22. Juni 2021


Anleihen: Keine gute Idee (mehr)?

Zwei Dinge gehören in ein Depot:

  1. Aktien für die Rendite
  2. Anleihen für Stabilität und Einkommen

Doch ist das noch so?

Was passiert, wenn man einem Juristen und einem Ingenieur ein Telefonbuch in die Hand drückt und sagt: "Auswendig lernen!"

Der Jurist fragt: "Bis wann?", der Ingenieur: "Warum?"

Wenn Sie als Anleger überleben wollen, müssen Sie sich wie ein Ingenieur verhalten. Fragen Sie immer: "Warum?" Besonders, wenn es sich um "amtliche Ansagen" handelt, die einfach ohne Begründung vor Ihrer Haustür abgestellt werden.

Grundsätzlich gilt das, was Samuel Arbesman in seinem Buch "The Half-Life of Facts" geschrieben hat: Alles, was wir wissen, hat ein Verfallsdatum.

Lassen Sie uns ein wenig containern. Mal sehen, was wir finden.

Anleihen und Aktien im Depot von 1970 bis heute

Entwicklung Anleihen-Anteil an typischen Anlage-Portfolios 1970 - 2020
Assetklassen-Drift von 1970 – 2020, Quelle: Salem Abraham

Diese Grafik stammt aus dem unten eingebundenen Video. Es zeigt die Assetklassen-Drift im Laufe der letzten fünfzig Jahre. In den 70-ger Jahren des letzten Jahrhunderts brachten Anleihen auskömmliche sieben bis acht Prozent vor Steuern und Inflation. Mit anderen Worten: Aktienrendite und keine Schwankungen. Kein klar denkender Mensch fasst da eine Aktie an.

Doch die Zeiten ändern sich. Die Anleihen wurden zum Juniorpartner degradiert. Von hundert Prozent auf zehn Prozent in 50 Jahren. Warum? Kümmern wir uns um den ersten Fakt: Anleihen liefern ein Einkommen. Stimmt das noch?

Anleihen: Der gnadenlose Zinsrückgang

Verlauf der Umlaufrendite deutscher Staatsanleihen 1974 - 2021
Umlaufrendite deutscher Staatsanleihen von 1974 – 2021; Quelle: Bundesbank

Am 28. September 1990 betrug die Umlaufrendite deutscher Staatsanleihen sagenhafte 9,21 % (das ist die MSCI-World-Liga). Seit diesem Tag geht es für die deutschen Staatsanleihen nur noch abwärts.

Das bedeutet: Der deutsche Sparer hofft seit 11.189 Tagen – das sind 30 Jahre, 7 Monate und 19 Tage – auf die Zinswende.

Schauen Sie, was aus dem stolzen Zins-Himalaya der 70-ger und 80-ger Jahre geworden ist: Eine kleine blaue Niedrigzins-Pfütze, die sich verschämt am rechten Rand herumdrückt.

Umlaufrendite

Die Umlaufrendite ist die gewichtete durchschnittliche Rendite eines Korbes börsengehandelter Anleihen allerbester Bonität. In unserem Fall besteht der Korb aus deutschen Staatsanleihen aller Restlaufzeiten. Die Umlaufrendite zeigt das Zinsniveau und die großen Zinstrends an und ist das Anleihen-Äquivalent zum DAX.

Anleihen in der Falle: Sinkende Zinsen, steigende Inflation

Rendite bedeutet für uns Anleger: Was bleibt nach Steuern und Inflation über? Die steuerliche Belastung ist individuell, die Inflation ist für alle gleich. Für 10-jährige Staatsanleihen stellt die Bundesbank die längste Zeitreihe zur Verfügung. Inflation und Rendite starten im Oktober 2001:

Rendite, inflationsbereinigt 10-jährige Bundesanleihen von 2001 - 2021
Inflationsbereinigte Rendite 10-jähriger Bundesanleihen von 2001 – 2021; Quelle Anleihenrendite; Quelle Inflationsraten

Bis zum September 2011 gab es noch etwas zu verdienen, danach schlägt die Inflation die Rendite der 10-jähringen Staatsanleihen. Seit knapp zehn Jahren, das sind 3.546 Tage oder 116 Monate, "Warten auf Godot und die Zinswende".

Zwischenfazit Anleihen und Einkommen

Mit Staatsanleihen – gleich welcher Laufzeit – ist kein Geld mehr zu verdienen. Hier regiert der Niedrigzins. Aber müssen es denn Staatsanleihen sein? Es gibt ja noch andere Anleihetypen. Vielleicht klappt es da besser mit dem Einkommen.

Anleihen jenseits der Staatsanleihen

Kursentwicklung Anleihen in CoronakriseKursentwicklung Anleihen in Coronakrise im Vergleich zu MSCI ACWI; Quelle: https://www.justetf.de

Wie sind die einzelnen Anleihetypen durch die Corona-Krise gekommen? Die hellblaue Linie ist der MSCI ACWI (umfasst Industrie- und Schwellenländer). Dieser Index ist unser Maß für den Maximalabsturz.

Assetklasse (alles in Euro) maximaler Verlust Kupon (per 8.9.2020)* WKN
MSCI ACWI -29,42 % n/a A1JMDF
—- —- —- —-
Firmenanleihen kein Investment Grade (Hochzinsanleihen) -20,28 % 3,4 % A1C3NE
Schwellenländer -19,66 % 4,94 % A0NECU
Firmenanleihen Investment Grade -8,35 % 1,53 % 778928
Staatsanleihen Eurozone -4,52% 2,18 % A0RL83
Deutsche Staatsanleihen -1,17 % 0,82 % 628946

Kursverluste Anleiheklassen in Coronakrise im Vergleich zu MSCI ACWI; * = gewichteter Anteil der Jahreszinssätze der im ETF enthaltenen Anleihen

Wir sehen:

  1. Hochzinsanleihen und Schwellenländer: aktienähnliche Verluste, Rendite bestenfalls halb so groß wie bei Aktien. Heutzutage sind drei bis fünf Prozent "Hochzins". In den 80-er Jahren haben grundsolide Staatsanleihen das Doppelte abgeworfen.
  2. Firmenanleihen: Für weniger als zwei Prozent Ausschüttung kriege ich Schwankungen von knapp 10 %. Das ist kein Stabilitätsanker.
  3. Euro-Staatsanleihen: Na ja, doll ist nicht. Pro 100 € kriege ich 2 € Zinsen, kann aber knapp 5 € Buchverluste machen. Ist das nicht ein bisschen asymmetrisch in die falsche Richtung?
  4. Deutsche Staatsanleihen haben halbwegs standgehalten. Aber im Kurs gestiegen sind sie nicht. Das erwarte ich eigentlich von diesen Anleihen. Niedrigzinsen, na gut; aber dann bitte Kurssteigerungen, um die Verluste meiner Aktien auszugleichen. So wie das in der letzten großen Krise passiert ist.

Vergleich Kursentwicklung von Anleihen und MSCI ACWI in Subprime FinanzkriseKursentwicklung Anleihen im Vergleich zum MSCI World in der Subprimekrise; Quelle: https://www.justetf.de

Die Subprime-Krise beginnt im Oktober 2007. Die Kurse beginnen zu bröckeln, ab September 2008 dann der große Ausverkauf. Was machen die Anleihen? Sowohl die Firmen-, wie die Staatsanleihen sind von "Investment Grade"-Qualität und tun das, was man von Ihnen erwartet: Sie steigen im Kurs. Die Firmenanleihen werden zunächst mit nach unten gezogen, bewähren sich dann aber auch als sicherer Hafen.

Warum steigen die Anleihekurse in der Krise?

  1. In der Krise drängt jeder den sicheren Schuldnern sein Geld auf, das treibt die Preise
  2. Die sicheren Schuldner beschließen: Na, dann statten wir unsere nächste Anleihe doch mit etwas frugaleren Zinsen aus.
  3. Wenn das Zinsniveau sinkt, steigen die Alt-Papiere im Kurs. Davon profitieren die Anleger ebenfalls.

Diese Kombination hat die Preise von Qualitätsanleihen in den letzten Jahrzehnten zuverlässig in jeder Krise nach oben getrieben.

Exkurs: Was beeinflusst den Kurs von Anleihen?

Vor allem das Zinsniveau ist verantwortlich für die Kursentwicklung von Anleihen. Hier ein Beispiel.

Sie kaufen für 1.000 € eine Anleihe. Der aktuelle Marktzins liegt bei 2 Prozent und auch die Anleihe wirft jedes Jahr 2 Prozent an Zinsen ab.

Investition Laufzeit Kurs Nominalwert jährlicher Zins Marktzins zum Kaufzeitpunkt
1.000 € 5 Jahre 100 % 1.000 € 2 % 2 %
—- —- —- —- —- —-

Zahlungsströme:

  • jährlich 20 €, in Summe 100 € über die 5 Jahre
  • im 5. Jahr zusätzlich die Rückzahlung des eingesetzten Kapitals von 1.000 €

Nach zwei Jahren fällt der Marktzins auf 1 Prozent.

  • Das restliche Ertragspotenzial Ihrer Anleihe: drei Jahre zu je 20 € macht 60 €. Dann wird zurückgezahlt.
  • Das Ertragspotenzial der neuen Anleihe: Die neuen Fünfjährigen bringen ein Prozent. Auf drei Jahre gerechnet sind das 30 €.

Jetzt können Sie einen höheren Preis verlangen, denn das Ertragspotenzial Ihrer Anleihe ist höher als das, was ich zurzeit kaufen kann. Für 1.030 € kaufe ich Ihnen Ihre Anleihe ab, für die Sie zwei Jahre zuvor 1.000 € bezahlt haben.

Ihre Bilanz

Zahlungsströme Summe
Zinszahlung Jahr 1 20 €
—- —-
Zinszahlung Jahr 2 20 €
Verkauf 1.030 €
Summe 1.070 €
Kaufpreis – 1.000 €
Bilanz 70 € Gewinn

Anleihenkurse steigen, wenn die Zinsen sinken

Investition Rest-Laufzeit Nominal-Wert jährlicher Zins Markt-Zins Kurs Kurswert
1.000 € 3 Jahre 1.000 € 2 % 1 % 103 % 1.030 €
—- —- —- —- —- —- —-

In meinem Beispiel gab es noch Luft nach unten, nur: Wohin sollen die Zinsen noch sinken? Irgendwann ist es für die Banken billiger einen Duck'schen Geldspeicher zu bauen und das Geld einfach zu wiegen anstatt die EZB dafür zu bezahlen das Geld zu verwahren.

Die Niedrigzinsen haben dieses Spiel umgebracht.

Zwischenfazit Anleihen als Stabilitätsanker

Nur deutsche Staatsanleihen taugen als Stabilitätsanker. Alle anderen Anlageklassen schwanken viel zu stark. Aber wenn die Zinsen so darnieder liegen hilft auch ein Triple-A nichts mehr. Sämtliche Kurssteigerungspotentiale sind ausgereizt.

So sitzen die Anleger in der Falle. Sie haben zwei Optionen

  1. Die Renditewünsche herunterschrauben
  2. Mehr Schwankungen ins Depot holen (Aktien und Junk-Bonds)

Die Renditewünsche will aber niemand herunterschrauben, also werden Anleihen durch Aktien ersetzt und man redet sich das Ganze schön: Dividenden sind die neuen Zinsen. So sind wir in den letzten fünfzig Jahren von hundert Prozent Anleihen auf zehn Prozent Anleihen gekommen

Worüber wir noch nicht gesprochen haben

Über das Warum. Das war doch der Start unserer Reise: Wir wollten das Warum containern.

Das "Warum verdrängen die Aktien die Anleihen" haben wir geklärt. Aber was ist mit dem Master-Warum:

Aber warum sinken die Zinsen so?

Dieses Warum interessiert uns als Anleger nicht. "Et is wie et is" (erster Paragraph des Kölschen Grundgesetzes). Mehr müssen wir nicht wissen. Alles andere ist wüste Spekulation. Diese ganze Wühlerei in den Makro-Faktoren ist was für den Grill oder den Elfenbeinturm.

Makro-Faktoren? Ja, so nennen die VWLer das, wenn Sie beim Grillen ganz kühn Trumps Tweets, Chinas Corona-Maßnahmen und Deutschlands Defizit zu einem Zinskomplott gegen den deutschen Sparer verrühren. Sicher eine coole Story, intellektuell aufregend; aber auch hier gilt das alte Traderwort: Willst Du recht haben oder Geld verdienen?

Als Anleger können wir entweder in alten Zeiten schwelgen oder uns auf das besinnen, was unsere Spezies von den Savannen Afrikas bis in den letzten – oft sehr kalten und unwirtlichen – Winkel dieses Planeten gebracht hat: Wir passen uns einfach an und verfrachten die fünfzig Jahre gültigen Glaubenssätze bezüglich Anleihen in den Container, denn

"Alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei".

Fazit

  • Vor 50 Jahren: Anleihe = aktienähnliche Renditen, null Schwankungen
  • Heute: Anleihe = null Rendite, aktienähnliche Schwankungen

Und jetzt? Das habe ich mich auch gefragt. Die einzige Anlageklasse, die mir - konstruktionsbedingt - sinnvoll erscheint sind Alpha-Fonds

Hintergrund-Infos

In diesem Video diskutiert Salem Abraham, ein Börsenveteran mit 30-jähriger Tradingerfahrung, das Thema "Niedrigzinsen und Assetklassen-Drift".

(awa)

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Kommentare

pistachio_cracker69 sagt am 22. Juni 2021

Sie argumentieren hier mit Nominalwerten, das ist absoluter Quatsch. "Die einzige Anlageklasse, die mir - konstruktionsbedingt - sinnvoll erscheint sind Alpha-Fonds", schämen Sie sich eigentlich nicht?


AccomplishedGuest sagt am 22. Juni 2021

Der alte Albert hätte dem neuen Albert jetzt einmal ordentlich die Leviten gelesen!

Sehr wortreich hättest du von dir zu hören bekommen, dass du bei der Börse fürs Aushalten bezahlt wird, dass Robustheit durch Einfachheit kommt, und dass es beim Anleihenteil des Portfolios gar nicht darum geht Geld zu verdienen, sondern nur darum in der Krise nicht panisch die Flinte ins Korn zu schmeißen.

Was hat sich für dich so geändert, dass du auf einmal von deinen alten Prinzipien abrückst? Was ist aus dem Ziel geworden einfach nur nicht arm sterben zu wollen?


Markus sagt am 24. Juni 2021

Dein Fazit "Heute: Anleihe = null Rendite, aktienähnliche Schwankungen" ist nur bei einer unpassenden Wahl des Stabilitätsankers zutreffend. Als Stabilitätsanker kommen nur Kurzläufer in der Heimatwährung des Anlegers mit bester Bonität oder als Alternative Tagesgeld im Rahmen der Einlagensicherung in Betracht.


Finanzwesir sagt am 24. Juni 2021

Hallo pistachio_cracker69,

"Sie argumentieren hier mit Nominalwerten, das ist absoluter Quatsch."

Warum?
Es geht doch darum, ob ich mit Anleihen einen Geldstrom generieren kann. Ob das dann über oder unter der Inflationsrate liegt, ist erst einmal nebensächlich für den, der die Zahlungsverpflichtung hat. Fast alle diese Zahlungen sind nominal, die sind nicht inflationsgesichert.
Nehmen wir Riester. Angenommene Garantierendite 4%

  • 4% Zinsen, 6% Inflation. Kein Problem, ich kann meinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen.
  • 0% Zinsen, 2% Inflation. Ich muss meine 4% irgedwie am Aktienmarkt zusammenklauben. Wenn das nicht geht, muss die Garantie runter.

Das betrifft nicht nur Pensionskassen, sondern auch Stiftungen und natürlich Privatleute, die von ihrem Geld leben müssen sind betroffen. Nicht umsonst sind hohe Zinsen Gift für den Aktienmarkt. Wenn ich Rendite über bonitätsstarke Zinspapiere generieren kann, dann werde ich das tun. So viel wie möglich in Anleihen, so wenig wie nötig in Aktien.

Wir reden hier von Leuten, die klare Renditevorgaben haben und versuchen diese mit möglichst wenig Risiko zu erreichen.

Gruß
Finanzwesir


Tulpenmanie sagt am 24. Juni 2021

Das neue Layout, dass auf der Startseite gleich der ganze Artikel erscheint ist äußerst anstrengend, wenn man auf den vorherigen Aktikel will, vor allem mit dem Handy. Ansonsten kann ich mich den ersten beiden Kommentaren nur anschließen. Aber da sie sich über die Jahre mündige und gebildete Leser heranerzogen haben, wird sich das ganz von selbst erledigen. Ein wirkliches Dilemma ist, dass sich das Manifest geändert hat. Naja, ich habe zum Glück noch das Buch (das wirklich Top ist).


Finanzwesir sagt am 24. Juni 2021

Hallo AccomplishedGuest,

"Was hat sich für dich so geändert, dass du auf einmal von deinen alten Prinzipien abrückst? Was ist aus dem Ziel geworden einfach nur nicht arm sterben zu wollen?

Ich will weiterhin nicht arm sterben. Deshalb muss ich mich weiter entwickeln.
2008 / 2009 war mir klar: So geht es nicht weiter mit mir und der Börse. Also habe ich mich auf die Suche nach neuen Konzepten gemacht. Ich habe eine Menge interessanter Bücher gelesen, die sehr sinnvoll und plausibel von Aktienauswahl und Handelsstategien erzählt haben. Dann ist mir ein Buch eines wirren Sektierers namens Kommer in die Hand gefallen. So ein Bankfuzzi aus London, der behauptet,dass man mit Rumsitzen auf einem Handelsplatz eine bessere Rendite erzielt, als mit klugem Handeln.
Buch weggelegt, erst mal die anderen Richtungen geprüft. War aber alles nicht so doll. Dann bin ich doch wieder zu Herrn Kommer zurückgekehrt und sein vollkommen unintuitives Konzept des Indexierens hat mich dann überzeugt. Wir haben die Einzelaktien verkauft uns alles in ETFs investiert.

Kaum eineDekade später, Anfang 2020 hat mich ein Journalist angerufen: Ob ich ihm nicht ein paar ETF-Statements in die Feder diktieren könnte. Klar,kein Problem, um welche Publikation geht es denn?
Den genauen Namen habe ich vergessen, aber es war etwas in der Richtung von "Tina - Sonderheft Ratgeber Haus und Garten". Die wollten auf der Seite "Geld anlegen" einen ETF-Kasten haben.
So wurde eine abstruse Idee binnen einer Dekade Mainstream.
Obwohl, das stimmt eigentlich nicht. Es gibt eine hinreichend große Zahl von Menschen, die ETFs versteht und die man geballt auf Finanzblogs antrifft. Es gibt in Deutschland immer noch mehr Nicht-Aktionäre als Aktionäre. Wie viele Menschen in Deinem Bekannten- Kollegen- und Verwandtenkreis können die Frage: "Was ist ein ETF?" beantworten.
Für Dich ist ETF + Tagesgeld einfach. Für viele Leute ist das schon sehr kompliziert.

Jetzt stehe ich wieder an einem Scheideweg. Es ist mir vor gut 10 Jahren nicht leicht gefallen, es ist mir auch dieses Mal nicht leicht gefallen.

Corona hat mir gezeigt, wie schnell man als Gläubiger die Arschkarte hat. Wir hatten Ende 2019 eine Urlaubsreise und zwei Flüge gebucht.
Durch Corona: Alles abgesagt. Rückzahlung? Nein. Die Fluggesellschaft und der Veranstalter haben sich einfach tot gestellt. Hotline wimmelt ab, per Mail immer die gleichen Worthülsen.
Gezahlt wurde erst, als die Steuermilliarden auf dem Konto waren und selbst dann musste ich mich durch ätzende Formulare kämpfen. Zuerst kamen die Gutscheine oder das Angebot doch gleich eine neue Reise zu buchen mit 10% Rabatt. Rückzahlung war ganz unten, ganz klein.
Eine Nichterstattung hätte uns nicht ruiniert. Aber ich bin nachdenklich geworden: Was, wenn das auch mit unseren Anleihen passiert? Du kannst als Gläubiger Rechtstitel ohne Ende haben, wenn es nichts zu holen gibt oder Du die nicht durchsetzen kannst oder willst (beauftrage den Anwalt die 258,68 € zurück zu holen, bezahle ihm dafür 500 €), dann nützen die nichts. Ich war erstaunt, wie schnell das System fragil wurde. Dann kam die Geldflut und hat alles mit sich fortgerissen und mir mein Geld zurückgebracht.

"dass du bei der Börse fürs Aushalten bezahlt wird,"

Da hat sich nichts geändert. Die Unsicherheit geht nicht weg. Alpha ist keine Garantie

"dass Robustheit durch Einfachheit kommt,

Korrekt, aber da gilt Albert Einstein "Mache die Dinge so einfach wie möglich. Aber nicht einfacher!" Meine Zutaten müssen auch performen. Anleihen sind meiner Meinung nur noch sehr bedingt in der Lage ein langfristiger Stabilitätsanker zu sein. Wo soll denn das denn noch hingehen mit dem Aufkaufprogramm?
Angefangen hat es mit soliden Staatsanleihen, im PEPP (so hieß das Corona-Aufkaufprogramm) heißt es

"Für von der griechischen Regierung begebene Wertpapiere wird im Rahmen des PEPP eine Ausnahmeregelung in Bezug auf die Kriterien für die Ankauffähigkeit gewährt."

Und auch für alle andere Anleihengattungen gilt: "Wenn nötig senken wir die Anforderungen".

Robustheit wird von zwei Faktoren beeinflusst

  1. Einfachheit. Was nicht da ist, kann auch nicht kaputt gehen.
  2. Die Robustheit der einzelnen Komponenten. Und da scheint es mir doch so zu sein, dass der gute Petrus nicht mehr auf einem Granitfelsen sitzt, sondern eher auf Sandstein.

"dass es beim Anleihenteil des Portfolios gar nicht darum geht Geld zu verdienen"

Aber frei nach Warren Buffett: Kein Geld zu verdienen ist ok, aber welches zu verlieren nicht. Wenn selbst deutsche Staatsanleihen leichte Verluste hinnehmen müssen, finde ich das nicht gut. Ja, sie haben sich wieder berappelt. Aber das liegt an der Geldflut.
Für mich ist das die Risikokompensation nach Peltzman in Reinkultur.

  • Im Dotcom-Crash musste jeder sehen wo er bleibt.
  • In der Subprime-Krise: Erst großes Gezeter, dann aber doch: Geld für alle.
  • Corona: Geld für alle, sofort.

Alle Marktteilnehmer haben diese Geldflut doch bereits eingepreist.
Was ist beim nächsten Crash? Werden dann auch Aktien aufgekauft?

Dieser Prozess ist auf Dauer nicht durchzuhalten.

"sondern nur darum in der Krise nicht panisch die Flinte ins Korn zu schmeißen." Korrekt, aber auch Stoizismus hat seine Grenzen.

Ich habe die Pandemie des letzten Jahres zum Anlass genommen, mir den Taleb'schen Geflügelzoo noch einmal vorzunehmen (schwarzer Schwan, Truthahn). Wenn ich Taleb ernst nehme, dann kann ich nicht einfach so weitermachen wie bisher.
So hat dann eins zum anderen geführt.

Gruß
Finanzwesir


Finanzwesir sagt am 24. Juni 2021

Hallo Tulpenmanie,

"Das neue Layout, dass auf der Startseite gleich der ganze Artikel erscheint ist äußerst anstrengend, "

Check mal Deinen Cache, es gibt (noch) kein neues Layout und ganze Artikel werden auf der Homepage nicht dargestellt.

Gruß
Finanzwesir


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