04. April 2016


Leserfrage: Ich hadere mit mir. Honorarberater oder doch selbst machen?

Leser M. fragt

Nach einer unbefriedigenden "Beratung" durch die Sparkasse im Studium und einigen Jahren der BAföG-Rückzahlung und ersten Schritten des Vermögensaufbaus habe ich seit rund 1,5 Jahren einen Honorarberater.
Das Ganze kostet mich 1 % des übertragenen Vermögens (etwa 300 Euro).
Die angestrebten 6 % Rendite p.a. hat er in den letzten beiden Kalenderjahren nicht erreicht.
Die Kosten habe ich natürlich trotzdem gehabt. Die Strategie an sich finde ich ok. Er investiert aber zu 100 % in aktiv gemanagte Fonds, die eben eine recht hohe Kostenquote haben.
Ich stehe aktuell vor dem Dilemma, dass ich einerseits einen Ansprechpartner habe, der eine sinnvolle Strategie fährt, der anderseits gefühlt recht teuer ist.
Sind die 1 % Kosten aus Ihrer Sicht passabel oder empfehlen Sie mir, mich selbst um ein ‒ an beispielsweise Kommer orientiertes ‒ Depot zu kümmern?

Der Finanzwesir antwortet

Wir reden hier von einem Gesamtvermögen von 30.000 Euro. Was nicht ganz klar ist: Worauf beziehen sich die 6 Prozent Rendite?

  1. Echte Netto-Rendite nach Steuern, Inflation, Fonds-Kosten und Beraterhonorar
  2. Brutto-Rendite vor Steuern, Inflation, Fonds-Kosten und Beraterhonorar
  3. Irgend etwas dazwischen
Rendite absolute Summe abzüglich Beraterhonorar Anteil Beraterhonorar
1 % 300 Euro 0 Euro 100 %
2 % 600 Euro 300 Euro 50 %
3 % 900 Euro 600 Euro 33 %
4 % 1.200 Euro 900 Euro 25 %
5 % 1.500 Euro 1.200 Euro 20 %
6 % 1.800 Euro 1.500 Euro 17 %

Meine Annahme: Es handelt sich um die Ausschüttungsrendite. Das bedeutet: Die Fonds-Kosten sind raus, aber Steuern, Inflation und Beraterhonorar gehen noch ab.

Steuerliche Situation

Die ersten 801 Rendite-Euro bekommt M. steuerfrei. 3 Prozent sind die steuerlich relevante Renditeschwelle. Ab dann greift die Kapitalertragssteuer mit 26,38 %.
Das bedeutet: Meine Tabelle ist etwas geschönt. Bei 6 Prozent Rendite sieht die Rechnung wie folgt aus:

  1. Ausgeschüttet werden 1.800 Euro.
  2. Die ersten 801 Euro sind steuerfrei, 999 Euro müssen versteuert werden.
  3. 26,38 % von 999 Euro sind rund 264 Euro.
  4. M. bleiben noch 1.536 Euro. Davon überweist er 300 Euro an den Honorarberater.
  5. M. bleiben 1.236 Euro. Das entspricht einer Fast-Netto-Rendite (Inflation muss noch runter) von 4,1 %.

Renditefazit

"Er investiert aber zu 100 % in aktiv gemanagte Fonds, die eben eine recht hohe Kostenquote haben."

Wenn die Kostenquote des Fonds 1,85 % beträgt (Quelle: Morningstar, durchschnittliche Kostenquote aktiv gemanagter Aktienfonds), dann muss der Fondsmanager eine Rendite von knapp 8 % erwirtschaften, damit nachher gut 4 % bei M. ankommen.
Zum Vergleich: Wenn man etwas recherchiert kommt man ‒ je nach Quelle ‒ auf eine jährliche Rendite für den MSCI World zwischen 6 % und 8 %. Diese Zahlen sind abhängig von Haltedauer und Einstiegszeitpunkt.
Mir geht es hier auch weniger um die konkrete Nachkommastelle, sondern ich möchte zeigen: Ein aktiver Manager, der jahraus, jahrein 8 % Rendite abliefern muss, bewegt sich an der Obergrenze des Renditespektrums.
Er darf nicht viel falsch machen. Er muss in guten Jahren mitnehmen, was geht, und in schlechten Jahren die Talfahrt begrenzen. Wie wir wissen, geht das in 90 % aller Fälle irgendwann schief.
Für M. bedeutet das: Hohes Risiko bei nur sehr mittelmäßigen Renditen.

Was tun?

Den Honorarberater zum Teufel jagen, ist doch klar!
Da sage ich: „Halt, stopp, nicht gleich lynchen!“
Lassen Sie uns doch erst einmal das Verfahren Feuerzangenbowle anwenden: „Da stelle mer uns mal janz dumm: Watt ist ene Honorarberater denn eijentlich?“

Ein Honorarberater hat zwei Aufgaben. Fangen wir mit der unwesentlichen an.

Die unwesentliche Aufgabe eines Honorarberaters

Ein Honorarberater bespricht mit seinem Kunden die Finanzstrategie und wählt die passenden Produkte aus.
Das ist simpel.
Warum?
Weil ein klassischer abhängig Beschäftigter doch sowieso keine Freiheitsgrade hat. Sämtliche Abzüge werden direkt an der Quelle entnommen.

  1. Gehalt: Sie bekommen Ihr Gehalt, wenn Ihr Arbeitgeber seinen Zahlungslauf startet. Alle Steuern und Sozialabgaben führt er direkt an den Staat ab. Ihnen wird nur das Geld ausgehändigt, das übrig bleibt.
  2. Zinsen, Dividenden und Kursgewinne: Auch hier überweist die Bank sofort die Quellensteuer an den Staat. Sie bekommen den Rest.

Einem abhängig Beschäftigten gehen selbst die elementarsten Möglichkeiten ab, die ein Selbstständiger hat. Kein abhängig Beschäftigter kann Zahlungsströme beschleunigen oder verzögern. Das Geld kommt, wenn es kommt.
Das bedeutet: Es gibt eine Einnahmequelle, und die Möglichkeiten zur Steuergestaltung sind sehr eingeschränkt. Ja, die obligatorische Fahrt zur Arbeit, die 801 Euro KAP-Freibetrag und noch den einen oder anderen Porto-Pausch-Betrag, aber das war’s dann auch.
Wenn Sie wirklich wegen hoher Arzt-, Pflege- oder Betreuungskosten Geld vom Finanzamt zurückbekommen, dann ist das kein tolles Steuersparmodell, sondern soll echte Härten abfedern.

Ich behaupte: Eine grundlegende Finanzplanung für klassische Arbeitnehmer ist in 20 Minuten gemacht.
So geht’s

  1. Grundlegendes Budget: Einnahmen versus Ausgaben.
  2. Gibt es Konsumschulden oder Ausbildungsschulden? Wenn ja, schnellstmöglich abzahlen.
  3. Sparrate: Was geht?
    • Vierköpfige Familie mit einem Ernährer: 0 % bis 10 %
    • Kinderloses doppelt verdienendes Akademikerpaar: 0 % bis 70 %
  4. Selbst genutzte Immobilie: Ja/Nein?
    • Wenn ja: Möglichst viel Eigenkapital anhäufen, um gute Zinsen zu bekommen.
    • Wenn nein: Langfristig an der Börse engagieren.
  5. Wenn Börsenengagement: Wie ist die Risikotoleranz? Wie starke Schwankungen werden vertragen? Danach richtet sich das Verhältnis von risikoarmem zu risikobehaftetem Anteil.

Umgesetzt wird das Ganze dann mit möglichst kostengünstigen Produkten.
Sie sehen, es gibt nur zwei Schieberegler:

  1. Sparrate
  2. Risikotragfähigkeit

und eine Ja/Nein-Entscheidung

  1. Wie stehe ich zur selbst bewohnten Immobilie?

Das war’s mit der Individualität. Ich weiß, das ist ein Affront, schließlich glaubt jeder, er sei so unglaublich individuell und verschieden und brauche unbedingt eine maßgefertigte Lösung.
Glauben Sie mir: Sie sehen auch in einem Anzug von der Stange gut aus.

Das ist auch der Vorwurf, den ich M.s Honorarberater mache: Warum teure aktive Fonds, wenn es ETFs auch tun?
Also doch weg mit dem Kerl?
Nein, denn jetzt kommen wir zur zweiten Aufgabe:

Die wesentliche Aufgabe eines Honorarberaters

Ich halte 95 % der Finanzberater für schlecht, egal ob Honorar- oder Provisionsberater.
Warum?
Weil die meisten ihren Beruf verfehlt haben. Sie glauben tatsächlich, sie wären im Finanzbereich tätig.
Das ist Unfug, ein Honorarberater ist im Psycho-Business unterwegs.
Seine Aufgaben:

Mäßigen, wenn die Börse gut läuft

Ein guter Honorarberater besteht auch nach fünf guten Börsenjahren auf der einmal festgelegten Risikoverteilung.
Er weigert sich, 100 % des Jahresbonus seines Kunden in Aktien zu investieren, sondern besteht auf der vereinbarten 30/70-Allokation.
Das muss man sich mal vorstellen: "Nachbar Müller hat 20.000 an der Börse gemacht und ich soll zu 70 % in Tagesgeld!!! Was für ein Spacko, dieser Finanzfuzzi!!"
Warum? Weil er weiß, dass Müller irgendwann 30.000 Euro an der Börse verlieren wird. Nur leider wird Müller darüber nicht so offensiv sprechen.

Ermutigen, wenn die Börse schlecht läuft

Ein guter Berater weigert sich, das Depot zu verkaufen, sondern schaut mit seinem Kunden ein paar Folgen "The Walking Dead", damit der mal sieht, dass auf der nach unten offenen "Snafu-Skala" noch viel Luft ist.
Das muss man sich mal vorstellen: "Mein Depot zerrinnt mir unter den Fingern und der Idiot lädt mich zu einem Streaming-Abend ein!!!"
Warum? Weil er weiß, dass es immer ein Licht am Ende des Tunnels gibt. Manche Dinge muss man einfach aussitzen. Ablenkung hilft.

Der Honorarberater als Coach

Natürlich war Kloppo fachlich auf dem neusten Stand. Aber er hat den BVB nicht deshalb zu Ruhm und Ehre geführt, weil er so ausgefuchste Trainingsmethoden drauf hatte, sondern weil er wusste,

  • wann er an der Seitenlinie Amok laufen musste
  • und wann es an der Zeit war, einen Spieler einfach mal in den Arm zu nehmen.

Genau das erwarte ich auch von einem Honorarberater:

  1. Fachlich auf dem neusten Stand. Bezogen auf M.s Berater deshalb die Frage: Weshalb teure aktive Fonds?
  2. Einfühlsame Härte beim Managen des Kunden, nicht seines Depots!

Was darf das kosten?

Auf jeden Fall mehr als 300 Euro pro Jahr. Ein Berater, der seinen Kunden davon abhält, bei 50 % Verlust zu verkaufen, erwirtschaftet eine Rendite, die keine andere Assetklasse jemals erreicht.
In M.s Fall wären das 15.000 Euro. Wenn wir mit aggressiven 4 % Netto-Rendite pro Jahr rechnen, braucht M. 18 Jahre, um diesen Verlust wieder aufzuholen.
Dazu wird es aber nicht kommen. Jemand, der das Schlachtfeld mit solchen Verlusten verlässt, kommt nicht zurück.
Das bedeutet: Lebenslänglich Tagesgeldzinsen und die 15.000 Euro werden abgeschrieben.

Das Problem

Für Vermögen unter 100.000 Euro rechnet sich das für beide Seiten nicht. Juristen auf Sachberaterebene verlangen für eine Beratung im Bereich Finanzen zwischen 250 Euro und 300 Euro. Partner verlangen bis zu 420 Euro pro Stunde.
Wenn ein Honorarberater 100 Euro pro Stunde abrechnet, ist das ein sehr moderater Preis, der aber

  1. nur drei Stunden pro Jahr an Beratung bedeutet
  2. M. trotzdem die Rendite ruiniert.

Vielleicht sollte M.s Berater mal auf ETFs umstellen und dann teilt man sich die Ersparnis.

Meine Faustregel:

  1. Bis 100.000 Euro muss man alles selbst machen
  2. Bis 250.000 Euro sollte man alles selbst machen

Na toll, Finanzwesir, aber davon geht das Psycho-Problem doch nicht weg! Ich steh’ immer noch alleine da und muss dem Sturm trotzen.
Was tun?
Mir fallen zwei Strategien ein:

  1. Gnadenlose Mediendiät. Das ist mein erster Artikel nach einer dreiwöchigen Urlaubspause. Drei Wochen nichts über Flüchtlinge, ISIS-Terror, Wahlen in den Bundesländern, Stand der Bundesliga … Und was soll ich sagen: Die Welt dreht sich weiter, auch wenn der Finanzwesir nicht zuhört. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.
  2. Gründung von Selbsthilfegruppen. „Guten Tag, ich bin der Albert und ich habe immer das Verlangen, die neueste Finanz-Innovation zu kaufen.“ Sehr erhellend war hier das erste Lesertreffen in Hamburg. Jeder, aber wirklich jeder, mit dem ich sprach, hatte Leichen im Keller! Da war diese Mega-Aktie aus den Zeiten des neuen Marktes, die natürlich nur nach oben gehen konnte und jetzt bei 0,11 Euro steht. Oder der Knock-out-Schein, der Wort gehalten hat und seinen Käufer sauber auf die Bretter geschickt hat. Wie ich schon in meinem Manifest geschrieben habe: „Reden hilft!“ Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Fazit

Selbst machen ist preiswert, erfordert aber Willensstärke bis hin zur Arroganz. Honorarberater können helfen, müssen aber das richtige Selbstverständnis haben und ins Budget passen.
Die Lösung könnte so aussehen:

  1. Das Geld wird von einer industrialisierten Vermögensverwaltung gemanagt.
  2. Der Berater managt den Kunden.

Die Vermögensverwaltung wird industrialisiert

Wie ein Sack Zucker wird sie dadurch zur preiswerten Commodity.
Industrialisiert bedeutet: Es gibt Normen und Prozesse, die für ein Produkt von definierter Art und Güte sorgen. Genau definierte Fließbandqualität eben. Ich weiß vorher, was ich bekomme.
Das Geld wird hier durch optimierte Prozesse und die schiere Masse verdient.

Die Rolle des Honorarberaters

Der Honorarberater ist Händchenhalter, Psycho-Coach, Welterklärer, whatever … Die Aufgabe als Lotse nützt dem Kunden und kann deshalb auch in Rechnung gestellt werden. Der Honorarberater muss keine Zeit mehr mit der Vermögensverwaltung vertrödeln, sondern kann sich ganz auf das Gespräch mit mir, seinem Kunden, konzentrieren.

Wer das alles nicht will, kann sich immer noch alleine auf den Weg machen.

Und was ist mit M.?

M. muss sich überlegen, wie er die beiden Funktionen eines Honorarberaters gewichtet und wie er die Qualität der Arbeit bewertet. Wie viel Sicherheit vermittelt ihm sein Honorarberater für 300 Euro?
Wenn der „gefühlt teure“ Berater M. vom Verkauf in Krisenzeiten abhält, sind die 300 Euro eine sehr preiswerte Versicherungsprämie.
Wenn ich für 300 Euro pro Jahr nur mit dem Anrufbeantworter plaudern darf, mach ich’s selbst.

(awa)

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Kommentare

Gerhard sagt am 04. April 2016

Was soll ich hier noch anfügen? Genau so ist es und Du hast es wieder einmal genau auf den Punkt gebracht!

Vielleicht noch dies: Als ich mit allem anfing, hätte ich dringend einen "Händchenhalter/Finanzseelsorger" gebraucht, lag aber deutlich unterhalb der von Dir genannten Grenze von 100 000 Euro.
Über die Jahre und mit steigenden Summen bin ich dann abgestumpft und die täglichen "Wasserstands- und Katastrophenmedungen" der Finanzpresse haben mich immer weniger berührt, weil ich ihr Muster durchschaut hatte.
Ich investiere jetzt nur noch passiv, weil ich aus meinen "aktiven" Pleiten gelernt habe, mich nicht zu überschätzen!
Vielleicht ist es ja auch nur der Betablocker, den ich schon seit vielen Jahren einnehmen muss, dessen "Nebenwirkungen" mich den ganzen Finanz-Psychokram besser ertragen lässt.

Lieber Albert ganz herzlichen Dank für Deinen gelungenen Artikel!


Karl Alexander Marx sagt am 04. April 2016

Lieber Finanzwesir, eine generell vernünftige Kommentierung aus meiner Sicht als praktizierender Honorarberater.
Was ich vermisse: Wo ist die Betrachtung der Bestandsprovision aus den aktiv gemanagten Fonds? Meist so um die 0,3-0,4% p.a. Werden die wenigstens ausgekehrt? Honorarberater dürfen nach einschlägiger Rechtsprechung nicht doppelt berechnen.
Ich kenne übrigens keine (qualifizierten) Honorarberater, die im Fondsbereich etwas anderes einsetzen als ETFs oder Dimensional Fonds (ähnlich zu ETFs, mit etwas breiterer Marktabdeckung). Die zu erwartenden Renditen aktiv gemanagter Fonds sind längerfristig ganz überwiegend schwächer gegenüber passivem Investment.

Auf dem Blog von Karl Alexander Marx gibt es hierzu diesen Artikel: Gafib


Chris sagt am 04. April 2016

"Die angestrebten 6% Rendite p.a. hat er in den letzten beiden Kalenderjahren nicht erreicht. Die Kosten habe ich natürlich trotzdem gehabt. "

Man könnte ja auch im Beratungsvertrag vereinbaren, dass wenn die "angestrebte" Rendite nicht erreicht wird, auch kein Honorar genommen werden kann ;-) Oder einfach mal ne Kündigung ins Gespräch bringen, da könnten schon kulantere Konditionen angeboten werden. ^^

Ne mal im Ernst, an dieser "Benchmark"-Rendite kannst du dich nicht wirklich orientieren. Schwankungen, d.h. Abweichungen davon nach Unten UND nach oben, sind börsenüblich, und können auch mehre Jahre lang andauern. Der Berater kann ja die Kurse auch nicht selber machen, sondern ist genauso einfach nur dem ausgeliefert was ihm die Kapitalmärkte grad an Renditeentwicklungen vorgeben. Alternativ könnte man noch kurzfristig herumtraden, um auch immer in die aktuell "besten" Anlagen zu investieren, aber das geht meistens eh schief.
Siehs auch mal anders, hättest du etwas früher angefangen (z.B. ab 2009) wo noch jährlich zweistellige Renditen zu holen waren, würdest du dich wahrscheinlich ganz glücklich fühlen, so einen "tollen" Berater gefunden zu haben, der ja mit offensichtlich überlegener Kompetenz diese wunderbaren Renditen erwirtschaftet... das ist genauso Unfug, weil das auch nur Zufall und Glück des entsprechenden Zeitpunktes wäre.

"Die Strategie an sich finde ich ok"..."dass ich einerseits einen Ansprechpartner habe, der eine sinnvolle Strategie fährt,"

Was für eine "Strategie" wird denn da überhaupt gefahren ? Stinknormales Buy and Hold oder irgendwelche taktischen Allokationen ?
Hat dir der Berater erklärt, in WAS genau er investiert, und WARUM und in welcher Aufteilung ? Hat er dir erklärt woher diese "angestrebten" 6% pa Renditen überhaupt zustande kommen sollen ?
Und was er SELBST (also "aktiv") dazu beiträgt um sie zu erreichen (zB. Umschichtungen). Wenn er selbst nichts macht, dann erklärt sich dieser "Benchmark" eigentlich relativ trivial von selbst, das ist einfach nur die langfristige Durchschnittsrendite des weltweiten Aktienmarktes an sich, nichts weiter.
Es liegt jetzt an der eigentlichen Aufgabe des Beraters (der Wesir sprichts ja immer wieder an, wenn er gerade darauf hinweist, dass der Berater weniger fürs Investieren als fürs Psycho-Händchenhalten verantwortlich ist), dir zu erklären, was "langfristig" und "Durchschnitt" dabei bedeutet - diese 6% p.a. stellen sich erst nach mehreren Jahrzehnten einigermaßen verlässlich ein - und dazwischen sind auch mal Phasen der Unterperformance oder gar Crashs dabei.
Ein guter Berater weist darauf schon vorher hin um eine entsprechend realistische Erwartungshaltung beim Mandanten zu fördern, um die Chancen und Risiken der Kapitalanlage einschätzen zu können und so weniger enttäuscht zu werden.

"Sind die 1%-Kosten aus Ihrer Sicht passabel"

Aus meiner Sicht ? Nein. Aber ich bin schon jahrzehntelang Selbstanleger, und verzichte dabei auf für mich unnötige Kostenfaktoren wie Mittelsmänner, die keinen relevanten Mehrwert hinzufügen.
Wie der Wesir sagt, so ein Berater ist eigentlich nur für zwei Sachen zuständig: In Booms dich davon abzuhalten, alles zu kaufen, und in Krisen dich davon abzuhalten, alles zu verkaufen. Wer schon selbst so gebildet&gefestigt ist, dass er das allein hinkriegt, kann sich den Berater eigentlich sparen, denn alles weitere (zB. dass er supertolle Anlagen für einen findet, oder ne mega-geheime Spezialstrategie kennt) ist auch nicht.

Da du ja schon Kommer ansprichst (hast du die Bücher gelesen?) scheint ja schon etwas Wissen da zu sein ? Ich würde einfach mal nen nüchternen Vergleich ziehen: Was macht dein Berater mit deinem Depot jetzt ? Ist es einfach nur eine festgelegte Buy&Hold Allokation, die höchstens nur noch ab und zu rebalanced wird ? Sind die verwendeten aktiven Fonds wirklich besser als vergleichbare Index-ETF Produkte ? Findet hier irgendwas statt, was man nicht auch im DIY-Selbstbau Depot nicht genauso gut viel günstiger machen kann ?
Da kannst du auch ruhig ganz direkt mal nachfragen, für welche Leistung dein Berater wirklich überhaupt die Gebühren rechtfertigt ?

Falls du wirklich in deiner Selbsteinschätzung zugibst, dass du ein eher unsicherer Anfänger bist, der wirklich lieber den "Ansprechpartner" haben braucht, um keinen Mist zu bauen, und auch öfter mal eine dieser Börsenseelsorge-Sprechstunden wahrnimmst, dann bleibe eben lieber erstmal da, zumindest solang bis du dich selbst fähig fühlst, allein zu agieren.
Vielleicht nach der nächsten Krise, wenn man die überstanden hat, entwickelt man auch die nötige Abgeklärtheit um nicht mehr auf einen Händchenhalter angewiesen zu sein, und Verhaltenstips kann man sich dann, wenn man sie überhaupt noch nötig hat, auch kostenlos aus dem Internet von Finanzblogs holen.


Markus Rieksmeier sagt am 04. April 2016

Haha, 300 Euro/Std. war auch mein Ansatz, die Tage in diesem Presseartikel, als ich Honorarberater, Spätsparer mit Aktien und ETFs unfreiwillig verheiratet habe :-)

http://www.versicherungsbote.de/id/4839173/Altersvorsorge-Aktien-fonds-Rente/

With compliments @ Großvisier und Finanzrocker

Auf dem Blog von Markus Rieksmeier gibt es hierzu diesen Artikel: Aktuell dazu


Torzan sagt am 05. April 2016

Ich hatte auch einmal mit einem Honorberater zu tun, der nimmt auch ein Prozent und investiert hauptsächlich in ETF. Allerdings hält er es sich frei auch mal in aktive Fonds zu investieren, in diesem Fall fießen alle eventuellen Provsisionen zurück.
Da Angebot fand ich fair, habe mich aber auch dagegen eintschieden. Klar könnte er mit dem aktiven Anteil den Prozent wieder rausholen, aber halt auch verlieren, also was solls.
DIe Idee das Ganze als eine Diversfikation zu sehen, also pa­r­al­lel zu einem eigenen Depot finde ich nach wie vor nicht so ganz abwegig, mal sehen.

@Finanzwesir du schreibst:

"Bis 100.000 Euro muss man alles selbst machen
Bis 250.000 Euro sollte man alles selbst machen"

Und ab wann muss man es machen oder gibt es den Punkt überhaupt?

Viele Grüße
Torzan


Finanzwesir sagt am 05. April 2016

Hallo Torzan, na ja, ab Null Euro ;-)
Von null bis 100.000 Euro muss man investieren.

  1. Zeit, indem man Bücher und Blogs liest, Podcasts hört oder sich Videos anschaut und sich so finanziell weiterbildet.
  2. Geld, das man für Bücher und Seminare und persönliche Beratung ausgibt.

Entweder man zahlt so oder man nimmt die "kostenlose" Provisions"beratung" in Anspruch und zahlt die verdeckten Gebühren und dazu noch ordentlich Lehrgeld, weil man nicht versteht, was man da kauft und deshalb unpassende Produkte kauft.

Zahlen muß man am Anfang so oder so. Von nichts kommt nichts. Entweder man setzt Geld und Zeit aktiv ein und bestimmt selbst, wo die Ressourcen hingehen oder man wird - wie der typische Bankkunde - zum Spielball.

Gruß
Finanzwesir


Chris sagt am 08. April 2016

@Torzan

"DIe Idee das Ganze als eine Diversfikation zu sehen, also pa­r­al­lel zu einem eigenen Depot finde ich nach wie vor nicht so ganz abwegig, mal sehen."

Hm, was heißt für dich "Diversifikation" in diesem Zusammenhang ? Damit ein ("aktiver") Berater einen wirklichen Diversifikations-Mehrwert gegenüber deinem eigenen (passiven Welt-ETF Buy&Hold?) Depot bringen kann, muss er ja etwas wirklich ANDERES machen.

Wenn da auch nur ähnliche Fonds quasi genauso "rumliegen", machen die ja auch nur mehr oder weniger die selben Kursentwicklungen wie dein eigenes Portfolio mit. Diversifikations-Effekt gleich null, und dafür noch extra Berater-Gebühren bezahlt ?

Damit du Diversifikation hast, muss der Berater also etwas anderes machen. Und was ist anders als passives Welt-ETF Buy&Hold ? Das aktive Herauspicken von Einzel-Anlagen und taktisches Trading (Markttiming). Wenn du jetzt glaubst, DEN einen Berater gefunden zu haben, der dir LANGFRISTIG und nach Kosten durch sein eigenes Handeln eine bessere Rendite erwirtschaften kann als ein passives Welt-ETF B&H Portfolio, dann mach das halt, aber statistisch stehen die Chancen dabei bekanntermaßen nicht auf deiner Seite (und die paar Assetmanager, die das vielleicht könnten, arbeiten eher nicht für uns popelige Kleinanleger).

Diversifikation macht bei einzelnen Anlagen Sinn, da man so die unterschiedlichen kurzfristigen Entwicklungen derer ausgleichen kann. Wenn ein Asset fällt, ist (vielleicht, hoffentlich) ein anderes trotzdem noch am steigen. Zwischen verschiedene AnlageSTRATEGIEN hinweg zu "diversifizieren" ist jedoch etwas anderes - eine passive Weltportfolio-Strategie hat solide akademische Theorie dahinter und einen praktischen Langfrist-Trackrecord, der sehr schwer zu schlagen ist. Davon wegzugehen ist quasi eine Spekulation darauf, dass in Zukunft eine aktive Strategie sich besser entwickelt als die passive (und dass dein Berater eben diese aktive Strategie (von der es tausende gibt) auch kennt und immer die richtigen Assets findet).

Ich hatte es in meinem ersten Kommentar eigentlich schonmal angesprochen - ein Berater ist eigentlich nicht dazu da, für dich hin und her zu traden und dich immer in die zukünftig besten Anlagen zu investieren (das KANN er auch garnicht schaffen, weil niemand Hellsehen kann, und wenn es ein ehrlicher&guter Berater ist gibt er das auch zu und empfiehlt dir nichts weiter als ein passives B&H Portfolio einfach langfristig durch zu halten) - ein Berater ist eher für den Psychokram, Händchenhalten und Seelsorge zuständig, dafür dass er dir die Fragen beantwortet die du brauchst um Nachts noch ruhig schlafen zu können. Gekocht wird da im Endeffekt auch nur mit Wasser. Ist das Portfolio einmal erstellt, besteht seine "Arbeit" im wesentlichen nur noch daraus, dich durch gutes Zureden etc in diesem Portfolio langfristig auf Kurs zu halten. Und wer schon so gefestigt ist, dass er ohne Stützräder allein seine Angelegen erledigt und Pläne durchziehen kann, für den lohnt sich das auch nicht - wie der Wesir schon sagt, unter nem mittleren sechstelligen Betrag ist das sowieso unwirtschaftlich, und obwohl mein B&H-Hauptdepot mittlerweile ein noch größeres Volumen hat, dass mich anscheinend schon für einen Berater "qualifizieren" würde, brauche ich es immer noch nicht, weil ich einfach selbst schon die Tugenden nur weiterführe, die mir diese Depotsumme überhaupt aufgebaut haben (Kosten kleinhalten, breit streuen, langfristig denken).


Mario Simon sagt am 12. April 2016

Ich bin auch gerade auf der Suche nach Vermögensaufbau welches im Notfall auch Hartz IV sicher ist. Ich habe mich für einen ETF-Fondgebunden Sparplan über eine Versicherung entschieden. Hier möchte ich einen Nettotarif abschließen. Diese Nettotarife kann man aber nur über Honorberater abschließen.
Somit sehe ich hier die Notwendigkeit einen Honorarberater zu beauftragen, der anders als beim Provisiostarif deutlich weniger an kosten verursacht.


Torzan sagt am 13. April 2016

@Chris

Dank dir für deine Antwort. Du bestätigst mein eigentliches Gefühl zu der Sache. Ein B&H Depot reicht völlig aus.
Da du ja anscheinend auch mi einem größerem Depot hantierst, hätte ich nochmal eine Frage.
Ich hatte mich für ein Komer'sches Depot (ohne Rohstoffe und Immobilien) entschieden, ein Grund dafür war das ich in der Auszahlungsphase flexibler bin. Ich bin aber immer wieder am zweifeln, ob das nicht einfach Overhead ist und einfaches MSCI + Emerging Markets Depot es nicht auch tut.


Tabasco sagt am 15. April 2016

@Torzan

Zumindest historisch betrachtet schlägt das 70/30 (World/EM) Portfolio alle anderen Spielereien im Aktienbereich. Keep it simple.


Leonessa sagt am 13. Februar 2019

@Finanzwesir schreibt:

Meine Faustregel:
Bis 100.000 Euro muss man alles selbst machen Bis 250.000 Euro sollte man alles selbst machen

Wie sieht es denn bei höheren Vermögen aus? Ist die grundsätzliche Strategie: Risikoloser Anteil + ETF Portfolio (z.B. 70/30), regelmäßig rebalanced, dann immer noch die Empfehlung? Bzw. ab welchen Summen sollte frau sich lieber einen guten Finanz-Berater suchen?


Finanzwesir sagt am 13. Februar 2019

Hallo Leonessa,
Stand heute sage ich: Nie. Wer 10.000 € besitzt für den ist die Verwaltung von 250.000 € pure Magie. Wer dann 250.000 € hat, der kommt auch mit einer Million klar.
Der Mensch wächst an seinen Aufgaben. ;-) Das Problem bei Summen jenseits der 200.000 €: Man glaubt plötzlich diversifizieren zu müssen, so schleichen sich die jamaikanischen Kokosplantagen, die Container und der P2P-Kram ins Depot und setzen sich neben das Gold. Ein Berater verstärkt diesen Prozeß.
Denn: "Wes Brot ich eß, des Lied ich sing' " - es ist für einen Berater unglaublich schwer dem Kunden das zu geben, was er braucht. Es ist einfacher das zu empfehlen, was der Kunde will.
Dann sind die Kunden zufrieden und der Beraterkühlschrank voll. Aber für einen Tritt in den Hintern zahlt halt keiner, obwohl das 99% aller Kunden brauchen.

Kümmer' Dich selbst um Deine Nullen. Dann bist Du auch selbst schuld, wenn es in die Gütze geht. Das diszipliniert.

Gruß
Finanzwesir


Leonessa sagt am 13. Februar 2019

Danke! Dann lese ich mal fleißig hier weiter - schon viel gelernt hier.

Mein Vater hat uns (soweit ich das bisher analysiert habe) ein ziemliches Sammelsurium im Depot hinterlassen (in letzter Zeit schien er aber dann doch auch auf ETFs gekommen zu sein) und meine Mutter hat's so gar nicht mit Zahlen und Börse schon gar nicht.
Sind also genau genommen nicht nur meine Nullen, aber ich würde trotzdem gerne verhindern, dass der freundliche Bank-"Berater" meiner Mutter irgendwelchen Blödsinn aufschwatzt...


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