon für schlüssig, das ist reine Mathematik.

Tut mir leid, dann habe immer noch nicht verstanden, was du meinst. Ich versuche es mal mit einer genaueren Begriffsdefintion.

Fassen wir die Rendite der Faktoren als Zufallsvariable auf und betrachten deren Erwartungswerte. Der Einfachheit wegen betrachten wir jetzt mal Value. Jetzt unterscheiden wir drei Fälle.

  • a) E(Value) > E(Growth) Vergangenheit + E(Value) > E(Growth) in Zukunft
  • b) E(Value) > E(Growth) Vergangenheit + E(Value) = E(Growth) in Zukunft
  • c) E(Value) = E(Growth) Vergangneheit + E(Value) = E(Growth) in Zukunft

Die Erwartungswerte selbst kennen wir nicht. Auch die der Vergangneheit nicht. Wir können nur versuchen, sie mit statistischen Methoden aus einer möglichst langen Meßreihe zu schätzen. Immer in der Hoffnung, daß sie sich nicht im Beobachtungszeitraum verändert hat. Aber auch mit sehr langen Meßreihen lassen sich die drei Fälle nicht mit 100% Sicherheit unterscheiden.

Ich hatte den Eindruck, dass Du Fall c) befürchtest. Wenn aber die Modelle in der Vergangenheit gepasst und einigermaßen signifikant E(Value) > E(Growth) gezeigt haben, was ist dann für dich der Unterschied zwischen mathematischem Modell und Realität? In der Regel stecken hinter den Erwartungswerten ja eine Kausalität. Und wenn es diese Kausalität gibt, bleiben dann nicht nur noch die Fälle a) und b) über? Und warum dann nicht die Pascalsche Wette eingehen?

Eigenkapital (Aktien) ist Risiko-/Renditereicher als Fremdkapital (Anleihen), wer das nicht glaubt, sollte nicht in Aktien investieren.

Zunächst sind Eigenkapital und Fremdkapital juristische Begriffe. Und die kann man sehr eindeutig unterscheiden, stimmt. Und Aktien sind sicherlich nicht genauso eindeutig in eine der Faktorgruppen einsortierbar, weil die Begriffe auch von der genauen Definition abhängen. Andererseits würde wohl wenige abstreiten, dass Amazon Growth ist, Apple Momentum, Vossloh Small Cap, Nestle Low Volatility und Lufthansa High Volatility. Und dass Aktien im Laufe der Zeit das Lager wechseln können, scheint mir auch nicht so relevant. Dafür wird ja in gewissen Abständen gerebalanced.

Entscheidend ist doch aber, ob man den Erwartungswert der Rendite der Investmentobjekte unterscheiden kann und nicht die Dinge selbst.

Die Renditeerwartung ist normalerweise höher bei Aktien als bei Anleihen, das hat nichts mit Faktoren oder Backtests zu tun.

Womit denn sonst? Wenn es keine historischen Daten zu Anleihen und Aktien gäbe, wüsste ich nicht, was ich erwarten sollte. Nur aus der Logik zu folgern, dass wenn ich beim Eigenkapital keine Gewinngarantie habe, meine Gewinnerwartung umso höher sein muss, als wenn ich eine solche Garantie habe, überzeugt mich nicht.

Mit derselben Logik könnte man Schlussfolgern, dass die Gewinnerwartung bei Gold noch höher sein müsste, als bei Aktien. Gerade weil es ja keine Gewinne geschweige denn Dividenden bzw. irgendwie bewertbares Geschäftsmodell gibt, ist das Risiko hier besonders hoch. Ergo: Gold hat eine höhere Renditeerwartung als Aktien. Empirisch ist jedoch das Gegenteil der Fall.

Ich finde den logarithmischen Plot der Aktienrenditen über 200 Jahre das überzeugendste Argument für Aktien überhaupt. Diese exponentielle Kurve durch alle Kriege und Wirtschaftskrisen hindurch ist eines der erstaunlichsten empirschen Ergebnisse. Ich bin immer wieder auf's neue verblüfft.

@Timo

Renditeerwartung von 110% Aktienquote besser sein, als auf den zukünftigen Erfolg von Faktor-ETF zu hoffen.

Ich denke Faktor 1.1 Kredithebel reichen hier nicht. Alleine schon weil Aktien auf Pump nur die Renditedifferenz zwischen Kredit (Anleihen) und Aktienmarkt liefert. Historisch war der Renditeunterschied zwischen Anleihen und Aktien nicht so groß. Ich denke 150%+x Aktienquote trifft's schon eher. Und dann hätte man das Margin Risiko in Aktienmarktkrisen. Könnte also gerade im Kurstief alles verlieren (siehe z.B. Fairr).

@Joerg

Ich sage nicht, Gerd Kommer findet Faktorfonds gut, also sollst du sie auch gut finden. Ich sage, das Thema ist kein rein akademischer Zeitvertreib von ein paar Wissenschaftlern, die sonst nichts besseres zu tun haben. Sondern es gibt Menschen mit erheblicher Reputation, die diese Konzepte in die Praxis umsetzen wollen. Und zwar heute, im Jahr 2020. Und diese Menschen gehen damit ein Risiko für ihre Reputation ein. Mir geht es um die Relevanz des Themas.


Timo sagt am 03. August 2020

Hallo Peter,

zum recency bias folgendes. Ich hatte keine Lust, mir die Indexdaten von MSCI rauszusuchen, daher hatte ich auf die vorhandenen ETF geguckt. Und die gab es nicht länger. Überhaupt schlägt bei mir gar nichts zu, ich wollte einfach mal sehen, wie die beiden Leitindizes sich entwickelt haben. Aber hier mal die langfristigere Aufstellung:

IMI Index Gross (Seit 06/1994)

  • Deutschland: +175%
  • USA: +648%
  • Welt: +279%
    Deutschland war immer abgeschlagen, kam nur während der Finanzkrise dicht an die USA heran, wurde dann aber umso heftiger abgehängt.

Standard Index Gross (Seit 01/1970)

  • Deutschland +8.644%
  • USA: +13.995%
  • Welt: +9.786%
    Schwieriger zu erkennen aufgrund der großen Achse, bis Anfang 2000 wohl eher ein leichter Vorsprung Deutschland ggü. USA, dann aber ein deutlich stärkerer Einbruch in der .com-bubble, heftige Erholung bis 2007, EInsturz auf USA Niveau in der Finanzkrise, bessere Erholung und dann ab 2014 den Kampf gegen die Techgiganten in den USA verloren.

Also ja, Deutschland war führend, aber hat einfach den Schuss nicht gehört und es komplett versäumt sich für eine digitale Zukunft aufzustellen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das DAX in den nächsten 10 Jahren besser entwickelt als der S&P500 ist mind. genau so groß wie das Gegenteil. Eher tritt das Gegenteil zu (Regression zur Mitte).

Das glaube ich nicht. Wie oben geschrieben, welche Zukunftstechnologien werden denn noch in Deutschland entwickelt? Was IOT/Digitalisierung angeht ist Europa jetzt von den USA (oder vlt China) abhängig, weil hier versäumt wurde eigene Projekte zu entwickeln. Um von den rückständigen Verbrennungsmotoren weg zu kommen muss erst eine US Firma ihren Europa Standort nach Dt. legen, damit sich die Schwerfälligen satten (und seid Jahren im Niedergang befindlichen) deutschen Großkonzerne bewegen.
Die Regression zur Mitte ist keine Naturkonstante, die irgendwie auf magische Weise die deutsche Wirtschaft wieder an ihren "angestammten Platz" vor der US Wirtschaft befördert.


Max Alpha sagt am 04. August 2020

@Timo

Kummer statt Kommer.
Hier noch ein paar nette Grafiken zum Thema Anlageerfolg des Exportweltmeisters

Gruß
Max Alpha


CarstenP sagt am 04. August 2020

@Geduld+Spucke

Tut mir Leid, wenn ich mich nicht verständlich genug ausgedrückt habe. Vielleicht hat es irgendwer anderes verstanden, mir fehlt jedenfalls die Lust mich zu wiederholen.
ChrisS hat weiter oben schön dargelegt, warum Pascals Wette Quatsch ist. Ich habe nur versucht darzulegen, dass man beim Faktorinvesting nicht nur gewinnen kann und Faktormodelle keine Naturgesetze sind. Du kannst daraus machen was du willst, niemand kann oder will dich davon abhalten in Faktorfonds zu investieren, viel Erfolg!


Geduld+Spucke sagt am 06. August 2020

| @CarstenP

mir fehlt jedenfalls die Lust
Kein Problem. Das Sommerwetter bietet genug alternative Vergnügungen.

ChrisS hat weiter oben schön dargelegt, warum Pascals Wette Quatsch ist.
ChrisS hat sich hier aus der Diskussion zurückgezogen:

Der Satz zu schön um wahr zu sein reicht mir nicht.
Och, das ist das ja schöne, der Satz muss auch nur mir "reichen" für meine Investitionsentscheidungen.

Du kannst daraus machen was du willst, niemand kann oder will dich davon abhalten in Faktorfonds zu investieren, viel Erfolg!
Danke für die Wiederholung.


Joerg sagt am 26. August 2020

@Geduld&Spucke

GerdK relativiert Faktorprämien?!

https://de.extraetf.com/news/interview/gerd-kommer-darum-bietet-faktor-investing-eine-hohere-erwartete-rendite-fur-etf-anleger

Der Nachteil von Faktor-Investing besteht ganz banal darin, dass es selbstverständlich auch über längere Zeiträume schlechter rentieren kann als marktneutrales Investieren".

"Längere Zeiträume" können halt auch ziiiemlich lang sein ... (wie alt bist du jetzt?) ;-)

LG
Joerg


ChrisS sagt am 27. August 2020

@ Joerg

GerdK relativiert Faktorprämien?!

Ist jetzt auch nichts allzu neues, was man ihm ehrlicherweise als ne geänderte Position oder so "vorwerfen" könnte, denn dass Faktoren auch immer wieder mal nicht zu unterschätzende Durchhängerphasen haben können (der Theorie nach mache ja genau das auch das "Risiko" aus, wofür man später ja mit einer Überrendite wieder belohnt werden würde), und sie daher eigentlich nur von der Sorte Anlegern eingesetzt werden sollten die davon wirklich überzeugt sind um diese Phasen auch lang genug durchzuhalten, erwähnte er eigentlich schon immer irgendwo mit wenns um das Thema ging.

Beispiel: https://www.gerd-kommer-invest.de/pains-of-factor-investing/


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