19. April 2016


Insider-Info: Was hält ein Venture-Capital-Geber von Crowdinvesting-Plattformen?

Crowdinvesting-Plattformen wie Seedmatch, Startnext oder Innovestment wollen das Venture Capital des kleinen Mannes sein. Ich bin da skeptisch. Gründungsfinanzierung ist People Business. Natürlich geht es auch ums Geld, aber nicht umsonst kursiert unter VCs der Spruch:

"Lieber in eine mittelmäßige Idee und ein brillantes Team investieren, als einem mittelmäßigen Team mit einer genialen Idee Geld zu geben."

Crowd-Funding-Plattformen dagegen reduzieren das VC-Business auf reines Geldanlegen. Meiner Meinung nach kann das auf Dauer nicht gut gehen.

Doch wer könnte das besser beurteilen als mein Ex-Kollege und Bekannter Ed Freyfogle. Ed und ich haben uns um die Jahrtausendwende bei Yahoo! Deutschland in München kennengelernt.

Ed lebt zurzeit in Barcelona und hat im April 2006 in London die Lokku Ltd. mitgegründet. Lokku hat unter anderem die Immobilien-Suchmaschine Nestoria entwickelt. Nach einem erfolgreichen Verkauf gehört Lokku nun zur Mitula Group.
Jetzt hat Ed die Zeit, als Angel Investor in neuen Start-ups zu investieren. Mit anderen Worten: Ed kennt beide Seiten des Geschäfts. Deshalb freue ich mich, dass er sich bereit erklärt hat, mir neun Fragen zum Thema Crowdinvesting zu beantworten.

Mehr von Ed gibt es auf seinem Blog. Auf Twitter ist er als @freyfogle zu finden.

Was will ein Gründer von seinen Investoren? Nur Geld oder auch Beziehungen (zu potenziellen Kunden und zur Presse) und strategische Erfahrung? Welche Rangfolge haben diese Faktoren?

Die Frage lässt sich nicht so pauschal beantworten, jede Firma bzw. jeder Firmengründer ist da unterschiedlich.

Manche wollen ‒ beziehungsweise brauchen ‒ ganz einfach Geld, um ihre Idee umzusetzen. Andere suchen allgemeine Beratung, andere wiederum spezifisches Fachwissen. Manche haben ganz einfach Bedarf, jemanden bei der Seite zu haben, wenn es mal schwer wird, denn Firmengründer zu sein kann sehr einsam sein.
Als Gründer ist jedes Problem, egal, ob die große strategische Entscheidung oder eine nervige Kleinigkeit, letztendlich dein Problem.
Entweder findest du eine Lösung oder das Problem bleibt bestehen und wird nicht überwunden.
Schlaue (oder erfahrene) Gründer holen sich erfahrene Helfer ‒ seien es Mitarbeiter, Berater oder aber auch Investoren ‒, um die lange Reise zu überstehen.
Im Durchschnitt dauert es in der Tech-Branche mehr als sieben Jahre bis zum sogenannten "Exit". Dass die Firma sechs Monate nach der Gründung von Google und Co aufgekauft wird, bleibt die absolute Ausnahme, vor allem in Europa.
Es gibt diesen schönen Spruch "Wer schnell gehen will, geht alleine, wer weit gehen will, geht zusammen.“

Gerade jungen Gründern würde ich raten, erfahrene Investoren zu finden. Nicht nur wegen des Wissens, das sie mitbringen, sondern auch, um der neuen Firma Glaubwürdigkeit zu verleihen. Wichtig sind dabei aber zwei Sachen:

  1. Es sollte beiden Seiten, Gründern und Investoren, klar sein, wie sie zusammenarbeiten werden. Wenn ich nur ein Prozent an einem Start-up halte, kann ich dann nicht 40 Stunden pro Woche zur Verfügung stehen, und das sollte der Gründer auch nicht erwarten. Umgekehrt kann ich auch nicht erwarten, dass der Gründer mich bei jeder Entscheidung mit einbezieht.
  2. Letztendlich bleibt die Verantwortung für die Firma beim Gründer. Ich sage jedem Gründer, in dessen Firma ich investiere: "Ich bin der Passagier, du bist der Fahrer." Ich helfe gerne, wo ich kann. Der Gründer muss aber am Ende die Entscheidung treffen. Dazu kommt natürlich auch, dass Investoren auch mit ganz gegensätzlichen Ratschlägen kommen können.

Um auf deine Frage zurückzukommen, würde ich sagen: Gründer sind gut beraten, mehrere Investoren mit verschiedenen Fähigkeiten und Erfahrungen zu finden und mit ins Team zu holen.
Ich persönlich hätte auch kein Interesse an Start-ups, bei denen ich rein finanziell dabei bin. Da kann ich genau so gut ‒ und mit deutlich weniger Risiko ‒ DAX-Aktien kaufen.
Es gibt auch viele Investoren, die kapitalkräftiger sind als ich. Wo es nur ums Geld geht, verliere ich. Der Gründer muss nicht nur mein Geld, sondern auch mich und mein Wissen wollen.

Ist es für einen Gründer nicht entsetzlich nervig, sich mit 80 bis 300 Geldgebern herumzuschlagen? Oder ist es im Gegenteil besonders einfach, da die Anleger nicht vom Fach sind und einem einfach alles glauben müssen?

Ja, so viele ist absolut nicht machbar. Schon 10 wären mir zu viel. Der Gründer soll doch die Firma vorantreiben, nicht nur Investoren verwalten.

Bei den meisten Crowdfunding-Plattformen wird es dadurch gelöst, dass alle Investoren zusammen gruppiert werden und wenige Rechte haben.
Persönlicher Kontakt beziehungsweise die Chance, Einfluss auf das Handeln der Firma auszuüben, ist da die Ausnahme. Somit geht es meiner Meinung nach bei solchen Plattformen um zwei Sachen:

  1. Geld für die Firma zu guten Konditionen zu bekommen.
  2. Marketing für die Firma und das Produkt zu betreiben.

Was das Thema Marketing angeht, kann das für Konsumgüter durchaus Sinn machen, das ist auch die Idee hinter Kickstarter. Ich bin ein großer Freund dieser Plattform.
Ich sehe ein tolles Produkt (oder auch nur die Idee eines Produkts) und bin bereit es dann zum Teil vorzufinanzieren.
Nur, muss ich dann auch deswegen Anteile der Firma kaufen? Ich glaube nicht. Zum anderen Thema ‒ Geld für die Firma zu guten Konditionen zu bekommen ‒, da frag ich mich immer, warum die Firma es nicht geschafft hat, Geld auf dem traditionellen Weg, womit ich von Angel-Investoren meine, zu bekommen.
Wenn die erfahrenen Investoren aus der Branche schon nein gesagt haben, ist es dann sinnvoll, wenn ich als Laie da einsteige? Für mich ist die Antwort eher nein.

Angel sein ist nicht billig und Start-ups sind für ihre hohe Mortalitätsquote bekannt. Bei Seedmatch ist man zwar bereits mit 250 Euro dabei, aber dann hat man noch nicht diversifiziert. Mit welchen Summen sollte man deiner Meinung nach einsteigen? Reichen 2.500 Euro (10 Start-ups zu je 250 Euro) oder ist das eher lächerlich, weil der ganze Papierkram in keinem Verhältnis zum möglichen Ertrag steht?

Der erste und wichtigste Punkt: Man sollte nur Geld investieren, das man bereit, ist komplett zu verlieren. Wichtig ist zu bedenken, dass es hier nicht um eine börsengehandelte Aktie geht. Wenn man Aktionär bei der Deutschen Telekom ist und die Aktie mal abrutscht, kann man noch mit Verlust verkaufen und hat zumindest ein Teil des Geldes wieder. Bei Start-ups geht das nicht, die sind illiquide. Sowohl im Bösen (Pleite) wie im Guten (der Laden brummt).
Ich hatte schon einige Erfolge mit Start-ups. Firmen, bei denen ich ‒ sei es durch Glück oder Wissen ‒ sehr früh eingestiegen bin und denen es jetzt sehr gut geht. Das Dumme: Meine Gewinne sind derzeit nur theoretisch. Bis zum Exit sehe ich keinen Cent.

Man braucht also nicht nur Geld, sondern vor allem auch Geduld. Auf gar keinen Fall sollte jemand sich als Angel betätigen, der nicht schon ein solides und diversifiziertes Portfolio hat.

Meine Strategie: Der Löwenanteil meines Geldes steckt in ganz langweiligen Sachen: ETFs und ähnliches. Dinge, die auf niedrige Gebühren und Steuern optimiert sind.
Einzelne Aktien kaufe ich nicht, da sehe ich keinen Grund, warum ich erfolgreicher als andere sein sollte. Stattdessen investiere ich einen kleinen Teil meines Geldes in Start-ups. Ich versuche dann, aktiv und langfristig durch mein Wissen, meine Kontakte und meine Erfahrungen zu einem positiven Ergebnis beizutragen.

Ich weiß: ETFs und ähnliches muss ich einfach liegen lassen. Ständig hin und her macht das Modell kaputt. Mathematisch betrachtet ist das sinnvoll. Ich weiß: Ich muss einfach Geduld und einen langen Atem haben. Nur, gerade Geduld zu haben ist oft das schwierigste, zumindest für mich. Deswegen macht mir Angel Investing auch Spaß. Es ist das extremste Gegenteil von Passiv.
Ob man deswegen gleich in vielen Firmen investieren muss, weiß ich nicht. Wichtig ist sicherlich, dass man insgesamt finanziell sehr breit aufgestellt ist.

Ich sehe das so ähnlich wie ein Immobilien-Investment. Auch da muss man genau auswählen und hat die Chance, durch Renovieren oder Ähnliches dieses Asset aktiv aufzuwerten.
Und auch da kann vieles schnell schief gehen. Aber ob man gleich deswegen zehn Wohnungen kaufen muss, bezweifele ich.

Wie hoch schätzt du die Gefahr ein, dass Seed-Investoren in späteren Runden ausgebootet werden, wenn die Profis mit großen Summen einsteigen wollen?

Es ist klar, wer bereit ist, am meisten Geld zu investieren, hat auch die lauteste Stimme.
Vor allem, wenn es der Firma schlecht geht, wenn sie dringend neues Kapital braucht, dann kommen neue Investoren, die durchaus sehr vorteilhafte Konditionen für sich verlangen.
Da kann es für die früheren Investoren schlecht ausgehen. Jeder, der hier investiert, sollte wissen, dass es hier um Privatverträge geht, da ist vieles möglich.
Allerdings stimmt es aber auch nicht, dass die großen VCs nur darauf warten, die Angels auszutricksen. Beide Seiten, VCs (Venture Capitalists) und Angels, brauchen und profitieren voneinander. Die VCs leben von ihrer Reputation.

Sind Start-ups, die Crowdinvesting-Plattformen nutzen, nicht zweite Wahl? Warum soll ich in so ein Start-up investieren, wenn die Profis alle abgewinkt haben?

Ungern antworte ich da pauschal mit "Ja", ich tendiere aber schon dazu, das zu glauben. Zumindest in der Tech-Branche, wo es nicht schwer ist, mit Angels in Kontakt zu treten. Das mag durchaus in anderen Branchen anders aussehen.

Wie wählst du die Firmen aus, in die du investierst?

Überwiegend aus einem Grund: Weil ich die Gründer schon kenne und weiß, dass sie etwas taugen. Einfach weil etwas "eine gute Idee" ist, ist der schlechteste Grund zu investieren. Das würde ich nie tun. Ideen sind wertlos, alles liegt in der Umsetzung, was wiederum von der Mannschaft abhängt. Dazu ist schon viel geschrieben worden.

Was ist dir als Investor in der täglichen Arbeit mit deinen Start-ups wichtig? Gibst du nur Geld, sprichst du regelmäßig mit dem Management über die Strategie oder mischt du dich ins operative Tagesgeschäft ein?

Hier hängt es zu 100 % von der Firma ab. Je nachdem, was sie grade brauchen. Ich liefere sinnvolle (hoffe ich zumindest) Ratschläge wann und wie ich kann. Wie aber schon geschrieben: Ich bin der Passagier, nicht der Fahrer. Letztendlich muss ich den Gründern auch vertrauen. Wer das nicht kann, sollte lieber gar nicht erst investieren.

Sehr oft geht es darum, Kontakte herzustellen. Sei es mit potenziellen Mitarbeitern, Kunden, anderen Investoren, wem auch immer.
Manchmal kann die Hilfe aber auch sehr praktisch sein. Zum Beispiel habe ich neulich mit einem Firmengründer Kundengespräche durchgespielt, bevor er echten Kunden ein neues Produkt vorstellt. Wenn die Gründer sagen, dass sie Hilfe brauchen, bin ich da.

Wer über Seedmatch oder eine andere Crowdinvesting-Plattform investiert, nutzt dazu das vertraglich und juristisch nicht immer einfache Vehikel des partiarischen Nachrangdarlehens. Wie sehen deine Verträge aus? Welche Rechte und Pflichten werden da vereinbart?

Da ich zehn Jahren in London gewohnt habe und auch da investiert habe, sind das englische Verträge. Gerade weil es da für das Investieren in Start-ups gute Steuervorteile gibt, gibt es immer mehr Angels. Das Gute daran ist, dass immer öfter Standardverträge benutzt werden. Das geht viel schneller und man weiß, was man hat. Auch das ist ein Grund, warum es so viele Start-ups in London gibt.
Hier in Spanien ist alles deutlich langsamer und komplizierter. Dabei ist Schnelligkeit der größte Vorteil, den ein Start-up hat. Wer mehrere Monate abgelenkt wird, um eine Seed Round von vielleicht 250.000 Euro einzusammeln, hat schon einen großen Nachteil. Ich würde es sehr begrüßen, wenn solche Standardkonditionen und Verträge für Start-ups sich auch in Deutschland durchsetzen würden.

Als Investor gibt es bestimmte Grundrechte, auf die man nicht verzichten darf. Mehr aber auch nicht. Das alles aufzulisten wäre ein eigener Artikel. So viel, wie Unerfahrene vielleicht befürchten, ist es dann aber auch nicht.

Ich gewinne dadurch, dass ich die richtigen Firmen (beziehungsweise Gründer) auswähle und sie dann gut unterstütze, nicht durch Tricks im Vertrag.

Würdest Du Geld über eine Crowdinvesting-Plattform investieren? Wenn ja, warum, wenn nein: auch warum?

Nein. Aus den oben genannten Gründen. Aber auch, weil ich genügend interessante Angebote bekomme.

Was allerdings immer spannender wird, ist Angel List, ein Investoren- und Start-up-Verzeichnis aus Amerika, das immer aktiver wird ‒ so langsam auch hier in Europa.
Allerdings ist es noch sehr auf amerikanische Bedürfnisse ausgerichtet. Jeder, der in die Angel-Szene einsteigen will, sollte da mal vorbeischauen.

(awa)

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Kommentare

Jonas sagt am 19. April 2016

Mal ein etwas anderer Beitrag vom Finanzwesir. Aber durchaus sehr gelungenes Interview mit interessantem Gesprächspartner.
Meiner Meinung nach ein absolut spannendes Thema und ein netter Blick über den Tellerrand.
Gerne mehr davon!


Alex von Homemade Finance sagt am 19. April 2016

Super interessantes Interview!

Was ich nicht ganz verstehe, ist diese Entscheidung zwischen klassischem Venture Capital und Plattformen wirklich Entweder-Oder? Kann man es wirklich nicht als Ergänzung betrachten? Übersehe ich da vielleicht einen Aspekt?

Alex


Ed Freyfogle sagt am 19. April 2016

Hi Alex,

freut mich, dass das Interview dir gefallen hat. Du hast recht, eine Mischung ist durchaus möglich, nur kostet das aber auch viel Zeit und Aufwand. Als Firmengründer hat man eh schon eine fast unmöglich lange Todo-Liste; Kleinigkeiten wie z.B. das Produkt entwerfen, verkaufen, Mitarbeiter finden, usw. Die ganze Zeit und Stress die mit Geldgebern überzeugen verbunden ist ist eigentlich nur Vorarbeit. Ich rate jedem es so einfach wie möglich zu halten.

Sonnige Grüße aus Barcelona,
Ed


Covacoro sagt am 24. April 2016

Ein Artikel und Interview, der meine wesentlichen Bedenken gut zusammenfaßt.

Man muß wissen, wo man seinen Circle of Competence hat. Viele, die sich an diesen Plattformen austoben, haben es zuvor als unnötig erachtet, die Bewertung eines Unternehmens, einer Aktie oder eines Finanzproduktes (Zertifikat, Anleihe, Schuldverschreibung) auch nur annähernd verstehen zu wollen und selbst zu praktizieren. Und mit Betriebswirtschaft oder ähnlichem haben sie nichts am Hut.

Damit sind die "Investments" nichts anderes als das Abkaufen einer Story bzw. spekulativer Herdentrieb.

Auf dem Blog von Covacoro gibt es hierzu diesen Artikel: 3+1=5 - der andere Wochenrückblick KW16/16


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